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„Mehr Freiheit wagen“

Bild: Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Regierungserklärung am 30.November im Bundestag.

Standortbestimmung: Die erste Regierungserklärung nach der Kanzlerwahl

In Regierungserklärungen erklärt die Regierung ihre Politik. Sie stehen häufig im Zusammenhang mit wichtigen Entwicklungen oder Vorhaben. Die Regierung kann jederzeit eine Regierungserklärung abgeben – durch die Kanzlerin oder durch den zuständigen Bundesminister – an die sich dann eine Debatte anschließt, in der die Fraktionen dazu im Plenum Stellung nehmen. Besonders herausragend ist die erste Regierungserklärung eines neu gewählten Bundeskanzlers. So kam der Erklärung von Angela Merkel eine Woche nach ihrer Wahl zur ersten Kanzlerin der Bundesrepublik entsprechend große Bedeutung zu.

In Anlehnung an Willy Brandts Regierungserklärung von 1969 mit dem Leitgedanken „mehr Demokratie wagen“ orientierte Merkel ihre Regierungserklärung am 22. November 2005 an der Leitidee „mehr Freiheit wagen“. Sie griff darin zunächst das Überraschungsmoment auf, das in einer in Deutschland ungewöhnlichen Koalition der beiden größten Fraktionen steckt und rief dazu auf, sich von dem positiven Weg und den neuen Chancen überraschen zu lassen, die mit einer solchen großen Koalition verbunden seien.

Eine solche Regierungserklärung entsteht zwar im Kanzleramt und wird von der Kanzlerin selbst in die endgültige Form gebracht. Doch geht es im Wesentlichen darum, die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vereinbarungen der Regierungsparteien aufzugreifen und daraus eine große Linie zu entwickeln. Die einzelnen Ministerien liefern Vorschläge für einzelne Passagen zu, damit in der Regierungserklärung bereits deutlich wird, welche Vorhaben den einzelnen Regierungsmitgliedern am Herzen liegen. Zur wichtigsten Grundlage der neuen Koalition aus vorherigen politischen Gegnern gehört nach Überzeugung beider Seiten, gegenseitig Vertrauen zu schaffen. Deshalb stimmte die Bundeskanzlerin ihre Regierungserklärung insbesondere mit Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) ab.

Dreitägige Generalaussprache

Parlamentarischem Brauch folgend, erhält auch der Oppositionschef die Rede am Vorabend bereits übermittelt, damit er seine Erwiderung besser vorbereiten kann. Und auch auf diesem Feld bildet die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages eine Besonderheit: Der Regierungsseite mit mehr als zwei Dritteln der Mandate stehen gleich drei ähnlich große Oppositionsfraktionen gegenüber. Damit hatte die Debatte über die erste Regierungserklärung Merkels eine weitere interessante Fragestellung: Wie formiert sich die Opposition?

In der Debatte wurde deutlich, dass die Fraktionen von FDP, Die Linke. und Bündnis 90/Die Grünen nur wenige Kritikpunkte haben, in denen sie in der Ablehnung der Regierungspolitik übereinstimmen: Dazu zählt insbesondere die für 2007 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. In den meisten anderen Politikfeldern sind die Argumente der Oppositionsfraktionen höchst unterschiedlich. Was den einen zu weit geht, geht den anderen nicht weit genug.

Von den Vorhaben der Regierung und den Reaktionen der Opposition darauf konnte sich die Öffentlichkeit während der dreitägigen Generalaussprache ein differenziertes Bild machen, denn nacheinander kamen die von der Kanzlerin vorgegebenen Grundlinien und die Pläne der einzelnen Fachminister zur Sprache. Die Lebendigkeit selbst einer derart langen Debatte wird dadurch gefördert, dass auf einen Redner aus einer der Regierungsfraktionen jeweils ein Redner aus den Oppositionsfraktionen folgt, entsprechend den Stärkeverhältnissen und beginnend mit dem jeweiligen Bundesminister.

Text: Gregor Mayntz
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 20. Dezember 2005

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