Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 04 / 24.01.2005
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Erik Spemann

Stoiber hält am Sparkurs fest

Bayern: Winterklausuren der Landtagsfraktionen
In Bayern spitzt sich der Streit um die Bildung zu. Das Thema beherrschte auch über weite Strecken die Winterklausuren der Landtagsfraktionen, die dazu sehr verschiedene Konzepte auf den Tisch legten. Daneben entwickelten sich unter anderem auch konträre Lösungsansätze in der Energiepolitik. Einhellig positiv bewerteten die drei Lager lediglich das Ergebnis einer Infratest-Umfrage im Auftrag des Bayerischen Rundfunks zur politischen Stimmung in Bayern.

Danach erreichte die CSU bei der Sonntagsfrage 56 Prozent - nur zwei Prozent weniger als im Juli 2004, was Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber als persönliche Bestätigung seines Sparkurses verstand: ab 2006 ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Staatsschulden. Die SPD verbesserte sich um fünf Punkte auf 22 Prozent, was SPD-Fraktionschef Franz Maget mit dem Satz kommentierte: "Wenn man aus dem Keller kommt, ist es schon schön, zumindest wieder auf der Treppe zum ersten Stock zu stehen." Und Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr wertete die zehn Prozent für seine Partei als "hervorragende Ausgangsposition für die nächsten Wahlen".

Im Vorfeld der Klausuren waren massive Elternproteste über Unterrichtsausfälle an den Schulen gestanden sowie ein brieflicher Notruf des Bildungsausschussvorsitzenden Siegfried Schneider (CSU) an den Ministerpräsidenten über die ungenügende Lehrerversorgung. Stoiber reagierte mit einem Zornesausbruch (vor unbemerkt laufender Fernsehkamera), worauf das Kultusministerium einräumte, dass zur Sicherung des Pflichtunterrichts 818 Lehrer fehlten. Nach Angaben der Lehrerverbände fehlten sogar 1.100 Kräfte, vor allem an Gymnasien und Realschulen. Selbst in der CSU sah man das alles als einigermaßen peinlich an, zumal sich die Staatsregierung gern als bildungspolitischer Spitzenreiter mit besten Pisatest-Ergebnissen präsentiert.

Um einerseits den konsequenten Sparkurs nicht zu verlassen, andererseits die Lehrer-Lücke zu schließen, entwickelte Kultusministerin Monika Hohlmeier mit Finanzminister Kurt Faltlhauser und der Staatskanzlei ein Konzept, das die CSU-Fraktion auf ihrer Klausur in Kreuth absegnete. Es sieht ab Herbst 500 neue Lehrer mit Jahresverträgen vor, doch nur 300 davon werden über "frisches Geld" finanziert. 200 Lehrer finanzieren die übrigen Ressorts durch zusätzliche Einsparungen. Und die restlichen 318 sollen sich unter anderem durch Mehrarbeit der Referendare, Abbau von Mini-Klassen, Kürzung so genannter Anrechnungsstunden und womöglich den Einsatz von Beamten ergeben, die in anderen Bereichen wie der Forstverwaltung durch die Verwaltungsreform überflüssig werden. Fraktionschef Maget machte vorsichtshalber schon einmal darauf aufmerksam, dass es sich bei den betroffenen Schulen "nicht um Baumschulen" handle.

Man gehe mit diesem Konzept, das auf Grund seiner "Richtlinienentscheidung" zustandegekommen sei, "in die absolute Offensive", sagte Stoiber bei der Präsentation, es stelle einen "schweren Kraftakt und einen großen solidarischen Beitrag" dar. Dagegen reagierten Lehrer- und Elternverbände enttäuscht und sprachen von einem Tropfen auf den heißen Stein. Vor allem aber die Opposition zerriss das Regierungskonzept. Maget sah darin "reine Augenwischerei", nachdem mit dem Doppelhaushalt 2005/2006 wieder 1200 Lehrer eingespart würden und die Stellenzahl insgesamt zurückgehe. Dagegen forderte die SPD-Fraktion auf ihrer Klausurtagung im schwäbischen Kloster Irsee eine "Bildungsmilliarde" zur nachhaltigen Verbesserung von Unterrichtsversorgung und Unterrichtsqualität (Titel: "Für ein gescheites Bayern"). Maget plädierte für einen "bildungspolitischen Aufbruch", der von der Kinderbetreuung bis zu den Hochschulen reiche.

Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause kritisierte das CSU-Lehrerkonzept als "peinliches Notprogramm" und "Fortsetzung der bisherigen Stümperei". Bause und Dürr schlugen vor, aus dem Verkauf der staatlichen Eon-Anteile die Hälfte des Erlöses von insgesamt zwei Milliarden Euro zur Schuldentilgung herzunehmen und dann mit jährlich rund 50 Millionen Euro gesparten Zinsausgaben bis zu 800 Dauer-Lehrstellen zu finanzieren.

Opposition gegen Studiengebühren

Heiß diskutiert wurde bei den Klausuren auch über die Hochschulpolitik. Die CSU-Fraktion beschloss ein von der Staatsregierung initiiertes "Innovationsbündnis Hochschule 2008", das Stoiber als "einen der wichtigsten Meilensteine in der bayerischen Bildungs- und Hochschulpolitik in dieser Legislaturperiode", als "landespolitisches Glanzlicht" und "Quantensprung" pries. Im Mittelpunkt steht die finanzielle Planungssicherheit der Hochschulen, deren Etat bis 2008 trotz Sparkurs nicht unter das Niveau von 2004 fallen soll. Zusätzlich rechnet die Staatsregierung mit jährlichen Mehreinnahmen für die Hochschulen in Höhe von 250 Millionen Euro, wenn das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für Studiengebühren gibt.

Studiengebühren freilich lehnt die Opposition vehement ab. Maget bezeichnete den freien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen als ein "hohes Gut, an dem wir festhalten wollen". Allein der Abschreckungseffekt der bisherigen Kosten eines Studiums treffe schon heute eine immer breitere Bevölkerungsschicht, der Anteil der Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen liege mit fallender Tendenz bei 13 Prozent. Die Grünen-Hochschulpolitikerin Ulrike Gote nannte das Hochschulbündnis einen "großen Bluff" und "Quantensprung, bei dem man auf einem niedrigeren Niveau landet", weil der Ausgangspunkt 2004 den Hochschulen bereits eine fünfprozentige Etat-Kürzung gebracht habe. Bei den Hochschulen habe Bayern den Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen.

Ebenso wenig wollte sich die Opposition mit dem bei der CSU-Klausur unternommenen Vorstoß anfreunden, den dort als verhängnisvoll bezeichneten Ausstieg aus der Kernenergie zu revidieren. Die CSU sei mit dieser Auffassung "auf dem Holzweg zurück zur atomaren Vergangenheit", urteilte Maget. Bause kritisierte, mit solchen Beschlüssen verbreite man Unsicherheit in der Wirtschaft für künftige Investitionen und behindere eine Entwicklung, die weg von der Abhängigkeit von Öl und Uran führen müsse.

CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann räumte bei seiner Schlussbetrachtung der Klausuren die Bedenken der Opposition zur Seite. Energieversorgung müsse preiswert bleiben, damit Arbeitsplätze im harten Konkurrenzkampf nicht weiter in andere Länder abwanderten, außerdem dürfe die Umwelt durch neue Kohle- oder Gaskraftwerke nicht weiter belastet werden. Er halte das Abschalten von sicher arbeitenden und funktionsfähigen Kernkraftwerken für "schlichtweg dumm".

Herrmann kreidete es der Opposition auch an, höhere Ausgaben für die Bildung zu fordern und gleichzeitig gegen Kürzungen in fast allen anderen Bereichen zu sein. Die CSU wolle der Bildung Priorität einräumen, "aber das muss mit der heutigen Finanzkraft finanziert werden". Deshalb müsse woanders gespart werden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.