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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Cornelia Schmalz-Jacobsen, FDP Michael von Schmude, CDU/CSU >>

Seit Wochen und Monaten tun wir uns ganz offenkundig schwer mit der Frage, wo künftig der Regierungssitz sein soll. Dabei ist diese Entscheidung im Grunde genommen doch ganz einfach! Man darf sich nur den Blick nicht verstellen lassen. Die als Begleitumstände zu lösenden Probleme, das räume ich gerne ein, sind schwierig. Aber ich habe den Eindruck, daß sie sich inzwischen aufgebaut haben zu einer schier undurchdringlichen Nebelwand, in der viele -- gerade auch die Kompromißsucher -- die Orientierung zu verlieren drohten.

Es gibt Fragen, die sind ungeeignet für Kompromisse. In der uns vorliegenden Frage geht es um eine klare Ja- oder Nein-Entscheidung, und wenn wir diese nicht mehr zu treffen imstande sind, dann zeigt sich darin letztlich eine Hilflosigkeit des Parlaments, die wir möglicherweise mit einem Vertrauensschwund bei den Bürgern zu bezahlen haben werden.

Entscheiden wir heute nach 45 Jahren der Treueschwüre für Berlin nicht klar und eindeutig für diese Stadt als den Regierungssitz aller Deutschen, machen wir uns des Wortbruchs schuldig. Täuschen wir uns nicht: Wir haben heute die Antwort zu geben auf eine Frage von weitreichender staatspolitischer Bedeutung. Mit Gewissen hat das überhaupt nichts zu tun! Es geht hier nicht um ein standortpolitisches Streitobjekt, wie manche zu glauben scheinen. Es geht um das Heilen der Deutschen Teilung, es geht um das Zusammenführen durch Teilen, aber beileibe nicht um das Schachern oder das Aufteilen von Funktionen.

Das Wort von der »Bonner Demokratie«, das Sie, Frau Kollegin Fuchs, gebraucht haben, erscheint verräterisch. Wem käme es je in den Sinn, etwa von der »Londoner Demokratie« zu sprechen oder der »Pariser« oder der »Römischen Demokratie«? -- Wir haben eine parlamentarische Demokratie mit einer bald 42jährigen Tradition in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist in Berlin (West) ebenso zu Hause wie in Bonn oder sonstwo in den alten Bundesländern.

Es ist nicht nur üblich, sondern auch berechtigt, die Verdienste Bonns zu würdigen. Ich erspare mir aus Gründen der Zeit hierzu längere Ausführungen. Ich halte es für selbstverständlich, daß wir alle uns Gedanken darüber machen, wie es mit dieser Stadt weitergehen kann. Eines ist doch ganz sicher: Bonn wird nie wieder die verträumte Universitätsstadt von ehedem werden, die Geschichte läßt sich nicht zurückdrehen. Wir wollen und müssen die Probleme dieser Region ernst nehmen, aber wir dürfen sie doch nicht zur Grundlage dieser Jahrhundertentscheidung machen.

Ich finde das auch einigermaßen zynisch angesichts der Probleme, die andere in unserem Land oder jenseits unserer östlichen Grenzen haben. Auch die Fragen der Finanzen, die heute wieder eine große Rolle bei den Bonn-Befürwortern gespielt haben, wirken seltsam vorgeschoben. Es kommt mir so vor, als verberge sich darunter etwas ganz anderes, und ich will das -- vielleicht polemisch überspitzt -- so formulieren: »Die Einheit, die wollen wir schon, aber doch bitte so, daß man im Westen möglichst wenig davon merkt.« Im Osten soll sich alles, wirklich schlechthin alles ändern, im Westen möglichst alles beim alten bleiben. So kann es ja nicht gehen. Deutschland wird endlich wieder ein normales Land, und in diesem Augenblick wollen wir einen kuriosen Sonderweg einschlagen, der angeblich einer europäischen Befindlichkeit der jungen Generation entgegenkäme? Was für eine Verwirrung der Gemüter! Ich wundere mich auch, wie hier von einigen der jungen Kolleginnen und Kollegen die junge Generation pauschal in Anspruch genommen wird.

Es ist eben falsch zu behaupten, daß diejenigen, die Berlin wieder die selbstverständliche Funktion des Regierungssitzes zuordnen wollen, rückwärtsgewandt argumentierten. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht um unsere Zukunft und um die Zukunft Europas. Wir müssen heute eine Entscheidung treffen, die Bestand hat.

Es ist bedauerlich, daß der Einheitsvertrag ein Schlupfloch gelassen hat. Schon im vergangenen Herbst wäre es möglich gewesen, hier Klartext zu schreiben. Es zeigt sich, daß es sich immer rächt, wenn man klare, einfache Entscheidungen nicht sofort trifft, sondern sie verschiebt -- aus Schwäche, Zaghaftigkeit oder Angst vor Andersdenkenden.

Heute ist häufig das Wort von der Signalwirkung bemüht worden. Ich stimme dem zu. Die Verlegung von Parlament und Regierung nach Berlin würde wie nichts anderes ein Signal sein für den politischen Willen zum tatsächlichen Zusammenwachsen. Es würde unseren Willen deutlich und glaubhaft machen.

Meine Damen und Herren, schieben wir doch die Nebelwände weg! Raffen wir uns doch auf zu einer Entscheidung, die der Würde dieses Parlaments und alles dessen, was hier in Jahrzehnten immer wieder zu Berlin gesagt wurde, gerecht wird.

Michael von Schmude, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_185
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