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Juli 02/1998
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Kontroverses Urteil über Rolle des BND bei Plutonium-Affäre

(in) Im Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Münchner Plutoniumschmuggels vom 10. August 1994 wird die Rolle des Bundeskanzleramtes und des Bundesnachrichtendienstes (BND) von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und F.D.P. sowie den Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterschiedlich bewertet.
Nach Ansicht der Koalition ist der Vorwurf von SPD und Bündnisgrünen, der Plutoniumschmuggel sei von bundesdeutschen Behörden beziehungsweise dem BND mittelbar oder unmittelbar inszeniert worden, in sich zusammengefallen. Der BND habe weder in München noch in seiner Residentur in Madrid diesen Plutoniumfall "eingefädelt". Ferner habe der BND das Bundeskanzleramt sach- und zeitgerecht informiert. Dieses habe dann seine Rechts- und Fachaufsicht ordnungsgemäß ausgeübt. Es habe keine rechtswidrige Einflußnahme aus dem Bereich des Kanzleramts auf Entscheidungen der an diesem Fall beteiligten Behörden gegeben.
Der BND habe mit seiner Amtshilfe nicht gegen das Trennungsgebot von Nachrichtendiensten und Polizei verstoßen, ein BND-Übersetzer könne aber gegen den Sinn des Trennungsgebots verstoßen haben.
Die bayerische Polizei mit der Münchner Staatsanwaltschaft hätte das behördliche Handeln bestimmt. Aus den Erkenntnissen über den nuklearen Schwarzmarkt und die großen Gefahren illegalen Handels seien keine weiteren Konsequenzen zu ziehen. Die Probleme seien von der Bundesregierung erkannt und hinreichend bewältigt worden.

Kritik der SPD

Für die SPD hat der BND das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst verletzt und sich in diesem "hochbrisanten Fall tatprovozierend wie eine Polizei eigener Art im Inland" aufgeführt. Die politische Verantwortung dafür habe Staatsminister Bernd Schmidbauer vom Kanzleramt getragen. Es sei schwer vorstellbar, daß der Geheimdienstkoordinator, der über den "Plutoniumdeal" informiert war und die Abläufe zumindet stillschweigend duldete, ausgerechnet Bundeskanzler Helmut Kohl nichts gesagt haben sollte. Allen Verantwortlichen sei klar gewesen, daß die nukleare Fracht für München mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dem Start in eine Lufthansa-Maschine in Moskau geschmuggelt werden sollte. Zwischen Koalition und SPD bestehe ein Grunddissens in der Frage des möglichen Lagerorts des Plutoniums - Moskau oder Deutschland.
In der Bewertung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden die Festellungen im Ausschußbericht weitgehend geteilt, mit Divergenzen in Teilbereichen. So zeige das Ergebnis der Untersuchung in "erschreckender Deutlichkeit, zu welchen Fehlleistungen geldgierige V-Leute und Mitarbeiter von Geheimdiensten wie dem BND in der Lage seien". Aber auch die beteiligten Ermittlungsbehörden hätten den in seinem Gefährdungspotential unkalkulierbaren Plutoniumtransport im Koffer von Moskau nach München bewußt in Kauf genommen. Eine notwendige Konsequenz auch aus diesen Skandal sei die schrittweise Auflösung des Bundesnachrichtendienstes. Nach über dreijähriger Tätigkeit hat der 1. Unterschungausschußausschuß seine Arbeit mit der Übergabe des Berichts an Bundestagspräsidentin Professor Rita Süssmuth durch den Vorsitzenden Dr. Gerhard Friedrich (CDU/CSU) am 23. Juni abgeschlossen. Der Bundestag debattierte den Bericht am 25. Juni und nahm ihn zur Kenntnis.

44 öffentliche Sitzungen

Der Untersuchungausschuß war am 11. Mai 1995 eingesetzt worden, um die Hintergründe des Schmuggels von 363,4 g Plutonium zu klären. Bis zum 15. Januar 1998 wurden 80 Sitzungen, davon 44 öffentlich und 36 nichtöffentlich durchgeführt und dabei 78 Zeugen sowie Sachverständige gehört. Es sei auszuschließen, daß das Material aus Westeuropa komme. Bis zuletzt habe aber nicht definitiv festgestellt werden können, "woher das Material stammte, wo es hergestellt, gelagert oder entwendet worden war".
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802021
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