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Debatte
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Wortlaut der Reden

Heribert Scharrenbroich, CDU/CSU Dr. Klaus-Dieter Feige, Bündnis 90/GRÜNE >>

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Mischnick hat eben unsere Empfindungen vom 9. November dargestellt und dann seine Traurigkeit darüber ausgedrückt, daß wir jetzt so um dieses Thema streiten.

Ich glaube, es ist sehr verständlich, daß die Lage so ist. Mich erinnert die deutsche Einheit an die Geburt eines Kindes. Bei der Geburt eines Kindes spricht man zu Recht von dem freudigen Ereignis, weiß aber, daß nachher

sehr viele Lasten auf die Familie zukommen. Wir sind jetzt dabei, die Lasten, die mit dem freudigen Ereignis verbunden sind, gleichmäßig zu verteilen; heute heißt das Thema: die Lasten gleichmäßig auf Berlin und Bonn zu verteilen, auf Westdeutschland und Ostdeutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen meine ich, daß wir den Kompromißvorschlag sehr wohl noch einmal überdenken müssen. Denn er ist ein Angebot, beide Städte, beide Regionen an den Lasten zu beteiligen. Ich sage ganz offen: Ich bedaure, daß in der Hektik der letzten Tage nicht genügend Gespräche mit den Sozialdemokraten, mit den Freien Demokraten geführt worden sind.

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Mit den CDU-Leuten unter sich!)

-- Jawohl, nicht mit beiden Fraktionen, Herr Dr. Vogel. Ich weiß allerdings, daß es in beiden Fraktionen Anhänger für diesen Konsensvorschlag gibt. Aber sie sind nicht von vornherein eingebunden worden. Aber ich meine, das sollte jetzt bei dieser wirklich historischen Entscheidung kein Hindernis sein, einen Weg zu suchen, daß sich beide in diese Lasten teilen.

Als Volksvertreter haben wir die Aufgabe, die Empfindungen zu berücksichtigen, die die Menschen z. B. im Osten haben. Sollte die Entscheidung gegen Berlin ausgehen, dann müssen wir schon jetzt wissen, wie traurig viele Menschen in Ostdeutschland ob dieser Entscheidung sein werden. Das kann uns allerdings nicht daran hindern, das Richtige zu tun. Wir werden aber auch feststellen, daß es im Osten viele Menschen gibt, die ihr Heil nicht unbedingt in Berlin sehen, die schon wissen, daß in der Vergangenheit zuviel nach Ost-Berlin gezahlt worden ist.

Wir Volksvertreter werden die Empfindungen von Menschen in West und Ost berücksichtigen müssen, die -- ich sage das ganz offen -- eine Entscheidung gegen Berlin aus historischen Gründen, aus ihrer Überzeugung heraus als einen Wortbruch betrachten. Wir werden Schwierigkeiten haben, das argumentativ abzubauen. -- Ich habe allerdings eine andere Position. Denn ich glaube, der Bonn-Antrag gibt sich redlich Mühe, die Hauptstadtfunktion von Berlin auszufüllen.

(Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Mehr als redlich ist das nicht!)

Wir werden die Empfindungen berücksichtigen müssen, die vor allen Dingen junge Menschen haben, die mit der Bonner Republik groß geworden sind, die diesem föderalen Staat Vertrauen schenken.

(Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Das sind Menschen, die wissen, daß von der Bonner Republik die Freiheitssicherung ausging und daß von der Bonner Republik auch die Freiheitsdurchsetzung ausging. Diese Empfindungen werden wir zu berücksichtigen haben.

Wir werden aber auch die Empfindungen der Menschen in Berlin und in Bonn, im Westen wie im Osten zu berücksichtigen haben, die durchaus zu Recht die Frage nach den Arbeitsplätzen stellen, nach den Familien, die durch Zwangsversetzungen eventuell auseinandergerissen werden.

Da ist es wichtig, daß wir deutlich machen: Gleichgültig, wie die Entscheidung ausfällt, auch wenn sie für Bonn ausfällt, wird es eine wesentliche stärkere Industrialisierung im Berliner Raum geben. Wenn der Geißler-Vorschlag angenommen wird, wonach Bonn und Berlin an der Machtteilung und der Lastentragung beteiligt sind, wird es Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern geben.

Dieser Vorschlag ist auch durch die Arbeitsplatzsituation gerechtfertigt. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß 4 500 Menschen beim Bundestag und 30 000 bei den Ministerien beschäftigt sind. Das heißt, wenn der Bundestag nach Berlin geht, werden diejenigen, die jetzt beim Bundestag beschäftigt sind und nicht nach Berlin mitgehen wollen, bei den Ministerien ihre Arbeitsplätze finden können. Auch von daher ist dieser Vorschlag richtig.

Letzter Punkt: Ich sehe in der Tatsache, daß der Bundestag nach Berlin geht, in die Hauptstadt, so wie es der Geißler-Vorschlag vorsieht, und die Administration, die Regierung, in Bonn bleibt, eine wesentliche Aufwertung des Parlaments, des parlamentarischen Gedankens.

Ich bitte Sie auch von daher: Stimmen Sie diesem Vorschlag zu, der auch eine Emanzipation des Parlaments gegenüber der Bundesregierung zum Ziel hat.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat der Kollege Klaus-Dieter Feige.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_033
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