Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 25.07.2005
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Erik Spemann

Es gibt mehr Bewerber als Plätze

Privatschulen sind sehr gefragt
Sie stehen für gewöhnlich im Schatten des öffentlichen Schulwesens, doch sorgen sie oft für Glanzlichter im Einheitsgrau: Die Privatschulen machen bundesweit einen Anteil von sechs Prozent aus. Das entspricht jedoch keinesfalls der tatsächlichen Nachfrage, die bereits vor dem großen Bildungs-Wettlauf seit der ersten PISA-Studie sehr rege war. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Privatschulen ergeben Elternbefragungen einen gewünschten Anteil von 16 bis 20 Prozent. Hieraus leitet Verbandssprecher Bernhard Marohn die politische Forderung ab: "Sorgt dafür, dass mehr Privatschulen gegründet werden können, um dem Elternwillen zu entsprechen."

Die Gründe der Eltern für den Privatschul-Wunsch sind vielfältiger Natur. Der Bundesverband nennt vor allem folgende: "Man weiß genau, worauf man sich einlässt - einerseits auf welche Ausbildungsrichtung, andererseits auf welche Erziehungsrichtung", sagt Marohn. Gerade auch letztere wünschten sich viele Eltern im Einklang mit den eigenen Vorstellungen. Auch könnten Kinder entsprechend ihren Begabungsrichtungen besonders gefördert werden. Weiter werden Privatschulen wegen ihres häufigen Ganztagsangebots - etwa in jeder zweiten Einrichtung - bevorzugt. Der Staat habe auf diesem Feld noch viel zu wenig zu bieten, so der Verband.

Andere entschieden sich für die Privatschule, weil dort individuell auf die Schüler eingegangen werde: "Jeder Lehrer kennt jeden Schüler, auch von anderen Klassen, mit Namen", stellt der Sprecher fest. Dies habe unter anderem den Nebeneffekt, dass es an solchen Einrichtungen wesentlich weniger Vandalismus als in öffentlichen Schulen gebe. Daneben gilt die größere Internationalität der Privatschule als attraktiv. Vor allem aus angelsächsischen oder romanischen Ländern zugezogene Eltern schicken ihre Kinder bevorzugt in Privatschulen. Das ist kein Wunder, denn anderswo sind diese Einrichtungen bedeutend mehr verbreitet als in Deutschland. Etwas sehnsüchtig blickt der Bundesverband beispielsweise auf Belgien, Spanien oder Frankreich, wo über 60 beziehungsweise 30 und 18 Prozent der Schulen von privaten Trägern geführt werden.

Bayern ist üppig ausgestattet

Solche Zahlen hängen natürlich eng mit der Förderung zusammen, die in Deutschland gewöhnlich nur 50 bis 60 Prozent jener Kosten beträgt, die pro Schüler an einer staatlichen Schule anfallen. In den Niederlanden bekommen dagegen staatliche wie private Einrichtungen gleichermaßen Mittel zugewiesen. Verbands-Sprecher Marohn: "Dort denkt man, es kann uns egal sein, wem wir das Geld für eine Schule geben." Dabei sei die private Schule gegenüber der öffentlichen die billigere, weil dort für gewöhnlich auch nachhaltiger gewirtschaftet werde.

Mit einem Privatschul-Anteil von 11,7 Prozent ist Bayern, gemessen am Bundesdurchschnitt von sechs Prozent, noch üppig ausgestattet. Allein in München haben 130 private Schulen ihren Sitz, manche als Traditionseinrichtungen bereits seit 100 Jahren. Und die Anfragen nehmen nach Angaben des Landesverbands Bayern im Bundesverband Deutscher Privatschulen zu. Insgesamt gibt es 1.111 private Schulen im Freistaat, jeweils etwa zur Hälfte allgemeinbildende und berufliche - von der Grundschule bis zum Gymnasium, von der Berufsfachschule bis zur Fachakademie verschiedener Richtungen. Auch hier ist die Nachfrage größer als die Zahl freier Plätze.

Bei der Finanzierung drückt sich die politische Wertschätzung auch in Bayern mit einem Fördersatz von 50 bis 60 Prozent der Mittel aus, die die öffentliche Hand für Schüler an ihren öffentlichen Schulen aufwendet. "Unser Wunsch wären 80 Prozent", sagt der Geschäftsführer des Landesverbands, Bernd Dietrich. Schließlich würden der Staat wie auch die Sachaufwandsträger, also Landkreise und kreisfreie Gemeinden und Städte, massiv entlastet.

Wegen der wenig üppig fließenden Kostenerstattung sind die Privatschulen gezwungen, Schulgeld zu verlangen. Die Spanne gibt Dietrich mit 50 bis 100 Euro im Monat an, für einen Ganztagsplatz zum Beispiel in München zwischen 400 und 600 Euro, für Internatsplätze bis zu 1.000 Euro. Hohe Hürden gibt es für die Gründung neuer Privatschulen: Die staatlichen Betriebszuschüsse für Gymnasien sprudeln erst sieben Jahre nach einer Gründung, andere Schularten müssen zwischen vier und sechs Jahre warten. Trotz aller Schwierigkeiten entstanden 2004 noch mehr als 40 neue Privatschulen in Bayern. Auf längere Sicht rechnet Dietrich mit einem moderaten Wachstum und ist optimistisch, dass der Freistaat einen Privatschulanteil von 15 bis 18 Prozent erreichen wird.

Eine besondere Rolle spielen nicht zuletzt im Süden der Republik die Privatschulen unter kirchlicher Trägerschaft. So betreut das "Katholische Schulwerk in Bayern" von rund 300 allgemein- und berufsbildenden katholischen Einrichtungen 170, darunter 69 Realschulen, die von 20 Prozent aller bayerischen Realschüler besucht werden. In den 42 Gymnasien unter katholischer Trägerschaft werden rund 8,5 Prozent aller Gymnasiasten betreut. Allein bei diesen beiden Schultypen zählt Schulwerksdirektor Andreas Hatzung 70.000 Schüler.

Seit zehn Jahren beobachtet Hatzung einen kontinuierlich anwachsenden Zulauf. Wunschlos glücklich ist er angesichts dieses Booms aber nicht: Probleme bereiten die Finanzierung und die Versorgung mit Lehrkräften. Der Lehrermangel vor allem in Mathematik, Physik, Latein, Sport, Kunst und Musik rührt vor allem von Unterschieden in der Besoldung her. So zahlen die kirchlichen Träger zwar eine gleich hohe Vergütung wie Staat oder Kommunen. Als Angestellte haben die Lehrer aber auf Grund des Sozialversicherungssystems netto weniger in der Lohntüte als vergleichbare Beamte.

Eltern wünschen Neugründungen

Weitaus mehr Bewerber als Plätze kennzeichnen auch die Situation an den rund 130 evangelischen Schulen in Bayern. Zwischen 50 und 100 Prozent der Interessenten müssen abgewiesen werden. Der pädagogische Referent der Evangelischen Schulstiftung in Bayern, Rüdeger Baron, schildert als Beispiel die Situation am Stiftungssitz Nürnberg, wo die Wilhelm-Löhe-Schule als kooperative Gesamtschule mit Grund-, Haupt- und Realschule, Gymnasium und Fachoberschule von rund 1.800 Schülern besucht wird: "So etwas könnten wir gleich noch einmal daneben setzen." Besonders im Grund- und Hauptschulbereich wünschten die Eltern seit 15 Jahren Neugründungen.

Dank der Kirchenverträge können sich kirchliche Grund- und Hauptschulen einer vergleichsweise großzügigen staatlichen Förderung von annähernd 100 Prozent erfreuen. Bei Realschulen und Gymnasien sind es zwischen 60 und 70 Prozent der Betriebskosten. Muss neu gebaut werden, deckt der Staat nur 30 bis 40 Prozent der Kosten. Und für eine besonders aufwändige Spezialität, eine Ganztagsrealschule mit sozialpädagogischer Betreuung, gibt es so gut wie gar keine staatlichen Zuschüsse. Den großen Zulauf erklärt sich Baron nicht nur mit einer am Kind orientierten Pädagogik mit besonderen Programmen. Bei vielen Eltern beobachtet die Stiftung auch eine Besinnung auf Werte und eine christliche Erziehung, wie sie öffentliche Schulen nicht bieten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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