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Juni 01/1998
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NS-Unrechtsurteile per Gesetz aufgehoben

(re) Der Bundestag hat alle noch bestehenden Unrechtsurteile aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland und die Entscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte per Gesetz aufgehoben. Mit breiter Mehrheit hat das Plenum am 28. Mai einer Gesetzesformulierung zugestimmt, für die am Tag zuvor der Rechtsausschuß in einer Beschlußempfehlung (13/10848) votiert hatte. Er hatte dazu Entwürfe der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und F.D.P. und der Regierung (13/10013, 13/10284, 13/10708), der SPD-Fraktion (13/9774), der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (13/9747) sowie des Bundesrates (13/6900, 13/10484) zugrunde gelegt.

Generalklausel

Mit dem Gesetz werden alle strafgerichtlichen Entscheidungen erfaßt, die - so die Generalklausel - "unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind".
Die den Entscheidungen zugrundeliegenden Verfahren werden eingestellt. Im einzelnen genannt werden Urteile des Volksgerichtshofes, Entscheidungen von Standgerichten, die nach dem 15. Februar 1945 gebildet wurden, sowie Entscheidungen aufgrund von insgesamt 59 Gesetzen und Verordnungen aus der Zeit zwischen dem 24. März 1933 und dem 24. Februar 1945.
Der Rechtsausschuß hatte ausdrücklich festgestellt, daß das Gesetz auch für Verurteilungen wegen "Kriegsdienstverweigerung", "Fahnenflucht" und "Wehrkraftzersetzung" gelte. Die Generalklausel erstrecke sich auch auf Urteile gegen Homosexuelle, die auf eine menschenrechtswidrige Verfolgung und Beseitigung der Homosexuellen abzielten.
In Gesprächen zwischen den Berichterstattern im Rechtsausschuß war im Hinblick auf sogenannte Mischfälle eine Regelung gefunden worden, nach der es zu einer pauschalen Aufhebung durch Gesetz grundsätzlich nur bei solchen Urteilen kommt, die eindeutig auf NS-Unrecht beruhen. Ein Urteil soll aufgehoben werden, wenn spezifisch nationalsozialistisches Unrecht im Vordergrund der Entscheidung stand. Bei Zweifeln soll die für den Betroffenen günstigere Auslegung herangezogen werden.
Die Staatsanwaltschaft stellt auf Antrag fest, ob ein Urteil aufgehoben ist. Antragsberechtigt sind Verurteilte beziehungsweise nach deren Tod nahe Verwandte. Sind die Antragsberechtigen verstorben oder ist ihr Aufenthaltsort unbekannt, hat die Staatsanwaltschaft, wenn ein berechtiges Interesse vorgebracht wird, von Amts wegen die Feststellung über die Urteilsaufhebung zu treffen.
Eine weitere Regelung bezieht sich auf die Frage, welche Staatsanwaltschaft zuständig ist, auch für die Fälle, bei denen es keine deutsche Gerichtsbarkeit gibt.

Anträge abgelehnt

Die Bündnisgrünen hatten wie auch schon bei den Beratungen im Rechtsausschuß zur Abstimmung im Plenum Änderungsanträge (13/10849, 13/10863, 13/10864, 13/865) vorgelegt, die jedoch keine Mehrheit fanden. Sie sprachen sich dafür aus, die Verurteilung von Homosexuellen ausdrücklich im Gesetz zu berücksichtigen, wollten, daß die NS-Vorschriften "als Unrecht von Anfang an" bestimmt werden und sprachen sich für die Aufnahme einer Regelung über die Entschädigung von Opfern aus.
Abgelehnt hat das Plenum der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses folgend auch den Antrag der Bündnisgrünen zur Unrechtserklärung des nationalsozialistischen Paragraphen 175 StGB sowie zur Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung für die schwulen Opfer des NS-Regimes (13/1496).
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801021b
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