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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Dietrich Sperling, SPD Dr. Jürgen Starnick, FDP >>

Die Diskussion um Parlaments- und Regierungssitz begann als eine um die symbolische Bedeutung. Die ist geisteswissenschaftlich interessant, aber bedeutungslos für die in Deutschland von Parlament und Regierung zu leistende Arbeit.

Kern dieser Arbeit ist die Angleichung der Lebensverhältnisse, so daß aus den staatlich geeinten zwei Bevölkerungen in unserem Land ein Volk werde. Wer dem Kern dieser Arbeit gerecht werden will, muß Fragen nach den regionalökonomischen Wirkungen eines Sitzes für Parlament und Regierung stellen und beantworten, ebenfalls nach den ökologischen Wirkungen, die ein gegenwärtig genutzter oder ein zukünftig zu nutzender Raum zu verkraften hat oder haben würde.

Diese Diskussion hat nicht einmal begonnen, es liegen gerade »Einstiegspapiere« vor. Der von den Medien so gut zu verwertende einfache Streit um die Symbolik hat die Aufmerksamkeit aufs falsche Thema verschoben. In Ostdeutschland wird der Streit um die »Regionalökonomie« auch nur symbolisch gemeint: Wer für Berlin ist, zeigt die Zuwendung zu den Problemen des benachteiligten Teils der beiden Bevölkerungen.

Ich bin überzeugt, daß mit der Betrachtung Berlins als eines Symbols für die Zuwendung zu den ostdeutschen Problemen ein ähnlich schwerwiegender Irrtum begangen wird wie mit der Behandlung der DM als Symbol für die Zugehörigkeit zum Westen. Die symbolische Betrachtung läßt die »technischen Zwangsläufigkeiten« oder »Sachzwänge« aus in Gang gesetzten Prozessen außer acht.

Berlin ist bereits ein zu großer Ballungsraum, unter ökologischen Gesichtspunkten erst recht. Er würde, wie in den anderen Fällen europäischer Großmetropolen, einen Sog gegenüber seinem Umland bewirken. Brandenburg würde aufgesaugt, nicht nur Brandenburg. Die Entscheidung für Berlin würde einen Run dorthin auslösen, der für Dresden und Leipzig, Görlitz und Schwerin, Rostock und Frankfurt/Oder nichts mehr übrigließe. Und wir Politiker würden um unserer Arbeitsfähigkeit willen die Infrastruktur nach Berlin noch schneller ausbauen lassen, zuungunsten der anderen Räume Ostdeutschlands. Dies wären »technische Zwangsläufigkeiten« einer Entscheidung für Berlin, die -- angesichts der Finanzpolitik der amtierenden Regierung und ihrer Selbsttäuschung und Wählertäuschung in Sachen »Teilen« -- recht drastisch sich auswirken würden. Eine regionalökonomische Logik spräche für einen ballungsfreien Raum in der Mitte Deutschlands: für Erfurt, Eisenach, Weimar. Aber der erklärliche Egoismus der zwei in Rede stehenden Städte, ihre Symbolik, hat für alternative Überlegungen gar keinen Raum gelassen.

Folglich kann man nur tun, was für Ostdeutschland das kleinere Übel sein wird: Bonn wählen. Dann bleibt Geld für Leipzig und Dresden und andere Städte frei, das sonst für 10 bis 15 Jahre »doppelter Wohnsitz« und »Umzugs-Hin und -Her« sinnlos ausgegeben würde. Im Bewußtsein, daß es für den Werdegang zum einen Volk weniger falsch ist -- wenn auch leider nicht richtig --, stimme ich für Bonn.

Dr. Jürgen Starnick, FDP >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_195
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