164. Sitzung
Berlin, Freitag, den 11. März 2005
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches
– Drucksache 15/4832 –
(Erste Beratung 158. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
– Drucksache 15/5051 –
Berichterstattung:Abgeordnete Sebastian Edathy Erwin Marschewski (Recklinghausen)Silke Stokar von Neuforn Dr. Max Stadler
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes (BefBezÄndG)
– Drucksache 15/4731 –
(Erste Beratung 158. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss)
– Drucksache 15/5069 –
Berichterstattung:Abgeordnete Erika Simm Thomas Strobl (Heilbronn)Volker Beck (Köln)Jörg van Essen
Zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegen Sebastian Edathy, SPD-Fraktion.
Sebastian Edathy (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sich über Rechtsextremismus berechtigterweise zu empören reicht nicht; man muss ihn bekämpfen. Die Demokratie ist wehrhaft. Die Bundesrepublik hat insofern ein Erbe von Weimar übernommen, als wir wissen: Ein einmal erreichter Grad an Zivilisierung einer Gesellschaft ist nicht mit einer Ewigkeitsgarantie versehen, sondern wir müssen gemeinsam Tag für Tag und Jahr für Jahr dafür arbeiten, dass demokratische Grundwerte gelebt werden können.
Es sind in den letzten Wochen mehr oder minder glückliche Vergleiche zwischen der Bundesrepublik Deutschland heute und der Zeit der Weimarer Republik gezogen worden. Was wir von Weimar lernen können, ist sicherlich, dass eine Demokratie durch hohe Arbeitslosigkeit gefährdet wird. Ebenso wichtig ist aber, zur Kenntnis zu nehmen, dass Weimar letztlich daran gescheitert ist, dass es zu wenig Demokraten und Demokratinnen gab, die zum Rechtsstaat gestanden haben, und somit die Demokratie selber nicht hinreichend verteidigt worden ist.
Unsere Demokratie ist wehrhaft. Allein einige Meldungen dieser Woche belegen das sehr eindrücklich:
Am Montag hat das Brandenburgische Oberlandesgericht eine Reihe von jungen Männern wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Diese Bande hatte den Vorsatz gefasst und auch konkret daran gearbeitet, ausländischen Mitbürgern in Brandenburg durch Brandanschläge die Existenzgrundlage zu nehmen.
Am Mittwoch hat der Berliner Innensenator, Herr Körting, zwei neonazistische Kameradschaften auf der Grundlage des Vereinsrechts verboten. Ich begrüße das für die SPD-Fraktion ausdrücklich. Wer sich gegen die Grundwerte unserer Verfassung richtet, der muss wissen, dass wir ihm dabei nicht tatenlos zuschauen, sondern handeln.
Am Donnerstag hat der Bundesgerichtshof erfreulicherweise eine Entscheidung des Kammergerichtes von Berlin aus dem Jahre 2003 bestätigt, die darin bestand, dass eine abscheuliche rechtsradikale Musikgruppe als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Auch diese Bestätigung ist wichtig.
Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichwohl dauerhaft gehalten, das Gesetzesinstrumentarium, das wir in Deutschland haben, laufend auf seine Tauglichkeit im Umgang mit den Feinden der Verfassung zu überprüfen. Das enthebt uns nicht – das will ich hier deutlich zum Ausdruck bringen – der Pflicht, uns auch mit der Überlegung zu befassen, wie wir es hinbekommen, dass junge Menschen erst gar nicht anfällig werden für rechtsextremistische Ideologien. Wir alle wissen, der Rechtsextremismus in Deutschland ist erschreckend jung: Es handelt sich meist nicht um Ewiggestrige, sondern häufig um Neugestrige, die da in Erscheinung treten. Ich hoffe, dass der Konsens, der sich bei der Veränderung des Strafgesetzbuches und des Versammlungsrechts hinsichtlich unserer Abstimmung andeutet, auch im Laufe der nächsten Wochen und Monate bestehen wird, wenn es darum geht, Programme, Initiativen und Projekte zu stärken, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einsetzen.
Meine Damen und Herren, Karl Jaspers hat einmal formuliert: „Es darf keine Freiheit geben zur Zerstörung der Freiheit.“ Das ist richtig. Gleichwohl gilt, dass auch Rechtsextremisten, wenn sie nicht entsprechende Grundrechte verwirkt haben, Grundrechtsträger sind. Das festzuhalten ist bisweilen schwer; aber es ist etwas, was uns von den Totalitaristen qualitativ unterscheidet. Das heißt, wir müssen uns, wenn wir über den Änderungsbedarf im Strafgesetzbuch und im Versammlungsgesetz reden, vor Augen halten, dass Grundrechte nach Art. 5 des Grundgesetzes – Meinungsfreiheit – und Art. 8 – Versammlungsfreiheit – ein hohes Gut sind, das man, wie Heribert Prantl gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ zutreffend geschrieben hat,
„nicht zu kleiner Münze“ machen darf. Das ist wahr. Insofern bewegen wir uns immer auf einem schmalen Grat, aber – das sage ich zugleich sehr deutlich – auf einem begehbaren Grat.
Ich glaube, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Antwort darauf bieten, wie man, ohne Grundrechte zur Disposition zu stellen, im einfachgesetzlichen Bereich in einem stärkeren Maße als bisher sicherstellen kann, dass bestimmte Handlungsweisen schlichtweg nicht Ausdruck von Meinung sind, sondern ein Verbrechen und damit unter Strafe gestellt werden können.
Ich will zunächst auf das Bezug nehmen, was wir für den Bereich des Strafgesetzbuches vorschlagen. Wir haben die Absicht, die bisherige Strafbarkeitsschwelle für Volksverhetzungstatbestände abzusenken von der Strafbarkeit der Leugnung des Holocaust, bei der sie bisher liegt, auf öffentliche oder in Versammlungen getätigte Äußerungen, die darin bestehen, dass das nationalsozialistische Gewalt- und Unrechtsregime gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird.
Weil das vom Ansatz her ein nicht unerheblicher Eingriff in die Wahrnehmung des Rechts auf Meinungsfreiheit ist, haben wir gleichzeitig mit einem neuen Abs. 4 in § 130 Strafgesetzbuch Sicherungssysteme eingebaut, die sicherstellen, dass nur dann eine Strafbarkeit vorliegt, wenn die Würde von Opfern gröblichst verhöhnt und der öffentliche Friede gestört wird. Wir schlagen vor – ich will das vorlesen, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist, auch für die heutige Debatte, der eine wesentliche Grundlage darstellt und auch Auswirkungen auf das Versammlungsrecht haben wird, über das wir in den letzten Wochen diskutiert haben –:
Mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
Damit ist sichergestellt: Der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens muss erfüllt sein und die Störung des öffentlichen Friedens muss dadurch erfolgen, dass die Würde der Opfer verletzt wird.
Nach unserem Dafürhalten wird diese Neuregelung in vielen Gerichtsverfahren eine klare Grundlage für entsprechende Entscheidungen bieten. Wir haben bislang eine sehr gemischte Rechtsprechung. Das Parlament hat die große Chance, hier und heute deutlich zu machen, dass diejenigen, die unter Bezugnahme auf die Nazizeit positive Äußerungen dergestalt tätigen, dass sie die Würde der Opfer der Nationalsozialisten mit Füßen treten, sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen können, indem wir eine ganz klare Trennlinie im Sinne der wehrhaften Demokratie aufzeigen und deutlich machen: Wer diese Grenze überschreitet, der macht sich künftig strafbar.
Meine Damen und Herren, die zweite Regelung, die wir hier zur Abstimmung vorschlagen, ist eine Veränderung des Versammlungsgesetzes. In § 15 des Versammlungsgesetzes soll ein neuer Absatz eingefügt werden, der darauf Bezug nimmt, dass an bestimmten Orten, nämlich an Gedenkstätten von historischer, herausragender, überregionaler Bedeutung, dann eine Versammlung oder ein Aufzug verboten werden kann, wenn zu befürchten ist, dass durch die beantragte Versammlung oder den beantragten Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Ein solcher Ort, für den Einschränkungen gemäß dem eingefügten § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes explizit gelten, ist das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin. Die Bundesländer können auf Grundlage der historischen und überregionalen Bedeutung von Orten selber Gedenkstätten festlegen, für die dieser neue Passus des Versammlungsgesetzes gelten soll. Wir haben großes Vertrauen darin, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen mit dieser Regelung sehr verantwortungsbewusst, maßvoll und der Sache angemessen umgehen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schlagen heute also zwei Änderungen vor: eine Änderung im Bereich des Strafgesetzbuches und eine Änderung im Bereich des Versammlungsgesetzes. Es gehört zu einer lebendigen Demokratie, regelmäßig zu überprüfen, ob unsere Gesetze ausreichen. Wir sind der Auffassung, dass die beiden genannten Gesetze gemäß unseren Vorschlägen verbessert werden sollten. Aber man wird die Debatte darüber hinaus führen müssen.
Ich will noch eine Bemerkung zum Abschluss machen. Frau Bundesministerin Zypries, ich habe mit großem Interesse gelesen, dass Sie sich in dieser Woche öffentlich für eine Initiative ausgesprochen haben, die Symbole und Zeichen der NS-Zeit und insbesondere der NSDAP EU-weit zu verbieten. Ich will Ihnen im Namen der SPD-Bundestagsfraktion ausdrücklich unsere Unterstützung bei diesem Vorhaben aussprechen.
Danke sehr.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Bosbach, CDU/CSU-Fraktion.
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat in den vergangenen Wochen über die geplanten Änderungen im Versammlungsrecht und im Strafgesetzbuch eine lebhafte und auch kontroverse, aber zum größten Teil sachliche Debatte gegeben. Dabei gab es regelmäßig Kritik an dem, was heute mit großer Mehrheit beschlossen werden wird.
Die erste Kritik lautete, dass wir als Gesetzgeber nicht über jedes Stöckchen springen dürften, das uns die NPD oder andere hinhalten. Die zweite Kritik war, dass der Staat beschämende Bilder von Neonazidemonstrationen aushalten müsse; man solle und man könne sie auch nicht verhindern.
Dazu in aller Kürze: Es stimmt, dass wir nicht über jedes Stöckchen springen müssen, das uns Extremisten hinhalten. Das tun wir auch nicht. Aber der Staat kann sich nicht alles bieten lassen. Wir können nicht jede Provokation achselzuckend hinnehmen und zur Tagesordnung übergehen.
In einer Demokratie muss man vieles aushalten. Wir müssen sogar verfassungsfeindliches Gedankengut und verfassungsfeindliche Äußerungen hinnehmen. Aber wir müssen den Feinden der Demokratie und den Feinden unseres Grundgesetzes auch ihre Grenzen aufzeigen. Das ist nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht.
Eine wirklich wehrhafte Demokratie verdient diesen Namen nur, wenn sie sich auch wehrt. Tut sie es nicht, dann ist sie auch nicht wehrhaft. Deshalb, Herr Bundesinnenminister, war das Verbot der Zeitung „Vakit“ richtig.
Wir verdanken dieses Verbot in erster Linie der Aufmerksamkeit der Kollegin Kristina Köhler, aber auch Ihrer raschen Reaktion. Angesichts der Tatsache, dass Sie in den türkischen Medien beschimpft und als Adolf Hitler dargestellt werden und dass der Vorsitzende des türkischen Presserates sagt, Sie hätten Justizmord begangen, fühlt sich die Opposition mit beleidigt und stellt sich ebenfalls vor diesen Innenminister.
Neonazis melden ihre Demonstrationen ganz bewusst für solche Tage und zu solchen Anlässen an, die an die Naziherrschaft erinnern sollen. Sie wählen für ihre Aufmärsche bewusst sensible Orte wie beispielsweise das Brandenburger Tor. Bilder und Berichte von solchen Demonstrationen gehen um die Welt und beschädigen das Ansehen unseres Landes. Das Ansehen unseres Landes sollte uns nicht egal sein. Es geht nicht nur darum, was der Staat und seine Institutionen aushalten können; es geht auch darum, wie solche Bilder und solche Aufmärsche auf die Opfer des Holocaust, auf die Hinterbliebenen und auf die anderen Opfer von Gewalt- und Willkürherrschaft wirken. Deren Würde wollen wir mit dem neuen Recht besser schützen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, umso mehr bedauern wir es, dass Sie sich nicht in der Lage sehen, den befriedeten Bezirk „Deutscher Bundestag“ um die Liegenschaft „Brandenburger Tor“ zu erweitern. Wir haben die Anregungen und Bedenken und auch die Kritik der Sachverständigen, die sie in der Anhörung vorgebracht haben, aufgenommen.
Wir haben unseren Gesetzentwurf geändert. Jetzt kann man nicht mehr mit verfassungsrechtlichen Bedenken argumentieren. Wenn Sie dennoch dagegen argumentieren wollen, dann sollten Sie ehrlicherweise sagen: Wir wollen das Brandenburger Tor nicht schützen. – Das ist ehrlicher,
als verfassungsrechtliche Bedenken an den Haaren herbeizuziehen. Das ist ein ganz sensibler Bereich.
Nach geltender Rechtslage schützen wir mit dem befriedeten Bezirk „Deutscher Bundestag“ unter anderem die Schweizer Botschaft, die Spree, das Parlament der Bäume, das Sowjetische Ehrenmal und die Dresdner Bank. Aber das eigentliche Ziel der Demonstrationen schützen wir nicht. Das halten wir für einen Fehler.
Deswegen sind wir nach wie vor der Auffassung, dass unser Gesetzentwurf richtig ist.
Dessen ungeachtet hoffen wir, dass solche Aufmärsche am Brandenburger Tor durch die im Strafgesetzbuch und im Versammlungsgesetz vorgesehenen Änderungen zukünftig leichter verhindert werden können. Es ist auch richtig, dass sich der Bundesgesetzgeber darauf konzentriert, im Bundesrecht nur das Holocaust-Denkmal in einen befriedeten Bezirk einzubeziehen. Ansonsten entscheiden die Landesgesetzgeber zukünftig selber. Wir sind kein besserer Gesetzgeber. Wir gehen davon aus, dass die Länder – das war immer unser Vorschlag – verantwortungsbewusst mit dem neuen Recht umgehen.
Ich freue mich, dass es heute eine große Mehrheit für die Änderungen im Strafgesetzbuch und im Versammlungsrecht gibt. Wir beschwören oft die Gemeinsamkeit der Demokraten im Kampf gegen den politischen Extremismus von rechts oder links. Es ist gut, dass wir nicht nur darüber reden, sondern ihn heute auch praktizieren.
Danke für das Zuhören.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Silke Stokar von Neuforn, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Verfassung vertraut auf die Fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, sich mit extremen Positionen auseinander zu setzen. Nicht durch Verbote, sondern durch öffentlichen Streit sollen politisch unerträgliche Meinungen abgewehrt werden. Die Meinungsfreiheit findet dort ihre Schranken, wo gleichwertige Rechtsgüter verletzt werden. Die Verletzung der persönlichen Ehre ist nicht erlaubt.
Die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen zum Versammlungsrecht und zum Strafrecht bewegen sich in diesem engen verfassungsrechtlichen Rahmen. Wir beziehen uns auf den Schutz der Würde der Opfer des Nationalsozialismus und wir halten an dem Grundsatz fest, dass in dem sensiblen Bereich der Meinungsfreiheit primär nur Strafbewehrtes verboten werden kann.
Mit unseren Änderungsanträgen stellen wir rechtzeitig vor der Einweihung des Holocaust-Mahnmals sicher: Am Mahnmal für die ermordeten Juden Europas dulden wir keine Versammlung von Neonazis. Wir schützen hier und an anderen herausragenden Orten des Gedenkens die Würde der Opfer des Nationalsozialismus.
In Richtung FDP sage ich: Ihre Argumentation ist äußerst widersprüchlich. Einerseits behaupten Sie: Der Schutz der Orte des Gedenkens ist schon auf der Grundlage des heutigen Rechts möglich. Andererseits sagen Sie, wir gingen mit unseren Klarstellungen zu weit und beschädigten die Versammlungsfreiheit. Sie lehnen in Ihrem Entschließungsantrag die örtliche Beschränkung des Versammlungsrechts ab und haben gleichzeitig die Erwartung, dass Neonazis nicht am Holocaust-Mahnmal demonstrieren dürfen.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben offenkundig den Sinn für die Verantwortung des Gesetzgebers verloren. Wir wollen uns nicht auf ein diffuses Richterrecht verlassen. Sie wissen sehr genau, wie widersprüchlich die Rechtsprechung bei Verboten und Auflagen ist.
Wir – der Bundestag – müssen klipp und klar sagen: Neonazidemonstrationen am Holocaust-Mahnmal und an KZ-Gedenkstätten wollen wir nicht dulden. Das ist unsere Verantwortung als Deutscher Bundestag und damit als Gesetzgeber.
Die Liberalität des Versammlungsrechts bleibt durch die Neuregelung unangetastet. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit am Brandenburger Tor lehnen wir ab. Entsprechende Anträge der Union, die Bannmeile des Bundestages bis zum Brandenburger Tor auszuweiten, sind weder rechtlich mit dem Grundgesetz noch politisch mit unseren Überzeugungen vereinbar. Wir schützen eben nicht die Spree, sondern wir schützen die Arbeitsfähigkeit des Bundestages.
Darin sind wir in der Sachverständigenanhörung auch sehr deutlich bestätigt worden.
Ich möchte mich allerdings bei der Union ausdrücklich für die konstruktiven Gespräche bedanken. Wir begrüßen Ihre Bereitschaft, die Gesetzentwürfe von SPD und Grünen zu unterstützen. Eine breite Mehrheit des Bundestages gibt heute den Opfern der NS-Gewalt das Signal: Deutschland bleibt auch 60 Jahre nach Auschwitz wachsam. Wir lassen nicht zu, dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht und ihre Opfer verhöhnt werden. Ich begrüße es, dass sich eine breite Mehrheit des Bundestages gemeinsam auf dieses Signal verständigen kann.
Wir erweitern behutsam den Straftatbestand der Volksverhetzung. Wer die Verletzung der Würde von NS-Opfern öffentlich billigt, rechtfertigt oder verherrlicht und dadurch den öffentlichen Frieden stört, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.
Wir schaffen mit diesen Formulierungen im Gesetz auch eine erweiterte Grundlage für Auflagen oder Versammlungsverbote. Gleichzeitig warnen wir vor einer falschen Erwartungshaltung. Wir müssen auch den Bürgerinnen und Bürgern in Wunsiedel offen und ehrlich sagen, dass die Gesetzeserweiterung zwar hilfreich ist, dass wir aber mit gesetzlichen Regelungen nicht generell ein Verbot von NPD-Versammlungen in Wunsiedel erreichen können. Hier müssen wir andere Formen der Unterstützung der Menschen vor Ort finden. Insofern wäre es gut, wenn wir bei dem nächsten zu erwartenden Ereignis im August – wenn kein Verbot möglich ist – anwesend wären, um deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass wir uns gegen solche Aufmärsche in Wunsiedel zur Wehr setzen.
Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Ich halte die Anregung von Herrn Edathy für richtig, uns für ein europaweites Verbot von Symbolen und Zeichen der NS-Zeit, insbesondere der NSDAP, einzusetzen.
An den Bundesinnenminister gerichtet möchte ich noch etwas anderes anregen. Damit wir nicht warten müssen, bis auf europäischer Ebene eine Einigung in dieser schwierigen und sensiblen Frage zustande kommt, empfiehlt es sich vielleicht, zu prüfen, ob wir in Deutschland ein gesetzliches Einfuhrverbot für diese bei uns verbotenen Symbole und Zeichen besser durchsetzen können.
Ich danke Ihnen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Kollegen Max Stadler, FDP-Fraktion, das Wort.
Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor vier Wochen jährte sich zum 250. Male der Todestag des großen Aufklärers und Vordenkers des Rechtstaats Baron de Montesquieu. Eines seiner berühmtesten Zitate hat auch heute noch Gültigkeit: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.“
Meine Damen und Herren, selten hat der Ratschlag Montesquieus an den klugen Gesetzgeber so gut gepasst wie auf die von Rot-Grün und CDU/CSU vorgelegten Verschärfungen des Versammlungs- und Strafrechts.
Denn diese Änderungen sind erstens zum großen Teil nicht notwendig, zweitens zum Teil nicht geeignet sind drittens mit verfassungsrechtlichen Risiken und politischen Nebenwirkungen verbunden.
In der aktuellen Debatte geht es vor allem um drei Fragen: den Aufmarsch von Neonazis vor dem Holocaust-Mahnmal, den Marsch der NPD durch das Brandenburger Tor am 8. Mai und die jährliche Rudolf-Heß-Kundgebung in Wunsiedel. In dem vorliegenden Gesetzentwurf lösen Sie zwei dieser drei Probleme gar nicht und das einzige Problem, das Sie zu lösen vorgeben, hätte keiner gesetzlichen Neuregelung bedurft.
Mit diesem letzten Punkt meine ich den Aufmarsch von Neonazis vor dem Holocaust-Mahnmal. Es wäre nicht akzeptabel, wenn dort Neonazis demonstrieren würden. Darin läge ein Angriff auf die Menschenwürde der Opfer und ihrer Angehörigen und auf die Würde des Ortes. Daher kann eine derartige Demonstration vor dem Holocaust-Mahnmal schon nach geltendem Recht verboten werden.
Auch die Sachverständigenanhörung des Bundestages am letzten Montag hat klar ergeben: Dafür brauchen wir keine Gesetzesänderung.
Damit komme ich zu den zwei der drei angesprochenen Probleme, die Sie nicht lösen. Ich gebe zu: Schwieriger liegt der Fall zwar beim geplanten NPD-Marsch durch das Brandenburger Tor; aber dieses Problem wird durch den Gesetzentwurf von Rot-Grün nicht gelöst.
Von der Union wird eine unpassende Lösung vorgeschlagen: die Ausdehnung des befriedeten Bezirks, die verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde.
Daher muss ohnehin auf das geltende Recht zurückgegriffen werden.
Ebenso wie der Berliner Senator Körting, wie Verfassungsexperte Professor Battis und wie Herr Wiefelspütz von der SPD ist auch die FDP der Überzeugung: Das geltende Versammlungsrecht reicht aus, um einen Aufmarsch der NPD durch das Brandenburger Tor am 8. Mai zu verbieten. Von den Berliner Behörden erwarten wir, dass sie dieses Verbot aussprechen.
Diese unerträgliche Provokation hat mit dem Jahrestag der Beendigung der Naziherrschaft zu tun. Daher dürfen Neonazis an genau diesem Tag nicht durch das Brandenburger Tor marschieren. Aber wir können nicht schlechthin einen Ort, an dem so viele – auch kommerzielle – Veranstaltungen stattfinden, ausgerechnet von politischen Versammlungen freihalten; denn das wäre eine unangebrachte Abwertung politischer Versammlungen und Demonstrationen.
Meine Damen und Herren, richtig ist, dass die Versammlungen von Neonazis zum Gedenken an Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel in den letzten Jahren – im Gegensatz zu früher – von Gerichten gestattet worden sind. Sie, Rot-Grün und CDU/CSU, versuchen nun, dem mit einer Änderung des Strafrechts entgegenzuwirken. Da in meiner Heimatstadt jahrelang Bundesparteitage der DVU und der NPD stattfanden und auch ich dagegen demonstriert habe, sage ich ausdrücklich: Ich wünsche den geplagten Bürgern von Wunsiedel, dass sie nicht mehr alljährlich von Tausenden Rechtsextremisten aus ganz Europa heimgesucht werden. Aber die FDP hat erhebliche Zweifel, dass dies durch die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfes zu gewährleisten ist; denn sein Wortlaut gibt dafür nichts her.
Erst in der Begründung Ihres Gesetzentwurfes wird erwähnt, dass die Verherrlichung von Personen aus der NS-Zeit strafwürdig ist. Wir werden sehen müssen, ob sich Gerichte damit zufrieden geben, dass Sie das, was Sie eigentlich regeln wollen, in die Begründung des Gesetzestextes schreiben. Warum haben Sie das, was Sie wollen, nicht in den Gesetzestext selbst geschrieben? Deswegen sage ich: Dieser Versuch ist untauglich.
Da Ihre Vorschläge teils unnötig, teils untauglich sind, stellt sich die Frage: Lohnt sich im Sinne von Montesquieu dieser Aufwand, wenn auf der anderen Seite Risiken und Nebenwirkungen zu befürchten sind?
Sie wissen genau: Kein Sachverständiger in der Anhörung wollte die Hand dafür ins Feuer legen, dass alles das in Karlsruhe Bestand haben wird. Hierin liegt ein Risiko.
Und es ist nicht die erste verfassungsrechtlich problematische Gesetzgebung der rot-grünen Koalition in dieser Legislaturperiode. Ich erinnere zum Beispiel an das Luftsicherheitsgesetz; ich erinnere an die automatisierte Kontenabfrage oder auch an einzelne Elemente der so genannten Antiterrorgesetzgebung. Das ist die politische Nebenwirkung, auf die wir als Liberale aufmerksam machen: Dieser Bundestag gewöhnt sich daran, immer mehr in Grundrechte einzugreifen. Das ist in jedem Einzelfall vielleicht sogar noch plausibel begründbar, aber in der Summe ist es unserer Meinung nach eindeutig zu viel.
Die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit sind von fundamentaler Bedeutung für jede Demokratie. Wenn also ein Eingriff in Art. 5 und Art. 8 des Grundgesetzes nicht zwingend erforderlich ist, dann sollte man es lieber bei der geltenden Rechtslage belassen. Aber Sie gehen mit Ihrem heutigen Gesetzesbeschluss einen Schritt weiter, in Richtung Gesinnungsstrafrecht und Gesinnungs-TÜV im Versammlungsrecht.
– Jawohl, genau so ist es.
Es ist doch gerade die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte, andere Meinungen und ihre öffentliche Demonstration zuzulassen und zu ertragen, soweit nicht die Menschenwürde Dritter verletzt wird.
Ich erwähne das aus folgendem Grund: Jeder neue Grundrechtseingriff ist eine gefährliche Gratwanderung. Dem ersten Schritt folgt dann leicht ein zweiter. Ich muss schon daran erinnern: Wir hatten hier im Hohen Hause auch schon Vorschläge zu diskutieren, wonach Versammlungen zu verbieten seien, die dem außenpolitischen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden. Jeder erkennt: Wenn aus diesem Grund schon Versammlungen verboten werden dürften, wäre das offenkundig mit dem Grundsatz der Meinungsfreiheit unvereinbar. So etwas steht heute nicht zur Abstimmung, aber dies zeigt: Es gibt auch solche weiter gehenden Ideen hier im Bundestag. Deswegen ist es richtig, heute hier den Anfängen zu wehren.
Sie werden sehen, dass die Ausweisung versammlungsfreier Orte in sehr großer Zahl vorgenommen werden wird. Ein Bundesland hat schon jetzt, ehe das Gesetz erlassen worden ist, angekündigt, dem Landesgesetzgeber 17 Orte vorzuschlagen, die versammlungsfrei sein sollen. Das zeigt: Es wird nicht dabei bleiben, dass nur ausnahmsweise einzelne Orte von herausragender historischer Bedeutung versammlungsfrei gestellt werden. Wenn das geschieht, was wir befürchten, dann ist dies nicht mehr mit der Brokdorf-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, wonach man den Ort einer Demonstration frei wählen darf.
Damit kein Missverständnis entsteht: Es gibt eine große Gemeinsamkeit hier im Parlament, den Rechtsextremismus politisch zu bekämpfen.
Aber es muss erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass juristische Maßnahmen in diesem politischen Kampf gegen Rechtsextreme wenig bringen. Das haben wir doch beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren gesehen.
Wir als FDP sind der Überzeugung, dass man Rechtsextremismus nicht dadurch wirksam bekämpft, dass man das für alle Bürgerinnen und Bürger geltende Versammlungsrecht einschränkt. Daher ist die von Ihnen vorgeschlagene Verschärfung des Versammlungsrechts der falsche Weg in der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollegin Cornelie Sonntag-Wolgast, SPD-Fraktion.
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Man sieht: Ein Wechselbad der Kommentare begleitet unsere heutige Debatte. Die einen, Herr Kollege Stadler, vermissen den „Aufstand der Anständigen“ und die anderen werfen uns Hysterie oder Eiferertum vor und verlangen mehr Gelassenheit.
Ich will uns einmal vor Augen führen, welche Situation wir antreffen. Die rechtsextreme Szene hat weiterhin Zulauf. Seit Jahren organisieren ihre Rädelsführer Aufmärsche, gegen die sich die Bürger wehren müssen, mit Gegenkundgebungen, mit bunten Festen, so geschehen in Elmshorn, Nortorf, Passau, Wunsiedel und vielen anderen Orten.
Die NPD festigt ihre Strukturen in Sachsen: Sie wird professioneller und entwickelt eine geradezu perfide Sachkenntnis in Rechtsfragen. Mit dem Eklat im Dresdner Landtag Ende Januar hat sie die Leitmelodie der Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in ihrer Weise intoniert. In München entlarvt der Prozess gegen Führungskader der so genannten Kameradschaft Süd einen geplanten Anschlag bei der Grundsteinlegung für das jüdische Zentrum als Gruppenaktion. In Brandenburg wurden soeben junge Neonazis wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist die Lage. Deshalb bin ich nicht gelassen und ich finde es richtig, dass wir etwas tun. Wir sind auf dem richtigen Weg, Herr Kollege Stadler.
Um Ihr Wort „Wehret den Anfängen!“ aufzunehmen: Ich habe geschildert, welche Anfänge wir meinen und wogegen wir uns mit den Mitteln der Demokratie zur Wehr setzen wollen.
Es wird keine Gesinnungsverfolgung geben. Wir werden es weiterhin erleben müssen, dass Rechtsextremisten böswillig die Geschichte verzerren, dass sie sich auf ihre wirre Art zum Anwalt der angeblich sozial Entrechteten aufspielen, dass sie mit Antiglobalisierungssprüchen auf die nationalistische Pauke hauen. Das alles muss eine gefestigte Demokratie ertragen. Denn die Grundprinzipien der Freiheit gelten auch für diejenigen, die sie zerstören wollen.
Aber eine gefestigte Demokratie muss Grenzen ihrer Toleranz ziehen können. Die verlaufen dort, wo Unsägliches in Unerträgliches mündet. Das ist dann der Fall, wenn dem hohen Gut der Meinungs- und Versammlungsfreiheit etwas gleichermaßen Schützenswertes gegenübersteht: die Würde der Opfer der NS-Diktatur. Das ist das Signal, das wir heute setzen. Herr Kollege Stadler, das Versammlungsrecht geht nicht zugrunde, wenn Neonazis nicht grölend am Mahnmal für die ermordeten Juden vorbeiziehen dürfen, weil das unter Strafe steht. Es wird auch nicht beschädigt, wenn einer, der die Untaten der Nationalsozialisten billigt oder bejubelt, bestraft werden kann.
Das Städtchen Wunsiedel wird Jahr für Jahr von Tausenden Rechtsradikaler aus ganz Europa heimgesucht – so kann man ruhig sagen –, die dort mit wachsender Beteiligung einen Rudolf-Heß-Glorifizierungsmarsch veranstalten. Ich habe schon im vergangenen Sommer gemeinsam mit meinen Kolleginnen Petra Ernstberger und Gabriele Fograscher darauf gedrängt, den Kommunalpolitikern und vielen anderen, die sich dagegen zur Wehr setzen, bei ihren Protestaktionen Schützenhilfe zu leisten. Ich fand es eindrucksvoll, wie sich eine 30- bis 40-köpfige Delegation aus Bürgermeister und Landrat, Vertretern von Schulen und Kirche nach Berlin auf den Weg machte, um uns im Innenausschuss in Wort und Bild ihre Nöte zu schildern. Wir haben das eindringliche Plädoyer des Wunsiedeler Landrats bei der Expertenanhörung erlebt und uns dann die Köpfe darüber zerbrochen, wie wir ihnen zu einem verfassungsfesten Verbot dieser perfiden Treffen verhelfen können. Eine Garantie dafür liefert unser Vorschlag zur Verschärfung des Strafrechts nicht, aber immerhin eine erleichterte Handhabe. Mein ausdrücklicher Respekt gilt allen Wunsiedelern, die sich für ihre Sache so hartnäckig ins Zeug gelegt haben.
Ich freue mich, dass unsere Gesetzesänderung eine so breite parlamentarische Mehrheit findet. Das ist ein gutes Signal der wehrhaften Demokratie. Eines ist allerdings auch klar: Nach getaner Gesetzesänderung dürfen wir uns bestimmt nicht aufs Ruhekissen legen: Das Gedankengut der rechtsextremen Wirrköpfe und die Ansteckungsgefahr, gerade für junge Leute, ist keineswegs gebannt. Es mag ja sein, dass Angst und Unsicherheit dafür den Nährboden bilden können. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch immer wieder deutlich machen: Kein noch so trister Alltag, keine noch so schwierige Suche nach Arbeit oder Ausbildung rechtfertigt es, sich den Antisemiten, den Rassisten und den Verfassungsfeinden anzuschließen.
Gott sei Dank sind viele Bürger wachsamer und sensibler geworden. Sie sind gemeinsam mit uns allen dazu aufgerufen, mit Argumenten und Aktionen gegenzusteuern: in den Familien, in den Sportvereinen, in den Jugendzentren und vor allem in den Schulen. Das alles ist eine nachhaltige Aufgabe. Es gibt jede Menge Vorschläge, Ideen und Möglichkeiten des Engagements. Stützen wir zum Beispiel das Bündnis für Demokratie und Toleranz und sorgen wir als Parlamentarier dafür, dass die Bundesprogramme „Civitas“ und „Entimon“ finanziell dauerhaft auf einer verlässlichen Grundlage stehen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine „Lex 8. Mai“ gemacht, aber dieses Datum wird die Bewährungsprobe für das zivile Engagement im demokratischen Rechtsstaat.
Wir haben mit gutem Grund und bestätigt durch die Experten im Hearing davon abgesehen, die Bannmeile zu verändern und das populärste Bauwerk Berlins zum politikfreien Raum zu machen. Ich bin mir ziemlich sicher – ziemlich! –, dass am 8. Mai keine Fahnen der Jungen Nationaldemokraten am Brandenburger Tor flattern werden. Ich hoffe, das ist mit einer guten Portion pragmatischer und sachkundiger Begründung zu verhindern.
Mindestens ebenso wichtig ist aber auch die Präsenz der demokratischen Öffentlichkeit. Viele Menschen müssen dastehen: Alte und Junge, Unbekannte und Prominente, vor allem auch die Meinungsführer aus Politik, Kunst, Wirtschaft, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften und Sport. Sie müssen sich den Krakeelern und Hetzern, wenn sie denn da sein sollten, friedlich und ruhig entgegenstellen und sagen: Wir besetzen diesen öffentlichen Raum und ihr habt keine Chance, weder am Brandenburger Tor noch anderswo.
Ich bedanke mich.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Bayerischen Staatsminister des Innern, Günther Beckstein.
Dr. Günther Beckstein, Staatsminister (Bayern):
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die Innenminister der Länder haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit der Frage des Versammlungsrechts beschäftigt. Insbesondere hat es die Innenministerkonferenz bereits am 24. November 2000 für geboten erachtet, Versammlungen verbieten zu können, die gegen die Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit gerichtet sind und insbesondere die Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlichen oder verharmlosen.
Das Versammlungsrecht, das wir als ein elementares Grundrecht kennen und schätzen, hat in der Tat eine große Bedeutung. Wir wissen um die engen Zusammenhänge zwischen der Meinungsfreiheit und dem Versammlungsrecht. Das Versammlungsrecht stellt gerade für denjenigen, der keine großen Gelegenheiten hat, seine Meinung über die Medien kundzutun, eine Möglichkeit dar, in der Demokratie Einfluss zu nehmen. In unseren juristischen Seminaren in der Ausbildung haben wir deswegen gelernt: Das Versammlungsrecht ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes.
Trotzdem ist auch dieses wichtige Recht selbstverständlich nicht schrankenlos.
Es gibt in mehreren Ländern, gerade aber auch bei uns in Bayern, Erscheinungen, die als außerordentlich problematisch angesehen werden müssen.
Es ist außerordentlich unerfreulich, wenn die Polizei in eine Auseinandersetzung geschickt werden muss und gezwungen ist, eine Versammlung zu schützen, weil einerseits Rechtsextremisten demonstrieren und andererseits Linksextremisten und Autonome das verhindern wollen. Insbesondere die Einstellung der jungen Polizisten – es gibt ja nicht nur die 50-jährigen Polizeibeamten – wird durch Sprechchöre wie „Deutsche Polizisten schützen Faschisten!“ außerordentlich beeinträchtigt. Das ist sehr unerfreulich.
Jedes Jahr im August kommen Tausende von Rechtsextremisten aus ganz Europa nach Wunsiedel. Dort müssen dann zwangsläufig natürlich auch Tausende von Polizeibeamten eingesetzt werden, um die Gegendemonstrationen von Bürgerlichen, die für die freiheitliche Demokratie eintreten, zu schützen und die Trennung zwischen den Rechtsextremen und den Autonomen bzw. den Leuten, die dem linksextremen Bereich zuzuordnen sind, sicherzustellen. Die Stadt befindet sich dann quasi in einem Bürgerkriegszustand, wie das der Bürgermeister von Wunsiedel immer wieder dargestellt hat.
Herr Kollege Körper hat mit mir an einer eindrucksvollen Veranstaltung in Wunsiedel teilgenommen und erlebt, wie das die Bürger sehen, die im August ihre Häuser zusperren und zum Teil die Stadt verlassen, weil sie derartige Erscheinungen nicht miterleben wollen. Ich meine, jeder muss sehen, dass hier Grenzen überschritten werden und dass der Staat zu reagieren hat, damit sich die überwiegende Mehrzahl der Bürger vom Staat nicht verlassen fühlt.
Herr Kollege Stadler, ich bin davon überzeugt, dass auch Sie hier die Notwendigkeit einer Regelung betonen würden, wenn Sie dies in Wunsiedel selbst miterlebt hätten. Denn es ist eben nicht gelungen, mit Versammlungsverboten diesen Aufmarsch zu verhindern. Die Verbote, die vom Landratsamt äußerst sorgfältig begründet worden sind, haben mehrfach gehalten. Aber durch sich seit 2000 laufend verschärfende Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts sind mehrfach OVG-Entscheidungen aufgehoben worden. Darum halte ich es für eindeutig, dass der Gesetzgeber reagieren muss, um das, was er für wünschenswert hält, durchzusetzen.
Wir haben deswegen als Innenminister den Vorgang begleitet, um Vorschläge in diesem sensiblen Bereich zu erarbeiten, und im Herbst des vergangenen Jahres abschließende, übereinstimmende Vorschläge vorgelegt. Wir waren dann etwas überrascht, dass es Monate gedauert hat, bis die Bundesregierung reagiert hat. Im November hatte der Bundesinnenminister angekündigt, dass kurzfristig ein Vorschlag gemacht werde.
Dieser Vorschlag ist dann von Frau Zypries und Herrn Schily vorgelegt worden; das haben wir begrüßt.
Ich war etwas überrascht, als Rot-Grün dann die eigene Regierung zurückgepfiffen hat. Das ist schon erstaunlich.
Immerhin haben die Justizministerin und der Bundesinnenminister Regelungen vorgestellt, die mit den Bundesländern erarbeitet und allseits als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden sind. Dass solche Regelungen dann zurückgepfiffen werden, ist erstaunlich; allerdings nicht nach den Erlebnissen, die wir in der Vergangenheit hatten. So etwas ist nämlich immer wieder einmal passiert. Wir meinen aber, dass die Regelungen, die jetzt gefunden wurden, in die richtige Richtung gehen. Sie kommen jedoch spät, sind gehetzt und nur halbherzig. Trotzdem stimmen wir ihnen zu, weil es in die richtige Richtung geht.
Die erste Änderung betrifft das Strafgesetzbuch. Allerdings fehlt in der entsprechenden Vorschrift – § 130 Abs. 4 – der Begriff der Verharmlosung. Ich verstehe nicht, warum es dagegen so große Bedenken gegeben hat.
Denn in § 130 wird der Begriff der Verharmlosung bereits heute verwendet, und zwar unbeanstandet.
– Wenn er auf die Frage des Holocaust Anwendung finden soll, dann verstehe ich nicht, warum ein solcher Begriff im Zusammenhang mit der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft plötzlich problematisch sein soll. Denn wenn der Begriff unscharf ist, ist er auch bei der Frage des Holocausts unscharf. Deswegen verstehe ich das nicht.
Ich sage: Es wäre richtig gewesen, in § 130 Abs. 4 den Begriff „Verharmlosung“ mit aufzunehmen und einen entsprechenden Tatbestand unter Strafe zu stellen, sodass dies dann im Bereich des Versammlungsrechtes Wirkung entfaltet.
Ich meine, auch die Risiken im Zusammenhang mit Wunsiedel könnten bei einer solchen Regelung eher begrenzt werden, als das jetzt der Fall ist. Ich hoffe sehr, dass die jetzt getroffene Regelung auch für Wunsiedel ausreichend ist. Denn in der Tat: Wenn der Hitler-Stellvertreter ohne jede Kritik sozusagen verherrlicht wird, dann ist das auch eine Verherrlichung der Gewaltherrschaft. Aber es sind jetzt durchaus Gestaltungsformen möglich, durch die ein Einschreiten sehr schwierig wird. Wir müssen hoffen, dass Gerichte dem Rechnung tragen, was der Gesetzgeber gewollt hat. Ich will hier ausdrücklich festhalten, dass das gesamte Hohe Haus die Absicht hat, mit der jetzt zu treffenden Regelung gerade auch die Demonstrationen der vergangenen Jahre in Wunsiedel für verbotsfähig zu erklären. Das ist für uns ganz wichtig und gewissermaßen der Ausgangspunkt, um dieser Regelung zustimmen zu können.
Man hätte sicher leichter zum Ziel kommen können, wenn man ausdrücklich auch den Begriff der Verharmlosung aufgenommen hätte. Denn dann wäre meines Erachtens kein Zweifel mehr möglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, auch die zweite Regelung, die sich mit den befriedeten Orten beschäftigt, geht aus meiner Sicht zwar in die richtige Richtung, ist aber durchaus verbesserungsfähig. Jetzt wird eine Regelung getroffen, die das Brandenburger Tor nicht erfasst. Aber das betrifft nicht den Freistaat Bayern; darum möchte ich mich nicht in erster Linie damit beschäftigen.
Es betrifft jedoch jedes Bundesland, wenn Bilder dieses deutschen Symbols in einer Weise durch die Welt gehen, die wir so nicht wollen.
Meine Ausführungen sollen sich schwerpunktmäßig mit der Anwendung für die Zukunft beschäftigen. Es heißt, dass Gedenkstätten von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung befriedete Orte sind. Was in diesem Zusammenhang „historisch herausragend“ bedeutet, ist nicht ganz einfach zu erläutern. Ist das Dokumentationszentrum auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg etwas historisch Herausragendes, ist das von überregionaler Bedeutung? Die Beantwortung dieser schwierigen Fragen überlassen Sie den Ländern, schränken sie aber insoweit ein. Ich bin allerdings froh darüber, dass die Länder die Möglichkeit bekommen, weitere Orte festzulegen. Ich bedauere es jedoch, dass dies nur mit einem förmlichen Gesetz möglich ist; denn gerade die Abgrenzung hätte ein Verordnungsgeber ohne weiteres besser als der förmliche Gesetzgeber durchführen können.
Insgesamt geht diese Verschärfung des Versammlungsrechts in die richtige Richtung. Deswegen stimmen wir zu. Wir müssen uns mit dem Rechtsextremismus massiv auseinander setzen. Derzeit läuft in München der Prozess gegen die „Kameradschaft Süd“ und Herrn Wiese. Ich füge hinzu: Deren Straftaten konnten, so die Polizei, nur durch Maßnahmen des großen Lauschangriffs, die heute nicht mehr zulässig wären, verhindert werden.
Wir haben hier ganz bewusst Maßnahmen des großen Lauschangriffs eingesetzt. Nur dadurch konnten diese Straftaten verhindert werden.
Wir brauchen die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten. Allerdings ist eine Auseinandersetzung mit dem Extremismus insgesamt notwendig; denn Rechtsextremismus und Linksextremismus sind oft nah beieinander. Die Person des Herrn Mahler führt das eindrucksvoll vor. In dieser Auseinandersetzung ist das vorliegende Gesetz ein Baustein. Aber selbstverständlich brauchen wir darüber hinaus weitere Maßnahmen, die wir gemeinsam auf den Weg bringen werden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Christian Ströbele, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Guten Morgen, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stadler, das war nicht in Ordnung: Wider besseres Wissen haben Sie hier behauptet, uns gehe es um Gesinnungsstrafrecht oder etwas Ähnliches. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wir verbieten keine Gesinnung. Das wollen wir nicht, das können wir nicht und das dürfen wir nicht. Nicht einmal die Gesinnung von Neonazis wird verboten.
Es gibt aber Gesinnungen, die dann, wenn sie geäußert werden, die Würde anderer Menschen dermaßen verletzen, dass das strafwürdig ist.
Es kann doch nicht sein, dass wir alle uns dagegen wehren können, wenn wir im Privatleben beleidigt werden, also unsere Würde angegriffen wird, es aber straffrei bleibt, wenn im öffentlichen Raum – auf Versammlungen oder öffentlichen Veranstaltungen – die Würde von Opfern nationalsozialistischer Gewalt und Willkürherrschaft dramatisch verletzt wird. Hier müssen wir mit gleichem Maß messen und dies unter Strafe stellen.
Das, was wir an Änderungen vornehmen, ist keine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, sondern es geht uns bei den beiden Vorschriften, im Strafgesetzbuch und im Versammlungsgesetz, um den besseren Schutz der Würde der Opfer des Nationalsozialismus, um nichts anderes. Das ist richtig und wichtig. Auch in Zukunft wird es in Deutschland keine demonstrationsfreien Zonen geben. Das gilt auch für das Holocaust-Denkmal. Auch dort dürfen Versammlungen und Aufzüge stattfinden. Sogar Neonazis dürfen dort demonstrieren. Was sie aber nicht dürfen, ist, in einer Art und Weise oder mit Inhalten zu demonstrieren, die die Würde der Opfer verletzen. Dagegen wehren wir uns und dagegen richten sich die Klarstellungen im Versammlungsgesetz und die neuen Bestimmungen im Strafgesetzbuch. Um nichts anderes geht es hier.
Herr Kollege Stadler, Sie wissen, dass in der Anhörung hier im Deutschen Bundestag auch von den Sachverständigen gesagt worden ist: Wenn wir als Schutzgut die Würde der Opfer entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufnehmen, dann sind solche Regelungen, wie wir sie jetzt im Strafrecht und in das Versammlungsrecht einführen, zulässig.
Sie sind dann nach dem Grundgesetz hinnehmbar. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zur Leugnung des Holocaust. Auf dieser Ebene bewegen wir uns. Deshalb kann man diese Gesetze, wie wir sie heute einbringen und im Bundestag verabschieden werden, durchaus vertreten.
Ich sage den Kolleginnen von der PDS: Es kann nicht sein, dass Sie mit den Antifas zu Gegendemonstrationen zu Neonaziaufmärschen aufrufen und auf entsprechenden Veranstaltungen verlangen, dass Demonstrationen dieser Art verboten werden, sich aber dann, wenn im Bundestag die gesetzlichen Voraussetzungen dafür präzisiert werden sollen, dagegen aussprechen. Das ist nicht ehrlich und das ist nicht folgerichtig. Das ist widersprüchlich. Da sollten Sie Ihre Auffassung einmal überprüfen.
Hier geht es jetzt ausdrücklich und ausschließlich um den Schutz der Opfer des Nationalsozialismus, nicht mehr – wie es früher einmal im Gesetzwurf vorgesehen war – um die Opfer anderer Völkermorde. Das haben wir extra herausgenommen, um in der Diskussion nichts durcheinander zu bringen.
Deshalb: Zeigen Sie, dass Sie Antifaschisten sind und stimmen Sie diesem Gesetz zu!
Jetzt komme ich zu dem Antrag der Union. Wir wollen keine Bannmeile um das Brandenburger Tor. Wir lehnen auch den neuen Antrag zur Erweiterung des befriedeten Bereichs über den jetzigen Bereich hinaus rund um das Brandenburger Tor herum ab. Wir verteidigen das Demonstrationsrecht an diesem wichtigsten Ort in Deutschland. Wir sagen allen, die vielleicht jetzt in der Diskussion nicht mehr auseinander halten können, was sie in Zukunft dürfen und was sie nicht dürfen: Wer am Brandenburger Tor morgen, übermorgen oder in den nächsten Jahren demonstrieren will, der kann dort demonstrieren. Er kann dort uneingeschränkt demonstrieren und nicht unter anderen Voraussetzungen, als sie heute schon gegeben sind.
Auch in Zukunft ist es nicht notwendig – so wäre es nach Ihrem Gesetzentwurf –, dass die Leute etwa beim Bundesinnenminister um Erlaubnis fragen müssen, ob sie am Brandenburger Tor demonstrieren dürfen.
Das wollen wir nicht. Wir wollen diesen Demonstrationsort für alle erhalten. Wir sind die Verteidiger des uneingeschränkten Demonstrationsrechts und das werden wir bleiben.
Präsident Wolfgang Thierse:
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bisher eine Auseinandersetzung über die unterschiedliche Bewertung eines Gesetzesvorhabens gehabt. Wir sollten uns allerdings nicht auf ein Niveau begeben, bei dem denjenigen, die diesem Gesetz nicht zustimmen, mangelnder Wille unterstellt wird, gegen Extremismus und braunen Geist vorzugehen, Herr Kollege Ströbele.
Ich jedenfalls möchte Ihre Formulierung „Zeigen Sie, dass Sie Antifaschisten sind und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!“ für die FDP in aller Entschiedenheit zurückweisen. Wir sind gegen jeden Extremismus und gegen jeden Faschismus, übrigens nicht nur gegen den von rechts, sondern auch, Herr Kollege, gegen den von links. Trotzdem stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu.
Präsident Wolfgang Thierse:
Zu einer Reaktion haben Sie jetzt Gelegenheit, Kollege Ströbele.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Westerwelle, wenn Sie genauer zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass ich mich dagegen gewehrt habe, dass der Kollege Stadler uns vorgeworfen hat, wir würden mit diesem Gesetz Gesinnungsstrafrecht betreiben.
Dagegen wehre ich mich, weil es nicht wahr ist und weil ich weiß, dass der Kollege Stadler weiß, dass das nicht wahr ist. Das hat mit Gesinnungsstrafrecht nichts zu tun.
Wenn ich hier die Aufforderung ausgesprochen habe, dass die Kolleginnen von der PDS, die sich als Antifaschisten bezeichnen, diesem Gesetz zustimmen müssen, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden wollen, dann hat das überhaupt nichts damit zu tun, dass ich irgendjemanden in eine braune Ecke stellen will, Sie schon gar nicht.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Jürgen Gehb, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn sich Herr Westerwelle nicht zur Intervention gemeldet hätte, hätte ich die Gelegenheit genutzt, das richtig zu stellen. Dass er sich gemeldet hat, entbindet mich von dieser Pflicht. So muss das sein. Auf der anderen Seite – das gebe ich auch zu –: Der Begriff Gesinnungsstrafrecht – selbst wenn Sie, Herr Stadler, gesagt haben, das sei ein Schritt in diese Richtung – dient nicht dazu, ein bisschen das Timbre herunterzusetzen.
Meine Damen und Herren, Innenminister Beckstein hat eben schon gesagt, wir diskutierten hier nicht zum ersten Mal die Frage, wie das Versammlungsrecht verschärft oder verändert werden kann. Ich meine, wir haben einen unbestimmten Rechtsbegriff in § 15 des Versammlungsgesetzes. Danach sind Versammlungen zu verbieten oder an Auflagen zu binden, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstoßen. Nun ist das ein weites Feld für die Kasuistik sowohl der Instanzgerichte als auch des Bundesverfassungsgerichts. Wir versuchen seit geraumer Zeit, bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff ein bisschen Butter bei die Fische zu tun, ihn mit Fleisch anzufüttern. Deswegen ist jetzt in § 15 des Versammlungsgesetzes etwa ein Verbot von Versammlungen insbesondere an bestimmten Orten vorgesehen.
Nun muss ich sagen: Die Anhörung in der letzten Woche – jeder nimmt offenbar irgendeinen für sich als Kronzeugen – hat die breite Palette aller Auffassungen dargelegt.
Ich erinnere mich an Herrn Battis, der gesagt hat, er könne sich auch vorstellen, dass es bei der geltenden Gesetzeslage bleibt. Dann gab es andere, die gesagt haben, es hätte gereicht, wenn man nur an der Schraube des Versammlungsrechts gedreht hätte. Übrigens wäre das auch mir näher gekommen. Die – nicht extreme – ganz andere Position ist, sowohl das Versammlungsrecht als auch das Strafrecht zu ändern. Das ist der Gesetzentwurf, den wir heute hier beraten und dem wir auch zustimmen.
Meine Damen und Herren, wo sind die Vor- und Nachteile? Das soll hier heute keine Rechtsvorlesung sein, sondern wir machen Rechtspolitik. Dennoch muss man, um das einmal den Leuten klarzumachen, sagen, wo die Gefahren liegen. Sicherlich wäre es unseriös, heute hier aufzutreten und zu sagen: Mit diesem Gesetzentwurf ist ein für alle Mal jeder Aufmarsch der Nazis unterbunden; er ist verfassungsfest und auch gerichtsfest. – Damit würden freilich falsche Begehrlichkeiten geweckt und wir liefen Gefahr, wenn es keinen Bestand vor den Gerichten hat, noch schlechter dazustehen als jetzt; denn es ist nichts schlimmer, als wenn ein Politiker vollmundig von der Verfassungsmäßigkeit redet und hinterher die Verfassungswidrigkeit attestiert bekommt.
Andererseits dürfen wir aber auch nicht bei jedem verbleibenden Rest an Bedenken sofort unsere legislatorischen Maßnahmen runterschrauben auf null, quasi gebannt wie das Häschen vor der Schlange nach Karlsruhe oder auch zu den Instanzgerichten schauen: Wird das wohl Bestand haben? Alle Sachverständigen haben gesagt, eine Garantie, dass das vor dem Verfassungsgericht hält, könnten sie nicht geben. Sie dürften sie auch gar nicht geben, denn in Deutschland gibt es nur eine einzige Institution, die feststellen kann, ob etwas verfassungswidrig ist oder nicht: Das ist das Bundesverfassungsgericht. Selbst dort ist in den Senaten die Entscheidung nicht immer unisono, sondern – wir wissen es alle – wir haben knappe Entscheidungen von vier zu vier über fünf zu drei bis sieben zu eins, acht zu null. Die gesamte Palette ist möglich. Niemand soll für sich in Anspruch nehmen, er hätte nun die Weisheit für sich gepachtet.
Meine Damen und Herren, gerade das Bundesverfassungsgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung zum Versammlungsrecht eine Grenze des Versammlungsrechts in den Strafgesetzen gesehen. Nur warne ich davor, grundrechtswidrige Eingriffe etwa dadurch rechtfertigen oder nobilitieren zu wollen, dass man sie einfach unter Strafe stellt. Die bloße Pönalisierung von Verhalten, auch von Meinungsäußerungen, wird nicht deshalb grundrechtskonform, weil man es unter Strafe stellt. Allerdings ist hier doch etwas anders gemacht worden, Herr Stadler: Man hat es nicht dabei bewenden lassen, die bloße Artikulation von Meinungen strafbewehrt werden zu lassen, sondern man hat den Tatbestand um zwei Erfolgsmerkmale ergänzt, nämlich die Störung des öffentlichen Friedens und die Verletzung der Menschenwürde. Da gibt es eigentlich an der Verfassungsmäßigkeit keine signifikanten Bedenken. Ich will mich jetzt nicht selbst einreihen und sagen, ob es verfassungsmäßig ist oder nicht, obwohl ich eben gesagt habe, außer dem Bundesverfassungsgericht könne das keiner machen. Es gibt aber keine durchgreifenden Bedenken. Das ist allerdings durchgängig von den Gutachtern auch gesagt worden, namentlich von Herrn Professor Poscher, von Herrn Nack und von den anderen auch.
Ich sehe eine kleine andere Schwierigkeit, bedingt dadurch, dass ich hauptberuflich damit sowohl in der Exekutive als auch in der Judikative bereits befasst war, nämlich die Frage: Wie soll eigentlich ein Beamter in einer Versammlungsbehörde prognostizieren, ob ein Aufmarsch und eine Versammlung der Neonazis – erstens – den öffentlichen Frieden stört, und das – zweitens – in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise?
Ein Strafgericht kann das besser, weil es eine Ex-post-Betrachtung vornimmt. Da wird durch den Staatsanwalt ermittelt. Es gibt einen Referendar, der das Votum vorbereitet. Dann beugen sich drei Berufsrichter darüber.
Dann gibt es einen Anwalt, dann wird Beweis erhoben. Im Nachhinein ein Verhalten als strafwürdig zu betrachten ist sehr viel einfacher – obwohl es sicherlich noch schwierig genug ist –, als es prospektivisch beispielsweise durch einen Oberinspektor einer Ordnungsbehörde gerichtsfest machen zu lassen, und zwar weniger verfassungsgerichtsfest als instanzgerichtsfest; denn zuerst kommen die Verfahren, in denen es um Verbotsverfügungen geht, die mit Widerspruch angegriffen werden, und in denen einstweiliger Rechtsschutz beantragt wird, vor die Instanzgerichte. Das endet in der Regel vor dem OVG oder dem VGH. Dann muss quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – das Gericht hat oft nicht viel Zeit, weil die Demonstrationen meistens samstags stattfinden – bei summarischer Würdigung der Sach- und Rechtslage entschieden werden, ob einstweiliger Rechtsschutz gewährt wird oder nicht. Das ist schwierig.
Wir müssen dem Gesetz trotzdem eine Bewährungschance geben. Wir können natürlich am grünen Tisch leicht alles abwägen. Aber was sollen wir den Leuten in Wunsiedel sagen? Herr Kollege Dr. Friedrich – Frau Sonntag-Wolgast hat schon einen anderen Betroffenen genannt –, Sie sehen fast täglich, was dort los ist, wir nicht. Der Kollege Bosbach hat Recht: Wir befinden uns zwischen Szylla und Charybdis. Entweder kann man uns vorwerfen: „Ihr lasst euch im Wettlauf mit den Gutmenschen um die beste Lösung gegen die Naziaufmärsche treiben“ oder es heißt: „Ihr schaut tatenlos zu, wie sich diese braune Brut kampflos wieder entwickelt.“ In diesem Spannungsbogen mussten wir tätig werden und wir sind tätig geworden. Ich selber möchte die Verfassungswidrigkeit und die Aufhebung durch Instanzgerichte nicht herbeireden. Vielmehr möchte ich den Gerichten und den Behörden die Gelegenheit geben, zu überprüfen, ob sich dieses Gesetz bewährt oder nicht. Wenn wir keines machen, dann bleibt alles, wie es ist. Nach der momentanen Gesetzeslage – de lege lata – werden eben nicht alle diese Dinge ausgeschlossen; denn sonst gäbe es ja keine Gerichtsentscheidungen, mit denen nachträglich Verbotsverfügungen aufgehoben wurden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es uns bei aller juristisch-dogmatischen Feinziselierung doch einmal darauf ankommen, wie sich das Gesetz in der Praxis bewährt. Neben der Juristerei müssen natürlich die mündigen Bürger – davor habe ich keine Bange – zeigen, wer die Mehrheit im Staate hat und dass Rechtsextremisten und Linksextremisten bei uns in Deutschland absolut in der Minderheit sind und auf politischem Wege bekämpft werden müssen. Wenn das nicht hilft, müssen die Exekutive und die Judikative flankierend tätig werden.
Herzlichen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Bundesminister des Innern, Otto Schily.
Otto Schily, Bundesminister des Innern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Zuerst gilt es den erfreulichen Sachverhalt festzustellen, dass unter den Parteien Einmütigkeit darüber herrscht, dass die Versammlungsfreiheit zu den elementaren Bestandteilen unserer Verfassungskultur und – wir können das sogar noch weiter fassen – der europäischen Verfassungskultur gehört. Wir verdanken der Versammlungsfreiheit den Aufwuchs des Rechtsstaates und der Demokratie in Europa. Deshalb haben alle diejenigen Recht, die diese Verfassungskultur hochhalten und verteidigen.
Eine kleine Fußnote: Wer den Anspruch erhebt, sich irgendwann einmal unter das Dach der europäischen Verfassungskultur zu begeben, muss sehr darauf achten, dass Frauendemonstrationen nicht brutal niedergeschlagen werden, wie es in der Türkei geschehen ist.
Ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei Herrn Kollegen Bosbach für seine Äußerungen ausdrücklich zu bedanken, genauso wie bei Frau Kollegin Köhler, die mich auf eine schlimme, antisemitische und rassistische Publikation in der Türkei aufmerksam gemacht hat. Es ist nicht mit der europäischen Rechtskultur zu vereinbaren und nicht zu dulden, dass ein Blatt in der Türkei die deutsche Regierung oder ein Mitglied des deutschen Parlaments – in diesem Fall ist Frau Kollegin Köhler betroffen – beleidigt. Auch das halte ich für unmöglich.
Ein weiterer erfreulicher Sachverhalt ist, dass sich die großen demokratischen Parteien hier aufeinander zubewegt haben. Zu einer respektvollen politischen Auseinandersetzung gehört, dass wir auch diejenigen achten, die eine andere Auffassung – der Kollege Stadler hat es hier vorgemacht – vertreten. Ich finde, das gehört sich so. Wir sollten niemandem, der diesem Gesetz nicht zustimmt, unterstellen, dass er sich von Rassismus und Rechtsextremismus nicht ebenso scharf abgrenzt. Das anzuerkennen gehört zu einer fairen Auseinandersetzung.
Erwartungsgemäß begrüße ich es sehr, dass dieser Gesetzentwurf heute vorgelegt wird. Er ist gewiss ein Kompromiss. Sie werden es mir auch nicht verargen, wenn ich Ihnen nicht vorenthalte, dass ich es eher begrüßt hätte, wenn der ursprüngliche Entwurf von Frau Kollegin Zypries und mir Zustimmung gefunden hätte.
Es wäre unehrlich, wenn ich Ihnen das verheimlichen wollte.
Ich teile die Auffassung des Kollegen Beckstein, dass der Begriff der Verharmlosung in der Gesetzgebung in der Tat schon heute verwendet wird; deshalb sehe ich keinen Grund, ihn nicht auch hier zu verwenden.
Aber es gibt immerhin eine Verbesserung. Auch das ist ein Fortschritt. Wir können jetzt nichts tun – Herr Gehb hat das richtig dargestellt –; dann bleibt es beim jetzigen Zustand, und zwar mit allen schlimmen Auswirkungen, die wir aus der Rechtsprechung kennen. Hier ist mehrfach von der Gemeinde Wunsiedel und dem, was diese Gemeinde Jahr für Jahr ertragen muss, die Rede gewesen. Ich begrüße ausdrücklich, dass von allen Seiten Solidarität mit der demokratischen Öffentlichkeit Wunsiedels geäußert worden ist. Das sollte noch einmal unterstrichen werden.
Wenn wir jetzt etwas tun, um diesen Menschen Beistand zu leisten, dann ist das auf jeden Fall besser, als wenn wir nichts tun.
Wie Herr Gehb zu Recht gesagt hat, werden wir sehen, ob sich unser Vorgehen in der Praxis bewährt. Man kann bezweifeln, dass durch unser Tun alles verhindert wird; aber immerhin kommt ein weiteres Werkzeug zur Anwendung. Man muss hier ganz schlicht entscheiden: Ist es besser, es so zu belassen, wie es ist, oder ist es besser, es in diesem Sinne zu verändern? Ich bin eindeutig dafür, etwas auf der Grundlage des gemeinsamen Gesetzentwurfs zu tun.
Um hier ganz ehrlich zu sein – wir müssen offen miteinander reden –: Ich bleibe dabei, dass es besser wäre – ich sage das, obwohl man sich als Vertreter der Exekutive hier zurückzuhalten soll –, wenn der Bundestag den befriedeten Bezirk um das Brandenburger Tor erweitert.
Ich weiß, dass ich damit eine gegensätzliche Meinung zu der meiner Freunde in der Koalition vertrete.
Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass der Ansatz, den ich vertrete, kein Allheilmittel ist; schließlich soll diese Regelung nur an Sitzungstagen gelten. Aber es gäbe an diesen Tagen eben eine gewisse Schutzwirkung.
Ich teile die Ansicht von Herrn Bosbach – ich muss das hier offen sagen –: Warum soll durch die Regelung über den befriedeten Bezirk ausgerechnet das Brandenburger Tor nicht geschützt werden, wenn wir die unmittelbare Umgebung des Reichstages dadurch schützen? Das ist nicht zu verstehen.
Ich muss noch eine kurze Bemerkung an Frau Kollegin Stokar richten.
Der Kollege Stadler hat seine Rede mit einem wunderbaren Satz von Montesquieu begonnen. Dieser Satz trifft in diesem Fall auf Sie, Frau Stokar, zu. Natürlich ist die Einfuhr von Gegenständen, deren Verbreitung in Deutschland unter Strafe gestellt ist, verboten. Dafür braucht man kein zusätzliches Gesetz.
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind fast am Ende dieser Debatte. Mein Resümee: Wer ständig und überall Neonazis bekämpfen will – Herr Westerwelle, das will das gesamte Hohe Haus –, der muss das insbesondere hier, mitten in Berlin, auch am Brandenburger Tor, tun.
Ich teile voll Ihre Auffassung, Herr Bundesinnenminister. Auch der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde dieser Stadt, Herr Nachama, der Berliner Kardinal und Gerhard Schröder im Jahr 2000, auf dem Geburtstag der Gewerkschaft der Polizei, haben dies gefordert.
Ich finde es unverantwortbar – Günther Beckstein, das gilt nicht nur für Wunsiedel –, in Berlin die Polizei in das Feuer zwischen linksradikalen Autonomen und Rechtsradikalen zu schicken und sie so dafür haften zu lassen, dass Rot-Grün keine Lösung bietet,
obwohl dies möglich wäre. Das hat die Anhörung ergeben.
Einer Erweiterung des befriedeten Bezirks um das Brandenburger Tor steht – insbesondere nach dem neuen Entwurf – eben nicht die Verfassungswidrigkeit „auf der Stirn“. Das steht im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Kollege, behauptet haben. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments – der Kollege Hartmut Koschyk hat das beim letzten Mal erläutert – muss nämlich erhalten bleiben. Der Zugang von den Wohnungen, von den Büroräumen und von den Sitzungssälen Unter den Linden muss garantiert werden. Dies entspricht voll dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierdurch würde der durch das Gesetz eingeräumte Ermessensspielraum nicht auf Null verkürzt, wie es die Bundesjustizministerin beim letzten Mal gesagt hat.
Ich möchte noch etwas, ich meine, Bedeutenderes, anführen. Für uns, für die deutsche Bevölkerung ist das Brandenburger Tor zum Symbol für die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit geworden. Es erinnert an die Morde des SED-Regimes an der Mauer, am Brandenburger Tor, vor allem an den 30. Januar 1933, mit dem alles seinen Anfang nahm: Beseitigung der pluralen Demokratie, Rassismus, Antisemitismus. All das ist unvereinbar mit den Menschenrechten. Im krassen Widerspruch dazu stehen die Neonazis, wenn sie ihre menschenverachtende Ideologie insbesondere am Brandenburger Tor zum Ausdruck bringen. Denn gerade hier, so meine ich, verletzen sie die Menschenrechte und die Menschenwürde, die der Opfer nationalsozialistischer Gewalt und Willkürherrschaft, die aller Demokraten und vor allem die unserer jüdischen Mitbürger.
Herr Bundesinnenminister, ich teile erneut Ihre Auffassung. Sie haben unter Hinweis auf die Veranstaltung zur Befreiung des KZs in Auschwitz darauf aufmerksam gemacht: Welch seelische Schmerzen tun wir diesen Menschen, gerade den jüdischen Mitbürgern an, wenn sie dies alles erleben müssen, hier, unmittelbar nebenan?
Das beschreibt doch unsere gemeinsame Verantwortung. Dass die Verletzung der Menschenwürde, dieses obersten Wertes unserer gesamten Rechts- und Sozialordnung, ein Versammlungsverbot rechtfertigt, ist doch völlig unbestritten.
Dies sei auch an die Adresse von Karlsruhe gesagt: Es geht bei dem Gedankengut der Neonazis eben nicht um politisch missliebige Meinungen, es geht auch nicht um politisch unerwünschte Anschauungen,
es geht vielmehr um Vorstellungen – das hat Karlsruhe auch einmal gesagt; diese Rechtsprechung kenne ich –, die mit der historisch bedingten Wertordnung des Grundgesetzes schlechterdings unvereinbar sind, die die Nazis aber eben hier aktiv, aggressiv und kämpferisch verfolgen. Weil die Schwelle zum Unrecht mit der Bekämpfung der Grundordnung von den Neonazis überschritten wird, werbe ich um Zustimmung für Nulltoleranz, wie es auch der Kollege Wiefelspütz beim letzten Mal gefordert hat –
ob über die Bannmeilenregelung oder über die Konstruktion, die ich Ihnen anbiete. Dies wollen nämlich viele Menschen, insbesondere viele Berliner.
Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Ströbele: Was hier nichts nützt, ist bloße Parteitaktik, bloße Ideologie. Ich weiß zwar nicht, ob heute noch alle Grünen Ihre Meinung teilen, sie seien geradezu geboren aus dem Recht, zu demonstrieren. Wie dem auch sei: Das Werden der Union vor 60 Jahren war ebenfalls Demonstration, wenn auch ein wenig anders:
Demonstration gegen totalitäres Denken jeglicher Provenienz. Unser Schutzwall dabei war das christliche Menschenbild, die Würde des Menschen, die Sie ansonsten richtigerweise auch in den Mittelpunkt stellen, sei es bei den Formulierungen im Versammlungsgesetz, sei es bei den Regelungen im Strafgesetzbuch in Bezug auf Versammlungen an Gedenkstätten oder anderswo, wie eben in Wunsiedel beim Kollegen Hans-Peter Friedrich, wo Nazigewalt und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt werden.
Der Vorschlag, den die Koalitionsfraktionen machen, ist rechtmäßig, Herr Kollege Stadler, weil die Meinungsfreiheit nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt wird und weil es um den Schutz gleichwertiger herausragender Rechtsgüter geht. Deswegen ist das, was hier vorgeschlagen wird, durchaus rechtmäßig, Herr Kollege,
und, wie ich im Gegensatz zu dem, was gestern Abend polemisch in der ARD-Sendung „Panorama“ behauptet worden ist, meine, auch erfolgversprechend. Deswegen stimmt die Union diesem Gesetzentwurf zu.
Meine Damen und Herren, hektische Tage liegen hinter uns: Es gab ein Versprechen der Koalition und ihres Kanzlers, daraufhin wurden mehrere Gesetzentwürfe eingebracht – wir haben darüber gesprochen –, ein von beiden Verfassungsministerien eingebrachter Entwurf stieß schon im Vorfeld auf Ablehnung; dann gab es eine von der Union beantragte Anhörung, die uns alle zum Nachdenken gebracht hat, und zwar mit Erfolg, denn beide Seiten, Koalitionsfraktionen und Union, sind aufeinander zugegangen. Für mich und für meine Fraktion geht diese Einigung – Sie wissen das –, insbesondere was die Regelungen zum Brandenburger Tor anbetrifft, nicht weit genug. Aber das kann sich, so lehrt meine langjährige Erfahrung in diesem Parlament, noch ändern. Wie vieles, wird sich das auch noch ändern – ich teile da völlig die Meinung des Herrn Bundesinnenministers –, weil wir darin übereinstimmen, dass die Freiheit des Andersdenkenden ein hohes Gut ist, aber diese Freiheit in unserer wehrhaften Demokratie dort ihre Grenze finden muss, wo das menschenverachtende Gedankengut der Nazis wieder Platz zu greifen droht. Das dürfen wir nirgendwo und niemals zulassen, meine Damen und Herren, insbesondere nicht an diesem 8. Mai.
Herzlichen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Koschyk hat mir vorhin zugerufen, dass das Ihre 125. Rede im deutschen Parlament war, Kollege Marschewski. Respekt!
Ich erteile das Wort Kollegin Petra Pau.
Petra Pau (fraktionslos):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Aufmarsch der NPD, ausgerechnet am 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, ausgerechnet am Brandenburger Tor, ist schwer hinnehmbar und soll verhindert werden.
Das ist Konsens. Deshalb begrüßt die PDS auch, dass sich das breite Berliner Bündnis für ein Europa ohne Rassismus reaktiviert hat und dass auch alle Parteien im Bundestag zu Zivilcourage, Frieden und Demokratie aufrufen wollen.
Denn das entscheidende Signal gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Nationalismus kann niemand anders geben als die Gesellschaft selbst, die Bürgerinnen und Bürger.
Die PDS unterstützt das ausdrücklich.
Heute geht es hier um staatliche Sperren, um Änderungen im Versammlungs- und Strafrecht. Sie sollen rechtsextreme Aufmärsche verbieten helfen. Dazu gab es am Montag eine Anhörung von Experten. Dabei warnten nahezu alle vor leichtfertigen und schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte der Verfassung, konkret in das Recht auf Versammlungsfreiheit und in das Recht auf Meinungsfreiheit. Nach der Anhörung wurden die ursprünglichen Vorschläge modifiziert.
– Das gebe ich gerne zu, Frau Kollegin. Ich würdige hier gerade, dass wir alle klüger geworden sind und jetzt modifizierte Vorschläge auf der Tagesordnung haben.
Es bleiben drei Vorschläge: Die CDU/CSU will den befriedeten Bezirk rund um den Bundestag ausweiten, SPD und Grüne wollen das Strafrecht konkretisieren und die Bundesländer sollen Gedenkorte benennen, an denen die Würde der Opfer nicht demonstrativ verhöhnt werden darf.
Eine Ausweitung der so genannten Bannmeile oder des befriedeten Bezirks lehnen wir ab. Sie wäre zweckfremd und unbotmäßig.
Sie träfe übrigens auch demokratische Initiativen, die am Brandenburger Tor für ihre Rechte demonstrieren. Wer das dennoch fordert, setzt sich dem Verdacht aus, auch diese Einschränkung zu wollen.
Wir lehnen ebenso ab, dass Gedenkstätten von besonderer Bedeutung benannt werden; denn damit würden zugleich Gedenkstätten sowie Opfer erster und zweiter Klasse definiert und es würden dort Einfallstore für Nazidemonstrationen geöffnet, wo das Präventivverbot nicht gilt.
– Frau Kollegin, das haben wir in der Praxis alles schon erlebt.
So weit erst einmal in aller Sachlichkeit zu zwei der hier vorliegenden Vorschläge.
Nun zu Ihnen, Herr Kollege Ströbele. Sie meinten, definieren zu können, wer Antifaschist ist, nämlich nur derjenige, der beim Nachdenken zu Ihren Schlüssen gekommen ist und Ihrem Gesetzentwurf zustimmt. Das erlebe ich in letzter Zeit immer öfter, wenn wir hier über Bürgerrechte reden, zum Beispiel wenn Sie hier plötzlich die Verlängerung des Lauschangriffes begründen oder Ihre Meinung zum Luftsicherheitsgesetz darlegen. Ich sage Ihnen deutlich: Die PDS versteht sich als antifaschistische Partei. Meine Kollegin und ich verstehen uns als Antifaschistinnen, ganz egal ob wir uns am Holocaust-Mahnmal befinden, an der Gedenkstätte der Sozialisten in Lichtenberg oder auf dem Friedhof in Marzahn, wo das Sammellager für die Berliner Sinti und Roma während der Olympischen Spiele eingerichtet wurde, und das gilt auch für den Alltag.
– Ich gehe auch nach Hohenschönhausen, Herr Kollege Koschyk, vielleicht viel öfter als Sie.
Wir verstehen uns als Antifaschisten und brauchen nicht die Belehrung von Herrn Ströbele, wer hier der richtige Antifaschist ist.
Ich sage Ihnen noch etwas – das habe ich Ihnen gestern schon gesagt –: Die PDS im Bundestag könnte der Konkretisierung im Strafrecht zustimmen, vorausgesetzt, SPD und Grüne würden hier heute eine Einzelabstimmung zulassen. Darum haben Sie sich offensichtlich nicht gekümmert.
Grundsätzlich bleibt die PDS im Bundestag allerdings bei ihrer Kritik. Solange das Thema Rechtsextremismus vorwiegend im Innen- und Rechtsausschuss und mit umstrittenen Paragraphen behandelt wird, so lange agieren wir am Ende des Problems und nicht an den Wurzeln. CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich seit Wochen viel mit Aktionismus selbst unter Druck gesetzt. Eine gründliche, ressortübergreifende Debatte mit dem Ziel der politischen Auseinandersetzung und der gesellschaftlichen Ächtung von Rechtsextremismus gab es bislang nicht. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis, das wir uns allesamt im Bundestag heute ausstellen müssen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Bachmaier, SPD-Fraktion.
Hermann Bachmaier (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherlich wäre es besser, wenn wir solche Gesetze, deren Änderung wir heute beraten und beschließen, erst gar nicht brauchen würden. In diesem Punkt gebe ich Herrn Stadler durchaus Recht. Wir wissen natürlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus und mit denjenigen, die zynisch und menschenverachtend die Gewalttaten der Nazis verherrlichen, in erster Linie politisch erfolgen muss. Menschenverachtung und Dummheit kann man nicht mit dem Strafrecht und mit dem Versammlungsrecht aus der Welt schaffen.
Wir können aber auch nicht tatenlos zusehen, dass auf der Würde der Millionen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft buchstäblich mit Füßen herumgetrampelt wird. Das kann und darf ein Gesetzgeber nicht zulassen.
Es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Gesetzgebers, die Meinungsfreiheit zu schützen. Er muss aber auch derart menschenverachtende Umtriebe verhindern.
Wir wissen – darauf hat uns bis in die jüngste Zeit nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe grundlegender Entscheidungen hingewiesen –, dass uns aufgrund der Meinungsfreiheit manches zugemutet werden kann. Meinungsfreiheit ist in unserem Lande aber nur dann gewährleistet, wenn wir bereit sind, auch Meinungen zu ertragen, über die wir nicht nur den Kopf schütteln können, sondern die uns bisweilen geradezu unerträglich erscheinen. Da gebe ich meinen Vorrednern völlig Recht.
Wie wir in der Anhörung erfahren konnten, geht das Bundesverfassungsgericht beim Schutz der Meinungsfreiheit sogar so weit, dass Art. 5 des Grundgesetzes auch noch solche Meinungsäußerungen in seinen Schutz mit einbezieht, die im Widerspruch zur Werteordnung der Verfassung stehen. Es gibt also einen sehr weit reichenden Schutz der Meinungsfreiheit.
Dennoch kann in einer Werteordnung, wie sie das Grundgesetz vorgibt, auch der sehr weitgehende Schutz der Meinungsfreiheit nicht grenzenlos sein. Art. 5 des Grundgesetzes nennt als Schranken die allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre – man könnte auch sagen: Würde.
Wenn wir nunmehr neben § 15 des Versammlungsgesetzes vor allem auch § 130 des Strafgesetzbuches behutsam ergänzen, so knüpft das an diesen Rahmen des Art. 5 an. Das Strafgesetzbuch setzt Grenzen. Meinungsfreiheit darf nicht genutzt werden, um Volksverhetzung zu betreiben und dadurch die Würde der Opfer zu beschädigen. Wer die heutige Fassung des so genannten Volksverhetzungsparagraphen im Strafgesetzbuch liest, wird vor allem auch im Lichte mittlerweile erfolgter rechtsradikaler Aufmärsche und so genannter Helden- und Opfergedenken erkennen, dass dieser Straftatbestand dringend der Ergänzung bedarf.
Aufbauend auf dem ursprünglichen Vorschlag der Justizministerin und des Innenministers haben wir deshalb nach sehr intensiven Beratungen, die sicherlich in kurzer Zeit erfolgten, und unter Mithilfe von Verfassungs- und Strafrechtsexperten jetzt mit dem neuen § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuches eine recht gute, wie ich meine, und höchstwahrscheinlich verfassungsfeste Lösung gefunden. Sicher kann man sich diesbezüglich nie sein. Es besteht für den Gesetzgeber immer das Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht bestimmte Regelungen in einem neuen Lichte sieht. Der Gesetzgeber muss aber diesen Mut zum Handeln aufbringen.
Die gefundene Lösung bietet eine Chance, denjenigen das Handwerk zu legen, die unter Ausnutzung der Meinungsfreiheit die Würde der Opfer verhöhnen. Wir haben dabei peinlich darauf geachtet, dass wir den bewusst weiten Rahmen, den die Freiheitsordnung der Bundesrepublik der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gewährt, nicht überschreiten. Wer die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise billigt, verherrlicht oder rechtfertigt und dadurch den öffentlichen Frieden stört – insofern ist das kein Meinungsdelikt, Herr Stadler, sondern ein Erfolgsdelikt, wie die Juristen zu sagen pflegen –,
kann sich in Zukunft für sein menschenverachtendes Treiben nicht auch noch auf den Schutz des Grundgesetzes berufen. Das war unser Ziel.
Deshalb muss es neben dem Schutz besonders hervorgehobener Orte des Gedenkens auch einen Schutz vor allen Formen militanter, zynischer und die Würde der Opfer verachtender Verherrlichung des Nationalsozialismus geben. Dies ist zwingend geboten. Diesen bisher nicht hinreichend gegebenen Schutz, der selbstverständlich auch auf das Versammlungsrecht ausstrahlt, soll der neue Straftatbestand in § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch bieten. Wir gehen davon aus – das ist schon mehrfach gesagt worden –, dass die neuen Regelungen auch Orten wie Wunsiedel weiterhelfen, Orten, die sich Radikale und Neonazis buchstäblich zur Beute nehmen, um dadurch auf ihr widerliches Geschäft der Verherrlichung des NS-Regimes aufmerksam zu machen. Ich weiß, wovon ich spreche. Denn die Stadt Schwäbisch Hall in meinem Wahlkreis wird nur deshalb jedes Jahr zum Aufmarschort für dumpfe Parolenschreier, weil sich diese Stadt aus der Sicht der Rechtsradikalen vor einigen Jahren erdreistet hat, die Wehrmachtsausstellung zu zeigen.
Ich meine, dass wir nunmehr im Rahmen des uns verfassungsrechtlich Möglichen unsere rechtlichen Instrumentarien im Versammlungs- und Strafrecht so geschärft haben, dass wir in Zukunft den zynischen Herausforderungen auch rechtlich besser begegnen können.
Trotzdem bleibt die Hauptlast – dies ist gut und richtig so – der politischen Auseinandersetzung überlassen. Es ist Aufgabe von uns allen, die Menschen davon zu überzeugen, dass eine Verherrlichung des NS-Willkürregimes keine, aber auch gar keine Antwort auf die Fragen gibt, die uns heute beschäftigen und bedrängen.
Deshalb appelliere ich in diesem Zusammenhang an uns alle: Auch wenn einige immer wieder einmal versucht sind, den Demokraten die Existenz der Neonazis in die Schuhe zu schieben, war es bislang eine gute Übung, dass sich die demokratischen Parteien die Existenz der Nichtdemokraten und Radikalen nicht gegenseitig zum Vorwurf machen. Wir sollten vielmehr gemeinsam versuchen, diesen Irrsinn mit allen uns zur Verfügung stehenden, verfassungsrechtlich zulässigen Mitteln einzudämmen.
Auch deshalb ist es gut und richtig, dass wir heute die wohl überlegten Ergänzungen des Versammlungs- und Strafrechtes weitgehend gemeinsam verabschieden, also mit den Stimmen der Regierungskoalition und der CDU/CSU-Fraktion. Auch wenn ich Ihre Meinung, Herr Stadler, respektiere – wir kennen uns sehr gut; wir unterstellen uns gegenseitig nichts –, würde es mich natürlich freuen, wenn auch die FDP zustimmen würde. Aber dies können wir von unserer Seite aus nicht erzwingen.
Herzlichen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5051, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU gegen die übrigen Stimmen des Hauses angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5066. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der beiden fraktionslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 17 b. Abstimmung über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5069, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der FDP und der beiden fraktionslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 164. Sitzung – wird am
Montag, den 14. März 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]