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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Alois Graf von Waldburg-Zeil, CDU/CSU Hans Wallow, SPD >>

Zunächst möchte ich einmal feststellen, daß für mich eine »Hauptstadtfrage« nicht existiert. Der Einigungsvertrag schreibt Berlin als Hauptstadt fest. Ebenso klar ist dem ersten wieder gemeinsamen deutschen Parlament aber vorbehalten, die Frage des Parlaments- und Regierungssitzes zu bestimmen.

Nun hat es dankenswerte Bemühungen gegeben, einem Konflikt durch Konsensbildung auszuweichen. Obwohl die Demokratie vom Kompromiß lebt, werde ich heute gegen den Vorschlag stimmen, Regierung und Parlament zu trennen.

Ich hielte es für ein gefährliches, die Stabilität der Demokratie bedrohendes Experiment, Bundestag und Bundesregierung räumlich so weit auseinanderzuziehen, daß, um die notwendige ständige Begegnung zu garantieren, entweder ungeheuer viel Zeit auf der Strecke bleibt, die der Effektivität der Regierungsarbeit fehlt, oder aber die rasche Information des Parlamentes, auf die es einfach angewiesen ist.

Damit stellt sich die Frage, Bundestag und Bundesregierung entweder beide in Berlin anzusiedeln oder beide in Bonn zu belassen.

Neben den vielbeschworenen finanziellen und vor allem sozialen Gesichtspunkten ist für mich ein Grund ausschlaggebend, der das Geschichtsbewußtsein anbelangt. Deutschland hat nicht erst 1871 begonnen. Viele Städte haben in dieser über tausendjährigen Geschichte, die von bunter kultureller Vielfalt geprägt war, hervorragende Rollen gespielt. Es wäre ein schlechtes Argument, Berlin geschichtlich mit Zentralismus, Militarismus, Erstem Weltkrieg, Untergang der Weimarer Republik, der Naziherrschaft und dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung zu bringen. In Berlin gab es auch den Widerstand, die heroische Verkörperung der Freiheit während der Teilung, den ersten Volksaufstand und den Fall der Mauer.

Das Letztere fordern die Befürworter Berlins zur Anerkennung ein. Dem folge ich gerne. Nur finde ich, daß dann der Beitrag des dritten Anlaufs der deutschen Demokratie, die nun einmal mit dem Namen von Bonn verbunden ist, ebenso gewürdigt werden muß: Bewahrung der Freiheit trotz Teilung, Friedenspolitik nach Westen und Osten, Einbindung in ein Bündnis freier Völker und in die Europäische Gemeinschaft, Offenhaltung der Hoffnung für den anderen Teil Deutschlands und damit auch die Nachbarn im Osten, stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse, Soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.

Eine Regelung, die nach dem Motto »Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen« nunmehr nicht nur die Hauptstadtfunktion, wie geschehen, sondern auch Parlaments- und Regierungssitz nach Berlin zieht, kommt einer Geste gleich, die zumindest keine gebührende Wertschätzung der Rolle der Bundesrepublik in der deutschen Geschichte gegenüber erkennen läßt.

Gerade für die künftige Politik des größeren Deutschland wird es aber entscheidend sein, ob die Werte, für die die Bonner Demokratie gestanden hat, auch in die Zukunft hinübergetragen werden können. Natürlich hängt das nicht von einem Regierungs- und von einem Parlamentssitz ab. Aber die rüde Abkehr von Bonn würde ein Zeichen bedeuten, Symbole aber haben in der Politik denselben Einfluß wie reale Politik.

Fest im Westen verankert bleiben und aus dieser Kraft die nötige Aufbaukraft für den Osten gewinnen, das würde durch die beiden Städte Bonn und Berlin symbolisiert. Ich werde deshalb für den Bonner Antrag stimmen.

Hans Wallow, SPD >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_203
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