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Juli 02/1998
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Bewertung der Vorfälle in der Bundeswehr fällt kontrovers aus

(vt) "Überflüssig und unnötig" ist nach Auffassung von CDU/CSU und F.D.P. die Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß zur Aufklärung rechtsextremistischer Vorkommnisse in der Bundeswehr gewesen. In ihrem Mehrheitsvotum im Abschlußbericht des Ausschusses (13/11005) wirft die Koalition zudem Bündnis 90/Die Grünen und Teilen der SPD vor, diese hätten billigend in Kauf genommen, daß die Bundeswehr als "Mittel zu parteipolitischen und wahltaktischen Zwecken" herhalten mußte und deshalb unnötig Schaden genommen habe. Die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die PDS haben jeweils von ihrem Recht Gebrauch gemacht, abweichende Bewertungen vorzulegen. Der Abschlußbericht wurde am 19. Juni Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU), übergeben.
Nach Ansicht der Ausschußmehrheit hat sich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Untersuchungen herausgestellt, daß es keine "rechtsradikalen Tendenzen" oder gar "rechtsradikale Strukturen" in der Bundeswehr gibt. Dies hätten unter anderem auch Erkenntnisse des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bestätigt. Laut MAD seien Ende März dieses Jahres nachweislich 88 Rechtsextremisten in den Streitkräften tätig gewesen. Dies sei "keine signifikante Größe, die es rechtfertigen würde, den Soldaten der Bundeswehr vorzuwerfen, sie seien für rechtsradikales Gedankengut besonders aufnahmebereit", so Union und Liberale. Im übrigen habe sich die ganz überwiegende Zahl der Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund auf Wehrpflichtige verteilt, die teilweise bereits vor ihrer Zeit in der Truppe mit rechtsradikalen Kreisen und Gedankengut in Berührung gekommen seien.
Auch für die SPD besteht laut ihrem Votum kein Zweifel, daß die Bundeswehr "kein Hort des Rechtsextremismus in unserem Staat ist". Es gebe zudem weder rechtsextremistische Strukturen in den Streitkräften, noch seien diese von Rechtsextremisten unterwandert. Die Fraktion wirft der politischen Führung aber vor, auf die "erkennbare Situation" der auf die Bundeswehr zukommenden Gefahren durch Rechtsextremismus in weiten Bereichen der Inneren Führung, der politischen Bildung und der Traditionspflege unvollkommen oder gar nicht reagiert zu haben.
Ausdrücklich begrüßt die SPD, daß die militärische Führung die untersuchten Vorfälle in den Streitkräften zum Anlaß genommen hat, der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und dem NS-Gewaltregime verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses hätten zudem gezeigt, daß die Vorfälle vom Parlament zu Recht "nicht auf die leichte Schulter" genommen werden dürften. Bündnis 90/Die Grünen ziehen aus der Arbeit des Ausschusses das Fazit, dieser habe seine Arbeit "nur unzureichend erfüllt". Für die Fraktion steht außerdem fest, "es gab und gibt einzelne rechtsradikale und rechtsextremistische Personen in der Bundeswehr". Diese könnten sich aus einem im militärischen Milieu notwendigen Kameradschaftsgefühl ziemlich offen dort bewegen. Als Problem sei dieser Personenkreis bisher von den Streitkräften ignoriert oder auf Disziplinarfälle reduziert worden.

Für Expertenkommission

Zudem gebe es einen wesentlich größeren Kreis von Konservativen oder Nationalkonservativen, um deren Orientierung und klare Abgrenzung zum Rechtsextremismus sich die Bundeswehr stärker kümmern müßte. B 90/Grüne sprechen sich im übrigen - wie auch die PDS - für eine unabhängige Expertenkommission zur weiteren Untersuchung der Thematik aus. Ein darauf zielender Entschließungsantrag der Bündnisgrünen (13/11146) fand im Bundestag aber keine Mehrheit.
In der Parlamentsdebatte erklärte Abgeordneter Rossmanith, für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stelle sich die Frage, ob das Parlament den durch die Bundeswehr selbst ermittelten Erkenntnissen nicht hätte trauen können und müssen. Sie fragten sich mitunter auch, ob die in den politischen Bewertungen des Untersuchungsverfahrens wiederholt gemachte Aussage, die Bundeswehr sei ein Parlamentsheer, mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist. Man habe aber deutlich machen können, daß die Politik "immer hinter der Bundeswehr gestanden hat und auch stehen wird".
Der Abgeordnete Peter Zumkley (SPD) erwiderte, die vom Verteidigungsministerium vorgelegten Berichte zu den Vorkommnissen seien hilfreich gewesen, hätten die Arbeit des Untersuchungsausschusses aber nicht ersetzen können. In Ausübung seiner Kontrollfunktion bleibe es dem Parlament vorbehalten, im Wege einer öffentlichen Untersuchung den Vorfällen nachzugehen, sie zu bewerten und gegebenenfalls Konsequenzen zu fordern. Nur durch eine solche sorgfältige parlamentarische Überprüfung könne die Bundeswehr wirksam und nachhaltig entlastet werden.

Dank an Wehrbeauftragte

Das Parlament dankte am 24. Juni im übrigen der Wehrbeauftragten, Claire Marienfeld, und deren Mitarbeitern für ihren Jahresbericht 1997 (13/10000). Es forderte auf Rat des Fachausschusses (13/11067) gleichzeitig die Regierung auf, dem Bundestag bis zum 1. März 1999 über Ergebnisse von Prüfungen und vollzogene Maßnahmen in der Truppe zu berichten. Einen Entschließungsantrag von B 90/Grüne (13/11147), die Regierung aufzufordern, die Anwendung der Reichskriegsflagge im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums zu verbieten, wies das Parlament zurück.
Ohne Mehrheit blieben Bündnis 90/Die Grünen auch mit Anträgen zur Traditionspflege der Bundeswehr (13/10279, 13/10940) und zum Thema Rechtsextremismus in der Streitkräften (13/8851, 13/10071). Keinen Erfolg hatte außerdem die PDS mit einem Antrag, die Wehrpflicht abzuschaffen (13/4461, 13/7033).
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802049
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