Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004
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Detlev Lücke

...aufgekehrt


Wer die "Bild-Zeitung" liebt, erfreut sich an den weiblichen Nackedeis, die tagein, tagaus die Frontseite dieser Frontzeitung der Volksseele schmücken. Da verwundert es nicht, wenn der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer die Gelegenheit nutzte, um die Betrachter der Pin-ups in "Bild" daran zu erinnern, dass Sex gefälligst auch mit Kindermachen zu tun haben müsse. Die Kinderarmut in Deutschland sei "auch ein Armutszeugnis für viele Männer". Singhammer nutzte womöglich den nicht gerade "erhebenden" Auftritt von Rudi Völlers Truppe in Portugal, um die Gefahr heraufzubeschwören, "dass deutsche Männer im Ausland als Schlappschänze verspottet werden".

Da regt sich was. Und zwar nicht nur in der Hose, sondern auch Widerspruch. Berechtigt? Das müssen andere entscheiden. Der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Armin Klein hat allerdings bei "Bild" in das selbe Horn gestoßen wie Singhammer und von seinen männlichen deutschen Landsleuten "mehr Mut zum Sex mit Folgen" gefordert. Ob Frauen über dieses "Überraschungsei" genau so glücklich sind, steht auf einem anderen Blatt. "Tina, wat kosten de Kondome?" Klein fügte übrigens noch einen mehr als bildhaften Satz hinzu: "Die Selbstverwirklichung, die bei vielen zum Leben ohne Kinder geführt hat, ist in die Hose gegangen." Das lassen wir jetzt mal unkommentiert so stehn.

Armin Klein hat zwar mit vier Kindern sein Soll erfüllt, aber der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen hat einer Nachrichtenagentur mitgeteilt, dass eine höhere Zahl von Kindern die demographische Entwicklung in diesem, unseren Lande nicht aufhalten könne. "Die Kinder kommen zu spät." In blumiger Sprache setzte er fort, selbst wenn die "Umkehr des Pillenknicks" geschafft werde, sei "das Kind bereits in den Brunnen gefallen".

Was tun, hätte Lenin gefragt. Hatte der eigentlich Kinder? Wir erinnern uns an den Titel "Die Revolution entlässt ihre Kinder". Führt also auch nicht weiter. Apropos Kommunismus. Unverheiratete Paare im deutschen Osten haben deutlich mehr Mut zu Kindern als im Westen der Republik, wie uns das Statistische Bundesamt in Wiesbaden dieser Tage mitteilte. Rund 44 Prozent der Paare ohne Trauschein haben dort Kinder unter 14 Jahren. Ob Klaus von Dohnanyi weiß, dass der Aufbau Ost wenigstens in den Betten klappt? Und das alles ohne Clusterbildung.

In Israel hat gerade eine 64-Jährige einen Jungen bekommen. Sein Zustand wurde von den Ärzten als "gut und stabil" beschrieben. Über den Zustand der Frau im Mutterglück wurde nichts bekannt. Ist sowieso kein Beispiel für Deutschland, denn hier ist die Eizellspende streng verboten. Vielleicht hilft ja "Bildzeitung" lesen beim Produzieren von zukunftsfähigem Nachwuchs. Oder lieber Kinder machen, anstatt zum bunten Blatt zu greifen? Eine rundum sympathische Lösung des Problems. Im Notfall hilft, wie immer in Deutschland, ein Griff zu den Klassikern. In seinem 1829 geschriebenen Gedicht "Vermächtnis" sagt Goethe: "Was fruchtbar ist, allein ist wahr." Ende der Durchsage.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.