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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Wolf Bauer, CDU/CSU Hans-Dirk Bierling, CDU/CSU >>

Während der heutigen Debatte wurde viel von Glaubwürdigkeit gesprochen. Fast alle Redner, die von Glaubwürdigkeit sprachen, haben sie für ihre Argumentation in Anspruch genommen: So oder so. Ich bin davon überzeugt, daß wir vor allem dann glaubwürdig sind, wenn wir jetzt eine Politik betreiben und Entscheidungen treffen, die den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben unserer Tage gerecht werden. Denn es hat weder Sinn, daß wir Äußerungen und Vorstellungen vergangener Tage aufarbeiten, noch daß wir eine uferlose Diskussion darüber führen, ob man Parlament und Regierung trennen kann. Parlament und Regierung lassen sich nicht trennen.

Nein, was wir jetzt brauchen -- ich komme noch einmal auf Glaubwürdigkeit zurück --, ist, daß wir uns vordringlich und mit aller Kraft den anstehenden Herausforderungen hier in unserem Land stellen. Und dazu gehört übrigens auch die heutige Abstimmung.

Womit wir uns allerdings auseinandersetzen müssen, ist das Selbstverständnis von Politik. Machen wir Politik für Menschen, oder machen wir Politik für Ideologien? Da für mich Politik mit Dienen zusammenhängt, steht für mich auch Politik für unsere Mitmenschen an erster Linie.

Daher sind für mein Abstimmungsverhalten vor allem zwei Gründe von entscheidender Bedeutung, weil viele Menschen -- vor allem in zwei Regionen unseres Landes -- ganz besonders hart davon betroffen sind.

Zum einen handelt es sich um die neuen Bundesländer. Ihre berechtigten Interessen müssen wir berücksichtigen. Gleiche Lebensbedingungen in allen Bundesländern herzustellen muß unser Ziel sein. Ebenso müssen Einrichtungen des Bundes über alle Bundesländer gerecht verteilt werden.

Oft wurde angeführt, daß von 16 Landtagen 12 (zehn Landtage und zwei Landesregierungen) für Berlin seien. Eines steht mit Sicherheit fest: daß die Vorstellungen großer Teile der Bevölkerung -- nicht zuletzt in den neuen Bundesländern -- mit dieser Aussage nicht übereinstimmen.

Denn auch Ressentiments gegenüber Berlin sind durchaus keine Seltenheit. Vor allem die Angst, daß wie in Jahrzehnten kommunistischer Diktatur wieder alles nach Berlin fließen könnte, ist weit verbreitet.

So erzählte mir z. B. am letzten Wochenende eine junge Ärztin in Thüringen, in welch äußerst schwieriger Situation das dortige Krankenhaus sei. Für mich symptomatisch war ihre Bemerkung, daß sie überhaupt kein Verständnis für das Bestreben derer habe, die zig Milliarden für einen Umzug nach Berlin ausgeben wollen, während vor Ort kein Geld für einen Ausbau der notwendigsten Infrastruktur vorhanden sei.

Zum anderen handelt es sich um unsere Bonner Region. Auch hier stehen wir den Menschen gegenüber in der Pflicht. Und auch das ist ein Stück Glaubwürdigkeit.

Aber nicht nur Bonn, sondern die gesamte Region wäre durch einen Weggang von Parlament und Regierung hart betroffen. Bis in meinen Wahlkreis -- den Kreis Euskirchen und den Erftkreis -- hinein wohnt eine große Zahl von Mitbürgern, die hier in Bonn ihren Arbeitsplatz haben. All diesen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen gegenüber sind wir ebenfalls verantwortlich. Auch viele kleine und mittlere Handwerksbetriebe -- z. B. aus der strukturschwachen Eifel -- finden Aufträge hier in Bonn.

In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, daß bei einer Entscheidung gegen Bonn hier gewachsene wirtschaftliche Strukturen zerstört würden. Die Folgen sind unabsehbar. Berlin hingegen braucht sich auch ohne Parlaments- und Regierungssitz wegen des zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwunges keine Sorgen machen. Es wird so oder so zu einem europäischen Zentrum »erster Klasse« werden.

Eine der großen Herausforderungen für die nächsten Jahre ist der Umweltschutz: Die Koalitionsvereinbarung sieht eine Reduktion der CO2-Emission um 25 bis 30 % bis zum Jahre 2005 vor. Ich frage mich, wie wir dieses hochgesteckte Ziel erreichen wollen, wenn wir nicht selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Verkehrsvermeidung ist für die nächsten Jahre angesagt. Ein ständiges Hin- und Herpendeln von Parlamentariern und Ministerialbeamten zwischen Berlin und Bonn würde mit Sicherheit das falsche Signal setzen.

Bedingt durch die Kürze der Redezeit kann ich hier und heute nur auf wirtschaftliche Gründe für meine Entscheidung pro Bonn eingehen. Aber auch mein politisches Verständnis läßt mich ein engagierter »Pro-Bonner« sein.

Nur so viel: Unsere Entscheidung für Bonn oder Berlin wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflußt. Nicht beeinflußt werden darf sie von der Frage: Preußens Gloria oder Aufbruch in ein gemeinsames Europa? Hier sind wir uns wohl alle einig, daß unsere Zukunft in einem föderalistisch geprägten Europa liegt.

Bonn stand und steht für eine gute und solide Politik, eine Politik, die auch bisher bei allen Rednern Anerkennung gefunden hat. Da wir im Zuge des Einigungsprozesses vor größten Herausforderungen stehen, sollten wir uns auf deren Bewältigung konzentrieren. Wir sind bisher mit Bonn gut gefahren und tun gut daran, in diesem Sinne von Bonn aus weiter zu arbeiten -- zum Wohle von ganz Deutschland.

Hans-Dirk Bierling, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_108
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