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Juni 01/1998
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R. Schlauch

Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen

Keine Gen-Datei ohne Gesetz

"Ein Gen-Massentest ist weder kriminalistisch noch politisch ohne eindeutige Rechtsgrundlage hinnehmbar."

Der Mordfall an der elfjährigen Christina im niedersächsischen Cloppenburg hat zweierlei gezeigt: Eine Gendatei, in der die Daten von Sexual- und schweren Gewaltverbrechern erfaßt sind, kann helfen, ein Verbrechen in Zukunft zu verhindern. Aber: Der Gen-Massentest in dieser Größenordnung war kriminalistisch nicht notwendig. Wäre die Vorbelastung des mutmaßlichen Täters korrekt polizeilich erfaßt worden, könnten möglicherweise zwei Mädchen noch leben.
Kein vernünftiger Mensch kann etwas dagegen haben, wenn durch neuartige technische Möglichkeiten Täter zweifelsfrei überführt werden können und wenn potentielle Rückfalltäter wissen, daß sie im Falle einer neuen Straftat schnell überführt werden können.
Seit 30 Jahren ist die Zahl der Sexualmorde mit etwa zehn Fällen pro Jahr ziemlich konstant. Für diese Fälle ist eine Gen-Datei hilfreich. Es macht aber gar keinen Sinn, gleich jeden Einbrecher oder riesige Bevölkerungsgruppen in solchen Dateien zu speichern. Mit den Gen-Dateien werden höchst sensible Daten von Menschen gespeichert, deren Informationsgehalt weit über den normalen Fingerabdruck hinausreicht.
Deshalb muß die Politik sensibel die konkurrierenden Rechtsgüter, das Recht auf informelle Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit abwägen und die Rahmenbedingungen setzen. Der eilig vorgelegte Errichtungserlaß von Bundesinnenminister Manfred Kanther genügt rechtsstaatlichen Kriterien überhaupt nicht. Wieder einmal zeigt sich, daß Kriminalpolitik nicht mit heißer Nadel unter dem Eindruck aktueller Ereignisse gestrickt werden kann.
Eine gesetzliche Grundlage muß unserer Ansicht nach die Aufnahme in die Datei regeln, die nur zulässig ist, wenn ein Gericht die Wiederholungsgefahr festgestellt hat. Bündnis 90/Die Grünen haben in einem Antrag an den Deutschen Bundestag (Drs. 13/10656) Kriterien für die Gen-Datei formuliert, die notwendig sind, um einerseits ein effizientes Instrument der Strafverfolgung zu haben und andererseits dem Datenschutz Genüge zu tun. Zu diesen Kriterien gehören: Eine so weitreichende Datei darf es nur für Straftaten mit besonderer Schwere, also solche, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen Leib und Leben des Opfers richten, geben. Eine Speicherung etwa für Einbruchdiebstähle, wie neuerdings gefordert, ist auf keinen Fall akzeptabel.
Die Datei darf nur zur Identitätsfeststellung genutzt werden. Rückschlüsse auf persönlichkeitsbeschreibende Erbinformationen dürfen nicht gezogen werden.
Art, Umfang und Dauer der Datenerhebung und der Speicherung sind im Gesetz zweifelsfrei zu regeln. Nach den Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen soll die Gen-Datei beim Bundeszentralregister, nicht beim Bundeskriminalamt geführt werden, weil beim BKA als Polizeibehörde, die mit anderen Polizeien und Nachrichtendiensten im Austausch steht, die Mißbrauchsgefahr ungleich größer ist.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801071a
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