Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 46 / 14.11.2005
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Bernard Bode

Auf der Zielgeraden

Parteiführungen von CDU, CSU und SPD einigen sich auf Große Koalition / Von Günter Pursch

CDU, CSU und SPD wollen im Bund in den nächsten vier Jahren gemeinsam regieren. Nach knapp achtwöchigen Verhandlungen einigten sich die Parteiführungen am 11. November in Berlin darauf, die zweite Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einzugehen. Die erste Große Koalition - die Regierung Kiesinger/Brandt - regierte von 1966 bis 1969. Die drei beteiligten Parteien müssen dem ausgehandelten Koalitionsvertrag am 14. November noch auf getrennten Parteitagen zustimmen. "Das Parlament" wird darüber in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten.


Die CDU-Vorsitzende und designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel und der künftige Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) bestätigten vor Journalisten in Berlin, dass der Koalitionsvertrag zwischen den drei Parteien steht. Der SPD-Politiker zeigte sich überzeugt, dass seine Partei dem Kompromiss auf dem Parteitag zustimmen wird. Der Abschluss der Verhandlungen sei eine "Freude", erklärte die CDU-Vorsitzende. Der Vertrag werde Grundlage für weitere erfolgreiche Reformen in Deutschland sein. Dies könne eine "Koalition der neuen Möglichkeiten" werden. In manchen Bereichen seien Positionen des jeweiligen Partners eins zu eins übernommen worden. Der Vertrag biete auch die Möglichkeit für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Ländern.

Vereinbart wurden nach Angaben des designierten Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) unter anderem ein 25 Milliarden Euro teures Investitionsprogramm, um Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Für einen solchen Zukunftsfonds soll der Bund Vermögen - wie zum Beispiel Immobilien - zur Verfügung stellen, damit der Fonds selbst Einnahmen verwalten kann. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass notfalls die Goldreserven dafür angetastet werden müssen. Für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur soll jährlich eine Milliarde Euro aufgewendet werden. Die vorgesehene Anhebung der Mehrwertsteuer um drei auf 19 Prozentpunkte verteidigte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Diese sei richtig, weil es auch darum gehe, zu sehen, wie man das 25-Miliarden-Programm zur Belebung der Wirtschaft gegenfinanzieren kann. Trotz Bedenken hielt auch der SPD-Finanzexperte Joachim Poß eine Mehrwehrtsteuererhöhung für unvermeidbar. Eine Anhebung von drei Punkten sei aber "etwas happig".

Die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IV sollen nach dem Willen von Union und SPD deutlich abgesenkt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass unverheirate, volljährige Kinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden. Ausländer aus der EU, die vorher nicht in Deutschland gearbeitet haben, sollen keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld II besitzen. Auch die Definition eheähnlicher Partnerschaften wird auf den Prüfstand gestellt. Weiterhin soll Bürokratie abgebaut werden. Eine Pkw-Maut ist nicht vorgesehen. Bei den Subventionen einigte man sich unter anderem auf die Reduzierung der Pendlerpauschale und die Streichung der Eigenheimzulage.

Ein Elterngeld in Höhe von maximal 1.800 Euro für ein Jahr an Mütter oder Väter ist von 2008 an vereinbart. Das Studenten-BAFöG in der bisherigen Form soll bleiben. Es sind immer noch große Meinungsunterscheide zwischen Union und SPD bei der Umgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden. Eine grundlegende Reform hierzu soll bereits im kommenden Jahr erarbeitet werden. Damit wurde die Entscheidung über eine Gesundheitsprämie nach den Vorstellungen der Union oder über die Bürgerversicherung - einer Forderung der SPD - zunächst aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

Heftig umstritten war bis zuletzt die von der SPD verlangte "Reichensteuer". Hier verständigte man sich darauf, bei Jahreseinkommen ab 250.000 Euro bei Alleinstehenden und 500.000 Euro bei Verheirateten einen Steuerzuschlag in Höhe von drei Prozentpunkten zu erheben. Personengesellschaften sind davon ausgeschlossen. Für die von der Union geforderten betrieblichen Bündnisse für Arbeit konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Am rot-grünen Atomausstieg bis 2021 wird nicht gerüttelt, die bestehenden Verträge mit der Wirschaft werden eingehalten.

Nach der Zustimmung durch die Parteitage ist die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages für den 18. November in Berlin vorgesehen. Die Kanzlerwahl soll am 22. November stattfinden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.