Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 08 / 21.02.2005
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Götz Hausding

Europäische Verfassung soll schnell ratifiziert werden

Fischer und Teufel sehen Einigungsmöglichkeiten
Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) hat vor dem Bundesrat in der Sitzung am Freitag eine schnelle Ratifizierung der EU-Verfassung gefordert. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2005 solle der Verfassungsvertrag die Zustimmung von Bundestag als auch vom Bundesrat erhalten. Die Bundesregierung, so Fischer, wolle mit der zügigen Verabschiedung "ein Zeichen setzen". Ebenfalls lobende Worte für den Vertragsentwurf fanden sowohl der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), als auch sein baden-württembergischer Amtkollege Erwin Teufel (CDU).

"Die Länder sind an einer schnellen Ratifizierung interessiert," sagte Teufel, verlangte allerdings im Namen der unionsregierten Länder Nachbesserungen, um ein für alle Seiten befriedigendes Ergebnis zu erzielen.

Der vorliegende Vertrag über eine Verfassung für Europa begründet die Europäische Union und verleiht ihr eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die Verfassung soll die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union insgesamt erhöhen. Dazu werden die Zuständigkeiten zwischen Union und Mitgliedstaaten konkreter als bisher abgegrenzt und weitere Bereiche für Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit geöffnet. Auch die Mitwirkungsrechte der Länder und Regionen werden mit der Europäischen Verfassung deutlich gestärkt. Besonders wichtig aus Ländersicht sind die dem Vertrag beigefügten Protokolle über die Rolle der nationalen Parlamente und über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Danach können die nationalen Parlamente im Rahmen eines so genannten Frühwarnsystems innerhalb von sechs Wochen ihre Bedenken gegen einen europäischen Gesetzentwurf vorbringen, falls dieser gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Sie erhalten außerdem ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof bei Subsidiaritätsverstößen. Entwürfe von europäischen Gesetzgebungsakten werden zukünftig unmittelbar den nationalen Parlamenten zugeleitet.

Ministerpräsident Erwin Teufel bezeichnete die neue Verfassung als "einen wichtigen Schritt nach vorn". Er habe sich als gewählter Vertreter des Bundesrates im europäischen Konvent immer wieder für eine klare Kompetenzabgrenzung, die Einhaltung des Subsidaritätsgrundsatzes und eine Einflussnahmemöglichkeit der Regionen eingesetzt. Vieles davon habe man erreicht. Die Verfassung enthalte alle wesentlichen Elemente eines modernen Staatenverbundes. Besonders wichtig sei die Stärkung des Europäischen Parlamentes, es sei nun gleichgestellt mit dem Europäischen Rat. Neben der Schaffung eines Ausschusses der Regionen sei man insbesondere über das Klagerecht des Bundesrates bei Subsidaritäts- oder Kompetenzverstößen froh. Dies sei, so Teufel, möglich geworden, durch die Fürsprache von Außenminister Fischer, dem ausdrücklicher Dank gebühre. "Wenn Sie sich weiter so kooperativ zeigen", sagte der Ministerpräsident, "werden die Verhandlungen zwischen Bundesrat und Bundesregierung bald zu einen befriedigenden Ergebnis kommen." Damit zielte er auf eine Länderforderung ab, nach der die Länder bereits beim Zustandekommen konkreter EU-Initiativen Mitspracherechte haben wollen. Außerdem solle die Bundesregierung sich bei Abstimmungen auf EU-Ebene nicht enthalten dürfen in Fragen, die der Bundesrat bereits abgelehnt habe. Mit dem Ratifizierungsprozess sei ein weiterer Schritt von historischer Dimension eingeleitet worden, sagte Ministerpräsident Kurt Beck. Wer, so fragte er, hätte zum Kriegsende vor 60 Jahren damit gerechnet, dass im Jahre 2005 ein vereintes Europa, in dem Ost und West gemeinsam miteinander leben, existieren werde? Dank, Respekt und Anerkennung gebühre allen, die an diesem Werk mitgewirkt haben, insbesondere von deutscher Seite Außenminister Fischer und Länderkammervertreter Teufel. Nun gelte es, die Vorlagen mit Leben zu füllen. In der europäischen Außenpolitik müsse in Zukunft mit einer Stimme gesprochen werden, forderte Beck und begrüßte gleichzeitig die Aufwertung des Europäischen Parlaments. Dass die föderalen Strukturen Deutschlands integraler Bestandteil der europäischen Entwicklung seien, zeige sich auch bei der Einräumung der Klagerechte bei Subsidaritäts- und Kompetenzverstößen. Beck gab jedoch zu bedenken, dass man sich bei der durchaus nötigen Kompetenzabgrenzung nicht in Kompetenzstreitigkeiten verlieren dürfe. In der Frage der Mitspracherechte der Länderkammer widersprach er dem baden-württembergischen Kollegen. Deutschland werde auf EU-Ebene durch die Bundesregierung vertreten, dabei müssten die Belange der Länder ernst genommen werden, indem man sie anhört. Es dürfe allerdings kein "permanentes Gezänk" ausbrechen, erklärte Beck.

Auch Joschka Fischer stellte zu Beginn seiner Rede einen historischen Bezug zum Ende des Zweiten Weltkrieges dar. Man danke den Amerikanern dafür, Deutschland nicht allein gelassen zu haben nach Kriegsende. Amerikanische Sicherheitsgarantien und die deutsch-französische Aussöhnung hätten die Integration Deutschlands in Europa erst möglich gemacht. Nun sei die EU dabei, ein Garant für Stabilität und Sicherheit zu werden. Einen wichtigen weiteren Schritt auf diesem Wege stelle die neue Verfassung dar. Durch sie habe man Einigungen erreicht, die in den vielen Regierungskonferenzen vorher nicht möglich waren. Fischer dankte ebenfalls Erwin Teufel für seine Mitarbeit. Die Länder hätten die Verfassungsbildung konstruktiv begleitet und gestaltet, lobte er. Die Einarbeitung einer Subsidaritätskontrolle sei gut, es käme jedoch immer auf die Ausgestaltung an. Das Klagerecht dürfe immer nur als letztes Mittel dienen. Fischer betonte die große Bedeutung des zukünftigen europäischen Außenministers wie auch des ständigen Ratsvorsitzenden. Im Vergleich zu dem derzeit rotierenden Vorsitz werde ein ständiger Repräsentant von außen stärker wahrgenommen. Auf die Bedenken der unionsgeführten Länder eingehend, sicherte Fischer zu, die Bundesregierung werde die Belange der Länder sehr ernst nehmen und berücksichtigen. Eine Vorfestlegung durch den Bundesrat sei jedoch nicht sinnvoll. Trotz dieser Differenzen, so schloss er, gebe es gute Chancen auf Einigung vor der Sommerpause.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.