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Juni 01/1998
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Einzelner ist kein "passives Opfer"

(in) Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen sind eine Antwort auf die Folgen gesellschaftlicher Veränderungen. Dies stellte die Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" in ihrem Abschlußbericht fest. In der Hinwendung zu diesen Gruppen suchten die Menschen Halt und Orientierung in Form alternativer Lebenswelten. Daraus könnten für den einzelnen und sein soziales Umfeld erhebliche Konflikte entstehen. Allerdings habe die Arbeit der Enqute-Kommission ergeben, nur ein Teil der Gruppen sei konfliktträchtig. Daher könnten verallgemeinernde Aussagen über das gesamte Spektrum neuer religiöser und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen nicht getroffen werden. Als Konsequenz hat sich die Kommission eigenen Angaben zufolge entschlossen, den pauschalen und damit auch stigmatisierenden Begriff der "Sekte" nicht mehr zu verwenden.
Als wesentliches Ergebnis ist laut Bericht festzuhalten, daß der Einzelne kein "passives Opfer" ist, sondern aktiv den Verlauf seiner Mitgliedschaft gestaltet. Dieser Aspekt sei, so die Kommission, in der öffentlichen Diskussion bislang zu wenig berücksichtigt worden. Allerdings entlasse dieses Ergebnis den Staat nicht aus seiner Verantwortung. Er müsse auch weiterhin eingreifen, wenn Gesetze verletzt werden, gegen Grundrechte verstoßen wird oder gar unter dem Deckmantel der Religiosität strafbare Handlungen begangen werden.
Der Staat ist nach Auffassung der Kommission zu flankierender Hilfe aufgefordert. Er müsse den Einzelnen durch Information und Aufklärung unterstützen, sich in einer unübersichtlich gewordenen Welt zurecht zu finden. Die Spannweite staatlichen Handelns im Umgang mit religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen solle sich somit zwischen Aufklärung und Information auf der einen und konkreten gesetzlichen Maßnahmen auf der anderen Seite bewegen.
Die Kommission fordert vor diesem Hintergrund die Einrichtung einer Bundesstiftung, welche die unterschiedlichen Aspekte im Umgang mit diesen Gruppen bündeln soll. Außerdem solle eine gesetzliche Regelung für die staatliche Förderung privater Beratungs- und Informationsstellen eingeführt werden. Nicht zu letzt setzt sich die Kommission für eine verstärkte nationale und internationale Zusammenarbeit ein, auch um die erheblichen Forschungsdefizite in diesem Bereich zu schließen.
Hinsichtlich der Scientology-Organisation weist die Kommission in ihrem Bericht darauf hin, sie sei nach der neuen Auffassung des Gremiums keine religiöse Gemeinschaft sondern eine "politisch-extremistische Bestrebung". Daher solle ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz fortgesetzt werden. Eine Verfassungsänderung für den Umgang mit diesen Gruppen hält die Kommission demgegenüber für völlig verzichtbar. Die im Bericht aufgezeigten Möglichkeiten zur Schließung von Gesetzeslücken sowie die notwendige Information und Aufklärung stellten einen angemessenen Rahmen dar. Dazu gehöre allerdings auch eine Toleranz der Gesellschaft gegenüber unproblematischen Gruppierungen. Die Verantwortung für eine angemessene Auseinandersetzung mit diesem Phänomen liege nicht allein beim Staat, sondern bei allen Teilen der Gesellschaft.
Von einer Pressemitteilung, die am 28. Mai veröffentlicht worden war, distanzierte sich die Enquete-Kommission. Die Erklärung verkenne und ignoriere den Auftrag, die tatsächlich geleistete Arbeit sowie die Vorgehensweise des Gremiums, erklärt die Kommission. Bewußt oder unbewußt hätten die Autoren ohne Kenntnis des Abschlußberichts nahezu ausschließlich Falschinformationen und Fehlinterpretationen verbreitet. Die intellektuelle Redlichkeit hätte es erfordert, daß die Autoren den Bericht der Kommission abgewartet hätten. Nur auf dieser Grundlage hätte ein sachkungiger Kommentar abgegeben werden können.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801028c
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