Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 20 / 17.05.2005
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Interview mit René van der Linden
Mit der Europäischen Verfassung begibt sich die Union auf das ureigene Feld der Zuständigkeiten des Europarates. Kritiker beanstanden, dass in beiden Institutionen kostspielige Doppelarbeit geleistet wird. Vom 16. bis 17. Mai beraten die 46 Mitgliedsstaaten des Europarates in Warschau über seine künftige Rolle. Aus diesem Anlass sprach unser Korrespondent mit dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, René van der Linden, über dessen Erwartungen für die Zukunft.

Das Parlament: Herr Präsident, bleibt bei realistischer Betrachtungsweise nach Annahme der EU-Verfassung überhaupt noch Platz für eigene Aktivitäten des Europarats?

Van der Linden: Mehr als 20 Mitgliedstaaten des Europarates sind nicht in der EU. Ohne den Europarat und das Netzwerk der von ihm geschaffenen Konventionen würden in Europa neue und schärfere Trennlinien entstehen. Deshalb gäbe es beispielsweise keinen besseren Platz als den Europarat, um hier die geplante "Gute Nachbarschaftspolitik" der EU voranzubringen und umzusetzen.

Das Parlament: Welche Auswirkungen für den Europarat sehen Sie konkret mit der Verfassung der Europäischen Union verbunden?

Van der Linden: Die EU wird durch die Verfassung auch zu einer Wertegemeinschaft, die wesentlich durch die Normen des Europarats geprägt ist. Das ist ein klarer europäischer Mehrwert. Außerdem wird die EU zur Rechtspersönlichkeit und kann damit auch der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen Europaratskonventionen beitreten und an ihnen mitarbeiten. Doch ich sehe auch Gefahren. Die EU kann sich weiterhin mit viel Geld auf Gebiete begeben, die wir in Straßburg besser und billiger machen.

Das Parlament: Meinen Sie damit die im Verfassungsvertrag vorgesehene Errichtung einer Menschenrechtsagentur und eines Antifolterausschusses? Könnte durch die Doppelgleisigkeit sogar die Gefahr einer Schwächung der Menschen- und Grundrechte erfolgen?

Van der Linden: Das wäre bestimmt der Fall. Nehmen Sie das äußerst effektiv arbeitende Antifolterkomitee des Europarats mit seinen unangemeldeten Besuchen in Gefängnissen in allen 46 Ländern des Europarats. Wenn man dieses Institution bereits für ganz Europa hat, sollte es doch selbstverständlich sein, dass die EU dies nutzt.

Das Parlament: Aber müsste der Europarat im Sinne einer Arbeitsteilung nicht auch Felder aufgeben, wo er weniger Kompetenz hat?

Van der Linden: Ich bin sehr für eine Beschränkung unserer Arbeit auf die Kerngebiete. Agrarpolitik gehört beispielsweise sicher nicht dazu. Wir sollten nur das machen, was wir besser und effizienter machen. Das ist wie im Wettbewerb in der Wirtschaft. Und wenn man nicht klar sagen kann, was der bei einer Sache besonders gut machen kann, dann soll er das halt nicht machen. In diesem Sinne hat er seine Arbeit schon von 14 auf zehn Ausschüsse eingeschränkt.


Das Interview führte Hartmut Hausmann


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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