Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004
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Bert Schulz

Fast schon zu solide: Noch nicht mal eine Krone besitzt der Herzog

Luxemburg: Das letzte Großherzogtum der Welt

Es war ein Weihnachtsgeschenk der epochalen Art, das Großherzog Jean seinem ältesten Sohn Heiligabend 1999 machte: Nach 35 Jahren als Staatsoberhaupt Luxemburgs kündigte der damals 78-Jährige seinen Rücktritt zu Gunsten von Henri an. Ganz unerwartet kam das nicht. Bereits knapp zwei Jahre zuvor hatte er seinem Nachfolger einen Großteil der Amtsgeschäfte übergeben. Als "Statthalter" konnte sich Henri quasi im Herrschen üben. In Luxemburg - anders als in vielen europäischen Monarchien - muss ein Regent nicht erst sterben, damit ein Generationenwechsel ohne Gesichtsverlust vollzogen werden kann.

Luxemburg ist eine parlamentarische (Erb-)Monarchie, und eine der wenigen, in denen das Volk explizit seine Zustimmung zu dieser Staatsform gegeben hat: 1919 entschieden sich in einem Referendum 77,8 Prozent der Luxemburger gegen eine Republik und für die Monarchie. An dieser hohen Akzeptanz hat sich bis heute nichts geändert: Gegenwärtige Umfragen liefern etwa das gleiche Ergebnis. "Etwas Urdemokratisches" habe die Monarchie, weil sie dem Volk nicht aufgezwungen wurde, begründete dies einmal Jean-Claude Juncker, der Premierminister des Landes. Nicht einmal die Sozialisten und die relativ starken Grünen stören sich noch an ihr.

Die Beliebtheit der großherzoglichen Familie in der Bevölkerung hat mehrere Gründe. So ist ihr Lebensstil auffallend dezent - besonders im Vergleich mit den königlichen Nachbarn in Holland und Belgien, den beiden anderen Benelux-Staaten - und kommt weitgehend ohne die klassischen höfischen Attribute aus. Der Großherzog trägt zwar den Titel "Königliche Hoheit", besitzt aber nicht einmal eine Krone. Und über das großherzogliche Palais "Grand Ducal" spotten manche, Besucher des Landes könnten es mit dem Geschäftssitz der Sparkasse verwechseln, so unspektakulär sei es. Dazu kam, dass der von 1964 bis 2000 herrschende Großherzog Jean mit seiner Familie zurückgezogen in Schloss Berg, 40 Minuten von der Hauptstadt entfernt, lebte und schon aus Tradition keine Interviews gab. Wer in bunten Blättern nach Schlagzeilen über die Luxemburger Royals suchte, wurde kaum fündig. Skandale? Fehlanzeige. Unauffällig bleiben hieß die Devise.

Letzteres gilt auch für die Regentschaft von Henri, allerdings mit Einschränkungen. Mit dem Generationenwechsel hat sich der großherzogliche Stil ganz sanft und vorsichtig verändert. Henri legt deutlich mehr Wert auf Bürgernähe: Er mischt sich zusammen mit seiner Frau Maria Teresa bei zahlreichen Gelegenheiten "unters Volk". Auch arbeitet er enger mit der Presse zusammen: Der Großherzog will seine rund 440.000 Untertanen mehr und besser über die Arbeit des Palastes informieren. Dafür öffnet er für sie und die Presse schon einmal dessen Tore und arbeitet überhaupt stärker mit den Medien zusammen. Selbst Interviews gibt Henri.

Unverändert blieb hingegen sein Arbeitsstil als formelles Staatsoberhaupt des kleinsten EU-Landes: Auch der am 16. April 1955 geborene Katholik beschränkt sich auf seine repräsentativen Aufgaben. In die aktuelle Politik, die der von ihm bestellte Premierminister lenkt, mischt er sich nicht ein - obwohl er dazu laut Verfassung in der Lage wäre. Das Staatsoberhaupt darf Gesetze initiieren und kann sie mit einem Veto blockieren; er könnte das Parlament für einen Monat aussetzen oder es sogar ganz auflösen, etwa im Fall einer gescheiterten Regierungsbildung. Er ist juristisch "unverletzlich", das heißt, er untersteht keiner Gerichtsbarkeit. In der Praxis sind dies jedoch vor allem formale Rechte: Die Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen und die Absprachen der Parteien untereinander legen den Großherzog bei der Ernennung der Regierung fest; seine exekutiven Funktionen beschränken sich in aller Regel auf die Bestätigung und Verkündung der Gesetze. Eine Verweigerung seiner Unterschrift hätte bereits Züge einer Staatskrise. Zwar vertritt der Großherzog sein Land völkerrechtlich; von ihm geschlossene internationale Verträge müssen jedoch vom Parlament ratifiziert werden.

Diese politische Zurückhaltung hat historische Gründe. Erst im Zuge des Wiener Kongresses wurde das lange zwischen mehreren europäischen Mächten hin- und hergeschobene Land zum Großherzogtum erhoben und dem niederländischen Königshaus übereignet. 1867 wurde Luxemburg mit der Auflösung des Deutschen Bundes ein eigenständiger Staat mit einer konstitutionellen Monarchie; die Verfassung aus dem folgenden Jahr, die auch eine immerwährende Neutralität festschrieb, gilt in ihren Grundzügen noch heute. Aber erst 1890 endete die Personalunion mit den Niederlanden. Seitdem ist die Krone erblich in einer katholischen Linie des Hauses Nassau und die Monarchie ein nationales Symbol der Unabhängigkeit.

Den monarchistischen Sündenfall beging kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges, während die Deutschen das Land besetzten, die damalige Großherzogin Marie Adelheid. Wegen ihrer offensichtlichen Sympathien für die Deutschen musste sie auf massiven Druck der Bevölkerung zur Abdankung gezwungen werden; sie ging in ein Kloster. Die souveränen Rechte des Monarchen wurden daraufhin 1919 deutlich beschnitten und das Prinzip der Volkssouveränität in die Verfassung aufgenommen. Seitdem beschränkt sich das Staatsoberhaupt auf seine repräsentativen Aufgaben. Insbesondere Marie Adelheids Nachfolgerin, der Großherzogin Charlotte, gelang dies in überzeugender Weise: Während des Zweiten Weltkrieges - und einer erneuten Besetzung Luxemburgs durch die Deutschen - wurde sie zu einer nationalen Ikone. Ihr Sohn und Nachfolger Jean nahm als Offizier in der britischen Armee an den Invasionskämpfen in Frankreich und Belgien teil. Noch heute trägt der hoch dekorierte Kriegsheld deutliche Züge eines britischen Militärs. Als Lehre aus der zweimaligen Besatzung kündigte Luxemburg seine Neutralität auf und wurde früh Mitglied der NATO.

Henri, der im Oktober 2000 vereidigt wurde und damit offiziell die Nachfolge seines Vater antrat, verkörpert indes eher den Typ eines seriösen und gebildeten Geschäftsmannes - jenes Schlages also, der an einem Finanzplatz von Weltbedeutung, wie es Luxemburg ist, am liebsten gesehen wird. Zwar hat auch er eine Offiziersausbildung in England absolviert - schließlich ist er als Großherzog offiziell Oberbefehlshaber der possierlichen Armee seines Landes. Seit seinem Studium der Politikwissenschaften in Genf Mitte bis Ende der 70er-Jahre und zahlreichen Bildungs- und Informationsreisen über den ganzen Erdball, ist er aber eher in der zivilen Welt zu Hause. Henri spricht fließend Deutsch, Englisch, Französisch und Luxemburgisch (das Moselfränkische hat in Luxemburg den offiziellen Status einer Nationalsprache). Bereits als Erbgroßherzog hatte er eine große Anzahl von Ehrenämtern übernommen. Heute ist der 49-Jährige unter anderem Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und Schirmherr des luxemburgischen UNICEF-Komitees. Seit 1981 ist er mit der Exilkubanerin Maria Teresa Mestre verheiratet, die er während seiner Studienzeit in Genf kennen gelernt hatte. Die Großherzogin ist Sonderbotschafterin der UNESCO. Das Paar hat fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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