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Dezember 7/2003
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Veranstaltung im Paul-Löbe-Haus
Veranstaltung im Paul-Löbe-Haus.

Von vollen Terminkalendern und leeren Kühlschränken

Gisela Piltz
Gisela Piltz.

Manchmal merkt die FDP-Abgeordnete Gisela Piltz nach einem langen Arbeitstag, dass sie es wieder nicht geschafft hat, Brot und Milch zu kaufen. Dafür geht sie mit einer Menge Papier nach Hause.

Wenn der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse an diesem Tag nicht 60 Jahre alt geworden wäre, hätte Gisela Piltz den Arbeitsabend wahrscheinlich in ihrem Büro und über den Akten verbracht. So aber nimmt sie sich zwei Stunden Zeit, ins Foyer des Paul-Löbe-Hauses zu gehen, wo erst der Chor des Deutschen Bundestages singt und dann Reden gehalten werden, denen man gern zuhört, weil sie kurzweilig und interessant zugleich sind. Außerdem war noch angekündigt, dass Manfred Krug singen wird und darauf ist die Abgeordnete neugierig.

Das Gute an solchen Veranstaltungen ist: Man trifft eine Menge Leute und kann über das eine und das andere in entspannter Atmosphäre reden. Auch mit Fraktionskollegen, mit denen man sonst arbeitet und arbeitet und arbeitet.

Von vollen Terminkalendern und leeren Kühlschränken
9.15 Uhr: Innenausschuss.
Gisela Piltz Gisela Piltz Ausschussrotunde im Paul-Löbe-Haus

Die Zeit zwischen 18.30 Uhr und 20.30 Uhr also ist angenehm und nützlich zugleich. Gisela Piltz kann Zuschauerin und Akteurin sein, gönnt sich ein Glas Wein und konstatiert, dass die eleganten Schuhe mit den dünnen Absätzen ihr auch nach diesem langen Tag, an dem sie viel laufen musste, keine Schwierigkeiten bereiten. Alles eine Frage des Durchhaltevermögens.

Sie macht, trotz des langen Arbeitstages und der vielen Sitzungen und Gespräche, einen guten Eindruck. Energiegeladen, ein wenig quirlig, humorvoll, diskussionsfreudig. Mit ihrem hellbraunen Hosenanzug, den blonden Haaren und den – doch – spektakulären Schuhen ist Gisela Piltz in der Menschenmenge ziemlich leicht auszumachen. Zwischen grauen, dunkelblauen und schwarzen Anzügen findet man sie immer wieder – ein Lichtblick im Sinne des Wortes.

Angefangen hat der Tag für die 38-jährige Abgeordnete aus Düsseldorf um sieben Uhr und mit einer hausgemachten Enttäuschung. Der Kühlschrank in ihrer Wohnung steht noch immer offen, weil er nicht mehr enthält als frische Luft. Ernährungspolitisch betrachtet sind Sitzungswochen eine Katastrophe. Gisela Piltz verlässt also wieder einmal ohne Frühstück die Wohnung und fährt ins Büro. Da landet sie kurz nach acht an, eine Stunde vor Beginn der Ausschusssitzung. Es bleibt also Zeit, einen Kaffee zu trinken, die Termine des Tages durchzugehen und in die Sitzungsunterlagen zu schauen. Auf dem Schreibtisch blüht noch immer die „Blume der Woche“ – eine Rose von Frau Rose, der ein Blumenladen im Bezirk Prenzlauer Berg gehört, und bei der die Mitarbeiterin der Abgeordneten Piltz jeden Montag Blumen für jeden Schreibtisch im Büro kauft. Das gefällt der Frau Rose ganz sicher.

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13.10 Uhr: Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen.
Sitzung der Gesellschaft zum Studium struktupolitischer Fragen Gisela Piltz Sitzung der Gesellschaft zum Studium struktupolitischer Fragen

Der Innenausschuss wird ab 9.15 Uhr tagen. Die Arbeit dort hat die gelernte Juristin von ihrem Vorgänger übernommen. Sie ist für ihn am 11. November 2002 in den Bundestag nachgerückt – mit „Helau“, wie die Rheinländerin ob des Datums augenzwinkernd sagt. Es habe nur ein paar Wochen gedauert, dann sei sie mittendrin gewesen – spätestens nach ihrer ersten Rede im Bundestag, die sie mit Bravour und Herzklopfen meistern konnte. Die zwei Stunden davor allerdings, gesteht sie, seien ihr damals vorgekommen wie ein ganzer Tag. Heute ist das alles schon viel einfacher. Außerdem debattiert sie gern.

Die Tagesordnung der Ausschusssitzung umfasst zwanzig Punkte, ein paar werden auf kommende Sitzungen verschoben, einige können recht schnell diskutiert und mit Empfehlungen für das Parlament abgestimmt werden. Andere werden lang und ausführlich debattiert. Zum Beispiel der Bericht des Bundesinnenministeriums über die aktuellen Gefahren des Rechtsterrorismus. Gisela Piltz stellt, wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, Fragen, erfährt Neues und gleicht das Gehörte mit dem ab, was sie weiß und geschlussfolgert hat. Das Thema berührt alle gleichermaßen stark, niemand pocht in der Debatte auf Fraktionsgrenzen, weil es darum geht, gemeinsam Strategien zu finden.

Zuvor hat die FDP-Abgeordnete bei einem anderen Tagesordnungspunkt für ihre und die Meinung ihrer Fraktion plädiert. Es geht um den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Volksentscheides über die europäische Verfassung. Gisela Piltz sähe gern, wenn es dazu käme, plädiert für mehr direkte Demokratie und meint, die neue Verfassung sei ein guter Anlass, die Menschen mitentscheiden zu lassen. Die Debatte wird vertagt, kommt jedoch nicht vom Tisch. Das sei einerseits gut, meint die Abgeordnete, weil es Zeit brauche, sich selbst mit dem Verfassungsentwurf auseinander zu setzen. Andererseits werde es eng, denn im kommenden Jahr schon sind Europawahlen und die Verfassung soll gleich „mitgewählt“ werden.

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15.30 Uhr: Termine im Büro.
Rose im Büro FDP-Schlüsselband Gisela Piltz

Die Ausschusssitzung geht bis 13 Uhr und garantiert Terminhetze. Denn unmittelbar im Anschluss beginnt Unter den Linden 71 eine Beratung der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen. Es geht um demographische Entwicklungen, die Rentenreform, private und betriebliche Altersvorsorge. Alles strittige Themen, die verlangen, dass man so viel wie möglich Informationen und Argumente bekommt, um eigene Entscheidungen treffen zu können. Gisela Piltz kommt ein paar Minuten zu spät, ein wenig außer Atem, ein ganz klein wenig resigniert: Wie am Schnürchen läuft es sowieso fast nie an solchen Tagen. Wäre vielleicht auch langweilig.

Im Büro entstehen gerade wieder neue Papierstapel, vielleicht ist am Nachmittag Zeit, ein wenig davon abzuarbeiten. Oder es tritt einer dieser netten Glücksfälle ein. Zum Beispiel: Eigentlich hätte Gisela Piltz von 15 Uhr bis 15.30 Uhr Plenardienst – ein Abkommen innerhalb der Fraktion, das kontinuierliche Anwesenheit im Plenarsaal garantieren soll. Kleine Fraktionen müssen so planen. Die Plenarsitzung an diesem Tag – Fragestunde und Aktuelle Stunde – wird von halb drei bis halb vier unterbrochen. Aus dem Plenardienst wird also Bürozeit, ein kleiner Glücksfall also. Die Abgeordnete findet Zeit, einen jungen Mann aus ihrem Wahlkreis, der zu Besuch ist, kurz durchs Haus zu führen und kann danach Papiere wegarbeiten. So lange, bis der nächste Besuch kommt: Gabriele Renatus, Bundesgeschäftsführerin der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker, einst Chefin von Gisela Piltz, damals wie heute Mitstreiterin, wenn es um die Interessen der Kommunen und die Verbesserung ihrer Situation geht.

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18.30 Uhr: Foyer des Paul-Löbe-Hauses.
Foyer des Paul-Löbe-Hauses Gisela Piltz Foyer des Paul-Löbe-Hauses

Gisela Piltz ist kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, eine streitbare Sprecherin, die weiß, wovon sie redet und worum sie kämpft. Niederlagen allerdings sind diesem Thema immanent. Über eine aus der vergangenen Woche spricht die Abgeordnete mit Gabriele Renatus: Da hat der Bundestag einen FDP-Gesetzentwurf zum Konnexitätsprinzip abgelehnt. Ein sperriger Begriff, der beinhaltet, dass der Bund mitfinanziert, was er den Kommunen „in Auftrag“ gibt. Will er, dass beispielsweise ausreichend Kindergartenplätze geschaffen werden, kann er die Finanzierung, nach Überzeugung von Gisela Piltz, nicht allein den Kommunen überlassen. Wenn das Ende der Fahnenstange erreicht ist, muss umgedacht werden – und die Situation der Kommunen ist prekär.

Kurz nach fünf geht der Besuch. Es war ein gutes Gespräch, eines, nach dem der Boden unter den Füßen wieder fester ist und die Arbeit neue Impulse bekommt. Jetzt ist wieder Zeit für Akten und Unterlagen, Briefe und Mails, Faxe und Terminabsprachen. Den Gesetzentwurf der Europäischen Verfassung wird die Abgeordnete aber doch mit nach Hause nehmen. Der muss in Ruhe gelesen und durchdacht werden. Vielleicht gelingt das schon nach der Geburtstagsfeier für Wolfgang Thierse. Allerdings gäbe es noch die Möglichkeit, mit einem Kollegen zu einem „Zukunftssalon“ zu gehen. Klingt auch nicht schlecht. Aber das wird sie später entscheiden. Um Milch und Brot zu kaufen, ist es eh zu spät. Der Kühlschrank muss weiter sein nutzloses Dasein fristen. Abhilfe könnte ja eine Spätverkaufsstelle im Bundestag schaffen. Wäre das nicht einen Antrag an den Bundestagspräsidenten wert?

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0307/0307011
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