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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Gerlinde Hämmerle, SPD Dirk Hansen, FDP >>

Aus Süddeutschland kommend, am Rhein wohnend, dem deutschen Südwesten von Herkunft, Charakter und Umfeld verbunden, stimme ich für Berlin.

Wir haben heute schon viel gehört über die Bedeutung der Stadt Bonn für die Entwicklung der deutschen Demokratie und für die westeuropäische Integration. Dies unterschreibe ich voll und ganz, und ich habe auch in den Diskussionen der vergangenen Wochen niemanden gehört, der dies ernsthaft bestritten hätte. Auch ich achte die Sorgen der Menschen in Bonn und der Region keineswegs gering.

Die Auseinandersetzung der vergangenen Wochen war ein Gemisch aus Emotionen und Vernunft. Dabei überwogen die Emotionen. Das ist auch völlig normal; denn jeder Mensch entscheidet zuerst aus seiner eigenen Befindlichkeit, auch ich. Deshalb nenne ich einige Gründe für meine Entscheidung.

Als junger Mensch habe ich mit leidenschaftlichem Herzen das silberne Brandenburger Tor am Revers getragen. Und die Forderung »Macht das Tor auf« war für mich nie ein Lippenbekenntnis, nie eine Worthülse. Nun ist das Tor offen, nun müssen wir entscheiden.

Als ich angefangen habe, politisch zu arbeiten, habe ich immer vertreten, daß Berlin dann »wieder Hauptstadt und Regierungssitz werden soll, wenn allgemeine, freie, gleiche, geheime und direkte Wahlen in ganz Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone (so hieß das damals) durchgeführt sind«. Dies ist geschehen, und nun müssen wir entscheiden.

Wir sagen so gern in politischen Reden, daß es keine Kluft geben darf zwischen Worten und Taten, und wir verlangen von den Menschen, daß sie uns das glauben. Wenn ich mich heute gegen Berlin entscheiden würde, dann würde ich für mich selbst eben diese Kluft aufreißen.

Die wiedererlangte Einheit Deutschlands ist eine noch nie dagewesene, nicht wiederholbare, also einmalige Situation. Sie ist in allem ein Neuanfang ohne Beispiel, täglich für mich wieder packend und faszinierend. Dieser Neuanfang verpflichtet uns aber auch dazu, nicht nur von der einen Seite etwas zu verlangen und selbst wenig dazu beizutragen.

Mir genügt es dabei nicht, die Zustimmung für immer mehr Geld für den Aufschwung im Osten zu geben. Für mich gehört dazu auch, heute für Berlin zu stimmen. Man kann es drehen und wenden, wie man will, diese Entscheidung hat einen hohen Symbolwert für oder gegen die Annahme, ja, die Anerkennung der östlichen Bundesländer. Und man kann es weiter drehen und wenden, wie man will, eine überwältigende Mehrheit der Menschen in den östlichen Bundesländern verbindet die Entscheidung für Berlin mit ihrem eigenen Akzeptiertwerden.

Das Kostenargument wurde heute schon vielfach beleuchtet, und niemand leugnet die Tatsache, daß das alles viel Geld kostet, und zwar ganz gleichgültig, wie die Entscheidung heute ausfällt. Trotzdem sage ich, daß die Frage Bonn oder Berlin eben nicht nur mit Ökonomie beantwortet werden kann, sondern vielmehr mit allergrößter Sensibilität und der eigenen Glaubwürdigkeit.

Zu Beginn sagte ich, daß Bonn unverzichtbar zusammenhängt mit der westeuropäischen Integration. Wir alle aber wünschen uns ein Europa, das nicht mehr in einen westlichen und einen östlichen Teil zerfällt. Das Ziel ist ein Europa mit den osteuropäischen Ländern. Und für ein solches Europa ist Berlin wichtig und richtig.

Berlin hat eine Geschichte, die vielen kritischen Wertungen unterzogen wurde und wird, auch heute. Viele sagen, daß deswegen das Parlament nicht nach Berlin gehen könne. Ich denke anders und sage, daß Parlament und Regierung inmitten der Geschichte ihres Landes arbeiten sollen, in ständiger Berührung und ständiger Auseinandersetzung mit ihr.

Auch endet die Geschichte Berlins nicht 1945. Sie ist vielmehr seit 1945 ein Symbol der Freiheit und Berlin die Stadt mit einer tapferen Bevölkerung. Ich kann mich der Wirkung der Worte nicht entziehen, die Willy Brandt bei der Eröffnung der 12. Wahlperiode des Bundestages im Reichstag in Berlin gesagt hat:

Wenn zwischen 1946 und 1962, ich könnte auch sagen 1971, Berlin nicht standgehalten hätte, wären wir heute nicht hier versammelt.

Die Entscheidung für Berlin ist für mich ein Bekenntnis zur ganzen deutschen Geschichte und zugleich ein Neuanfang, der mit der deutschen Einigung eröffnet worden ist.

Dirk Hansen, FDP >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_131
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