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Debatte
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Wortlaut der Reden

Dr. Sigrid Semper, FDP Dr. Wolfgang Bötsch, CDU/CSU >>

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade als Abgeordnete aus einem der neuen Bundesländer bewegt mich die Debatte um den Regierungssitz Berlin sehr stark. Trotzdem möchte ich heute keine gefühlsbetonte Rede halten, sondern vielmehr Sachargumente nennen, die leider in den vergangenen Wochen und Monaten oftmals so stark in den Hintergrund gedrängt wurden.

Unbestritten würde eine Verlagerung von Regierung und Parlament nach Berlin ein Signal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in der Bundesrepublik setzen, sich langfristig in Richtung Berlin zu orientieren. Aber nicht nur Regierung und Parlament würden dann ihren Standort nach Berlin verlagern, sondern auch diejenigen, die aus den verschiedensten Gründen nahe bei den politischen Entscheidungsträgern, also in Berlin, sein müßten.

In den vergangenen 45 Jahren war gerade dies wegen der guten Erreichbarkeit Bonns nicht vonnöten gewesen. Bonn teilte sich politische Funktionen -- wie schon gesagt wurde -- z. B. mit Frankfurt, Köln oder Düsseldorf und beließ andere in Hamburg, München oder Stuttgart. Ein künftiger Sitz von Parlament und Regierung in Berlin würde die politischen Funktionen dieser Städte auf lange Sicht abziehen.

(Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ähnlich wie London oder noch stärker Paris würde Berlin ein Zentrum der Macht, das den Rest des Landes zweit- oder drittrangig erscheinen läßt.

(Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Das hängt doch von den Menschen ab!)

Die zentrale Machtposition Berlins als Hauptstadt und Sitz von Parlament und Regierung würde zu einer hierarchischen Struktur zwischen Berlin auf der einen Seite und den Landeshauptstädten auf der anderen Seite führen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Berlin ist zum jetzigen Zeitpunkt die Stadt in Deutschland mit den größten Spannungen. Wird Berlin noch größer -- sagen wir: eine Fünfmillionenstadt --, so sind diese sozialen Probleme nie mehr in den Griff zu bekommen. Die Preise in Berlin, z. B. die Grundstückspreise, würden auf Höhen schnellen, die denen von London, Paris oder gar Tokio ähneln. Auch dies führt -- neben anderem -- zu sozialen Problemen.

Wie schon angedeutet ist eine Entscheidung für Berlin nicht nur eine Entscheidung gegen Bonn, sondern gegen alle Großstädte der Republik.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Neben der Politik würden auch Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Technik langfristig nach Berlin abziehen und große Lücken auch in den ostdeutschen Städten hinterlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD -- Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist doch alles Spekulation, die durch nichts begründet ist! Wir sind hier doch nicht beim Märchen!)

-- Hören Sie zu.

Die Bundesrepublik hat in den vergangen Jahren gezeigt, daß es von großem Vorteil ist, mehrere Wirtschaftszentren im ganzen Land verteilt zu haben. Es waren höhere Wachstumsraten vorzuweisen als in den Ländern, die lediglich ein Großwirtschaftszentrum haben.

Im Hinblick auf ein föderatives Europa hat das stark ausgeprägte föderative Deutschland geradezu Modellcharakter für ein gemeinsames Europa. Es wäre kontraproduktiv, wollte man in Deutschland einen Schritt zurück in Richtung Zentralstaat machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Die Liste von Sachargumenten ließe sich weit über meine Redezeit hinweg fortsetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kaum! -- Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Doch!)

Lassen Sie mich zum Schluß nur beispielhaft eine Frage an die Berlin-Befürworter stellen: Wie soll ich 800 000 Menschen im Großraum Halle und Leipzig, die wegen vorhandener Rüstungsaltlasten stark vergiftetes Wasser trinken müssen, erklären, daß sie dies auch deshalb tun müssen, weil es zur Zeit ein Problem bereitet, die ca. 10 oder 20 Millionen DM freizumachen, die eine Sanierung des Geländes kosten würde, wir aber heute abend über ein Projekt sprechen, das zwischen mindestens 20 und 76 Milliarden DM gehandelt wird?

Meine Damen und Herren, ich hoffe von ganzem Herzen, daß auch zukünftige Generationen für unsere heutige Entscheidung, wie immer sie ausfallen wird, Verständnis aufbringen werden.

Ich bin für Bonn.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wolfgang Bötsch, der vom Platz aus sprechen will.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_042
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