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August 5/2003
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Von der schweren Arbeit des Zuhörens

Jens Spahn in einer öffentlichen Anhörung
Jens Spahn in einer öffentlichen Anhörung.

Jens Spahn von der CDU/CSU-Fraktion ist neu im Bundestag und dazu das jüngste Fraktionsmitglied. Er sagt, um es gut zu machen, müsse man sich immer Zeit zum Zuhören und zum Nachdenken nehmen.

Morgens um 7.30 Uhr macht der Abgeordnete Jens Spahn beim Blick auf seinen Terminkalender ein skeptisches Gesicht. Zu viele Veranstaltungen laufen an diesem Tag parallel. Da müssen Entscheidungen getroffen werden. Bleibt die Anhörung der Fraktion zu Kommunalfinanzen auf dem Programm oder die Veranstaltung „Euregio Arbeit“ in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens? Vielleicht erst einmal auf den Vormittag konzentrieren, der verspricht ja auch ausreichend produktiven Stress.

Drei Ausschüsse tagen hintereinander, zum Glück alle im gleichen Haus, so dass die Wege in den kurzen Pausen schnell gelaufen sind. Obwohl – schnell laufen von A nach B scheint kein Problem zu sein für den 23-jährigen Mann aus Ahaus im Westmünsterland. Er ist groß und schlank, sieht trainiert aus und bewegt sich mit nicht unbeträchtlichem Tempo durch die Häuser des Bundestages. Seine Kondition wird ihm an diesem Tag noch gute Dienste leisten. Manchmal hat Jugend Vorteile, die sind fast geschenkt. Nicht in der Arbeit allerdings. Jens Spahn sagt: „Jung sein an sich ist noch kein Qualitätsmerkmal. Wenn ich ernst genommen werden will, erreiche ich das nur durch gute Arbeit.“

Von der schweren Arbeit des Zuhörens
9.00 Uhr: Verteidigungsausschuss.
9.00 Uhr: Jens Spahn in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses 9.00 Uhr: Jens Spahn in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses 9.00 Uhr: Jens Spahn in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses

Jens Spahn ist ordentliches Mitglied im Petitionsausschuss und im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Die Arbeit beginnt mit dem Petitionsausschuss. Der tagt um acht Uhr im Erdgeschoss des Paul-Löbe-Hauses. „Für mich ist dieser Ausschuss eine wichtige Erfahrung. Er hat einen hohen Praxisbezug, man kann eine Menge lernen.“ Wichtigster Tagesordnungspunkt an diesem Morgen ist die Beratung von sieben Petitionen, von denen für vier übereinstimmende Anträge vorliegen. Das heißt, es ist bereits eine Menge Vorarbeit geleistet worden. Zuhören, abstimmen, diskutieren, zuhören, abstimmen – die Arbeit geht zügig voran und nach einer knappen Stunde ist die Liste der Aufgaben für diesen Tag abgearbeitet. Jens Spahn gefällt die Stringenz dieser Arbeit. Er weiß inzwischen allerdings auch, dass viele Sachen weitaus konfliktreicher und aufwendiger debattiert werden. Dann wird Zuhören zur schwersten Arbeit überhaupt, wenn jedes „Für“ seine Logik hat und jedes „Wider“ seine Berechtigung.

Um neun Uhr beginnt der Verteidigungsausschuss seine Arbeit in einem Sitzungssaal in der zweiten Etage des Paul-Löbe-Hauses. Kurz vor neun kommt der Verteidigungsminister, der an diesem Tag geladen ist, Punkt neun schließen sich die Türen des Sitzungssaales. Draußen warten die Journalisten auf Nachrichten, höhere Dienstränge der Bundeswehr rauchen noch eine Zigarette, bevor sie in die Ausschusssitzung gehen. An diesem Morgen wird unter anderem über die Neustrukturierung der Bundeswehr beraten.

Jens Spahn bleibt nur eine halbe Stunde zum Zuhören, dann muss er seine Aufgabe als ordentliches Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung wahrnehmen. In diesen Bereichen sieht der gelernte Bankkaufmann und gewählte Ratsherr von Ahaus sein Hauptbetätigungsfeld: „Ich finde es spannend und wichtig, sich mit den Themen soziale Gerechtigkeit und Generationenausgleich zu befassen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Zukunftsarbeit. Eine extrem komplexe übrigens.“

Von der schweren Arbeit des Zuhörens
9.45 Uhr: Gesundheitsausschuss.
Jens Spahn in einer Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung Jens Spahn in einer Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung Jens Spahn in einer Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung

Jens Spahn schaut auf dem Weg in den Sitzungssaal 2.600 noch einmal auf seinen Terminplan für den Tag. Es stehen weiterhin Paralleluniversen auf dem Zettel, die Prioritäten fordern. Auf jeden Fall wird er heute nicht ins Büro kommen. Zum Glück enthält die blaue Mappe alle wichtigen Papiere für den Tag, ansonsten reist Jens Spahn mit kleinem Gepäck.

Im Gesundheitsausschuss ist alles für eine Konferenzschaltung vorbereitet. Die Welt rückt über große Monitore, die in der Mitte des Raumes hängen, näher. Hauptdiskussionspunkt ist der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. So umständlich diese Formulierung, so kompliziert das Thema. Wieder gilt es, genau zuzuhören und abzuwägen, welchen Schutz Spender und Empfänger künftig haben sollen. Geduldsproben sind das manchmal und immer Lernprozesse. Um 12.07 Uhr ist die Sitzung beendet.

Nach einer Mittagspause im Bundestagsrestaurant, die für Gespräche mit Wirtschaftsvertretern genutzt wird, geht Jens Spahn um 13.23 Uhr in den Fraktionssaal der SPD, wo eine öffentliche Anhörung stattfindet, die der Gesundheitsausschuss veranstaltet. Hauptthema ist die so genannte Positivliste, auf der die Verordnungsfähigkeit von Medikamenten in der vertragsärztlichen Versorgung bescheinigt wird. Welche Arzneimittel künftig erstattet oder nicht erstattet werden, darüber debattieren seit 12.10 Uhr Wissenschaftler, Vertreter der Pharmaindustrie, der Krankenkassen und der Gewerkschaften, Ärzte, Interessenverbände, Abgeordnete aller Fraktionen.

Von der schweren Arbeit des Zuhörens
13.30 Uhr: öffentliche Anhörung im Fraktionssaal der SPD.
Öffentliche Anhörung im Fraktionssaal der SPD Öffentliche Anhörung im Fraktionssaal der SPD Öffentliche Anhörung im Fraktionssaal der SPD

Es klingt wie auf einer wissenschaftlichen Tagung, und man muss genau zuhören und jedes Argument abwägen, um zu eigenen Schlussfolgerungen zu gelangen. Jens Spahn stellt hin und wieder Fragen, macht Notizen, vergleicht das gesprochene Wort mit dem, was er bereits gelesen und im Kopf hat. Manchmal schlagen die Emotionen hoch, gibt es Anklagen und Vorhaltungen, Widerspruch und Gegenangriffe, Fürsprache und Ablehnung. Man kommt in diesen Stunden weiter, aber nicht zu einem Ende.

Jens Spahn hofft, doch noch ins Büro zu kommen, wird aber kurz nach vier Uhr von seinem Mitarbeiter angerufen und gebeten, in den Plenarsaal zu gehen. Auch dort wird heftig debattiert, denn die Opposition fordert die Herbeizitierung des Finanzministers, um zu den Zahlen der jüngsten Steuerschätzung Stellung zu nehmen. Der „Hammelsprung“, eine Form der Auszählung, bei der die Abgeordneten das Plenum verlassen und durch drei Türen (Ja, Nein, Enthaltung) wieder hereintreten, soll darüber entscheiden. Um 16.18 Uhr kommt Jens Spahn in den Plenarsaal, einige Minuten später votiert die Mehrheit gegen einen Hammelsprung. Um 16.50 Uhr verlässt er den Plenarsaal, um im Bundestagsrestaurant mit zwei Teilnehmern der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zu reden. Zwischendurch schafft er es doch noch kurz ins Büro, um das Wichtigste mit seinen Mitarbeitern abzustimmen.

Von der schweren Arbeit des Zuhörens
19.00 Uhr: Landesvertretung Niedersachsen.
Landesvertretung Niedersachsen Landesvertretung Niedersachsen Landesvertretung Niedersachsen

Um 18.08 trifft Jens Spahn in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens ein und hört einer Podiumsdiskussion zum Thema „Neue Wege der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“ zu, die Vertreter grenznaher Regionen in Ost- und Westdeutschland bestreiten. Eine gute Stunde Zeit bleibt dem Parlamentarier, dann macht er sich auf den Weg zur niedersächsischen Landesvertretung, wo der Deutsche Bundesjugendring einen Parlamentarischen Abend veranstaltet. Es geht um ehrenamtliche Jugendarbeit, die gewürdigt und über deren Perspektiven debattiert wird. Jens Spahn ist Kreisvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Borken, er weiß, wie wichtig es ist, junge Menschen zu bürgerschaftlichem Engagement zu ermutigen.

Kurz vor 22 Uhr verlässt er die Landesvertretung. Am nächsten Morgen muss er früh raus, um in den Wahlkreis zu fliegen. Ob er eine nächtliche Politik- und Medienparty mit der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion noch besuchen wird, will er auf dem Weg entscheiden. Er gesteht sich ein, dass dies ein langer und anstrengender Tag war. Vielleicht sollte er zum Abschluss eines solchen Tages einfach nur die Fenster seiner Wohnung in Mitte öffnen und zuhören, wie die Stadt klingt, wenn sie einen harten Tag hinter sich hat.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0305/0305014
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