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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Jürgen Meyer (Ulm), SPD Dr. Franz Möller, CDU/CSU >>

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich einen neuen Gedanken in die Diskussion einführen möchte. Dabei schicke ich voraus, daß ich nach meiner Wahl in den Bundestag im Dezember vergangenen Jahres die vielen gewichtigen Argumente für Bonn und für Berlin sorgfältig geprüft und meine Entscheidung bis zuletzt offengehalten habe, um auch für neue Argumente und Gegenargumente offenzubleiben. Dabei gewann ein verfassungspolitisches Argument immer größeres Gewicht, das von einem der Sachverständigen bei der kürzlichen Anhörung im Rechtsausschuß des Bundestages geradezu als verfassungsmoralisch bewertet worden ist.

Würde ich für Bonn stimmen, dann würde -- und das wissen Sie alle aus vielen Diskussionen genauso gut wie ich -- sogleich der Vorwurf erhoben: Seit 1949 haben Regierung und Parlament immer wieder beteuert, daß Berlin nach der Wiedervereinigung Regierungs- und Parlamentssitz wird.

Und es kann ja auch nicht zweifelhaft sein: Hätten die Alliierten dem wiederholten Drängen verschiedener Bundesregierungen nachgegeben und die Verlagerung von Bundesministerien in die geteilte Stadt nach West-Berlin zugelassen, dann gäbe es heute überhaupt keine Diskussion über den Parlaments- und Regierungssitz Berlin. Es geht also, so hört man von vielen Seiten, um ein Versprechen, das jetzt einzulösen ist.

Adressat dieses Versprechens war das Volk. Und Parlament und Bundesregierung haben immer großen Wert darauf gelegt, für das Volk in West- und Ostdeutschland zu sprechen. Neue Abgeordnete können sich in dieser Lage wohl kaum auf die Gnade einer späteren Wahl ins Parlament berufen. Wir hören also: Eine »Berlin-Lüge« würde das Vertrauen des Staatsvolkes zu Regierung und Parlament, zu ihrer Redlichkeit und Ehrlichkeit tief und dauerhaft beschädigen.

Nun kann andererseits aber nicht zweifelhaft sein, daß es neue Aspekte und gewichtige ökonomische, historische und föderale Argumente gibt, die für Bonn ins Feld geführt werden. Eine vertiefte Diskussion dieser Argumente ebenso wie der für Berlin sprechenden Gesichtspunkte mit dem Volk als oberstem Souverän unseres demokratischen Gemeinwesens könnte durchaus Wirkung zeigen. Nach meiner Überzeugung ist dieses aber auch der einzige Weg, um dem Vorwurf des Vertrauensbruchs zu entgehen. Das Werben um die Akzeptanz von Sachentscheidungen ist nicht nur ein Integrationsmittel, sondern die Luft, ohne die Demokratie nicht leben kann.

Deshalb gab es gerade für die Bonn-Befürworter in diesem Parlament nur einen Weg, von den vielfach gegebenen Versprechungen entbunden zu werden. Das war der Weg zum Volk und der Versuch, durch die Überzeugungskraft der Argumente einen Volksentscheid in ihrem Sinne herbeizuführen.

Sie, meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, haben gestern in namentlicher Abstimmung diesen Weg mehrheitlich versperrt. Ich bitte Sie, sehr ernsthaft zu überlegen, ob Sie sich selbst durch diese Entscheidung nicht auch die verfassungspolitische und verfassungsmoralische Legitimation genommen haben, für Bonn zu stimmen. Die Bonn-Anhänger der SPD-Fraktion waren für einen Volksentscheid und damit für den geraden Weg zu der ihnen richtig erscheinenden Entscheidung. Das unterscheidet uns von Ihnen, meine Damen und Herren, in der Regierungskoalition.

Ich fühle mich neben den Argumenten, die heute schon von anderen für Berlin vorgebracht worden sind, vor allem durch diesen verfassungspolitischen Vorgang gebunden und verpflichtet. Vor allem deshalb stimme ich für Berlin als Regierungs- und Parlamentssitz.

Dr. Franz Möller, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_158
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