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Juli 02/1998
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Erfolg und Defizite beim Aufbau der neuen Länder

(wi) Daß beim wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder viel erreicht wurde, ist im Bundestag unbestritten. Über den Anteil der Bundesregierung an den bisherigen Erfolgen gingen die Meinungen bei der Debatte zur Einheit Deutschlands am 25. Juni jedoch weit auseinander. Für Paul Krüger (CDU/CSU) ist weiterhin kontinuierliches Wachstum in den neuen Ländern erforderlich, damit aus Arbeisplatzchancen auch wirklich Arbeitsplätze werden. Rolf Schwanitz (SPD) bemängelte, daß öffentliche Investitionen zeitlich gestreckt worden seien, obwohl der ostdeutsche Arbeitsmarkt das Gegenteil erfordert hätte. Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) machte darauf aufmerksam, daß in vielen ostdeutschen Betrieben die Kostenstruktur nicht stimmt. Die große Steuerreform zur Entlastung von Unternehmen und Arbeitnehmern mahnte Jürgen Türk (F.D.P.) an. Gregor Gysi (PDS) meinte, es sei ein grundsätzlicher Fehler gewesen, Strukturen überzustülpen, ohne sich die in den neuen Ländern vorhandenen anzusehen.

"Schneller bezahlen"

Die Bundesregierung will auch nach dem Rückzug der Gewerkschaften die Initiative "Bündnis für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland" mit den verbliebenen Beteiligten umsetzen. Das betont sie in ihrem Perspektivbericht "Vorrang für Aufbau Ost" (13/11073), den der Bundestag zur Beratung an den Wirtschaftsausschuß überwiesen hat. Das Parlament nahm mehrheitlich einen Antrag von CDU/CSU und F.D.P. (13/10794) an, der eine bessere Zahlungsmoral zum Ziel hat. Er folgte damit einer Empfehlung des Wirtschaftsausschusses vom 23. Juni (13/11166).
Auf Vorschlag des Bauausschusses vom gleichen Tag hat der Wirtschaftsausschuß eine Änderung vorgenommen, wonach die Länder und Kommunen sowie die Vergaberessorts des Bundes und von Unternehmen mit Bundesbeteiligung aufgefordert werden, Aufträge in Einzellosen an den Mittelstand und nicht den Gesamtauftrag an einen Generalunternehmer auszuloben, um mittelständischer Wirtschaft und Handwerk mehr Möglichkeiten zu verschaffen, direkt an Ausschreibungen teilzunehmen. Bund, Länder und Kommunen sowie Unternehmen mit Bundesbeteiligung, die über 80 Prozent der öffentlichen Aufträge entscheiden, sollten zudem Fristen nicht extensiv ausnutzen, sondern Zahlungsziele einhalten.
Im Wirtschaftsausschuß wiesen die Koalitionsfraktionen auf die Verkürzung von Gerichts- oder Mahnverfahren hin. Für die SPD reichte der Hinweis auf gesetzliche Möglichkeiten nicht aus. Vielmehr dürfe ein Zahlungsverzug erst gar nicht entstehen. Bei Abwesenheit der Bündnisgrünen enthielten sich SPD und PDS der Stimme.
Auch die SPD will gegen den Zahlungsverzug im Handelsverkehr vorgehen. In einem Antrag (13/11144), den der Bundestag abgelehnt hat, fordert sie die Regierung auf, sich in der EU für die Einhaltung von vereinbarten Zahlungszielen, den Abbau von Unterschieden bei den gesetzlichen Verzugszinsen und für schnellere Klage-, vor allem Schadensersatzverfahren, einzusetzen. Ebenso sollte die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der sich auf alle Schulden im Handelsverkehr (zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Behörden) bezieht.

Verzugszinsen erhöhen

Für die Zahlung von Schulden ab Rechnungsdatum sollte ein zeitnäherer Fälligkeitstermin festgelegt werden, sofern die Zahlungsfrist nicht vertraglich geregelt ist. Im Gesetz sollte schließlich ein "spürbar höherer gesetzlicher Zinssatz" festgelegt werden, wenn im Vertrag oder den Allgemeinen Verkaufsbedingungen nichts anderes vereinbart ist. Die Vorschläge sollen verhindern, daß ein Schuldner überhaupt auf Verzug spekuliert. Insbesondere in Ostdeutschland werde der wirtschaftliche Aufbau durch Zahlungsverzug empfindlich gestört, da eigenkapitalschwache kleine und mittelständische Betriebe auf rasche Bezahlung angewiesen seien. Ein "Aktionsprogramm für ökologische Investitionen, zukunftsgerichtete Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit" fordern Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (13/11161). Dazu gehörten eine Technologiepolitik, die neue, ökologische und sozial sinnvolle Produktionen und Produkte fördert, eine "Qualifikations- und Kreativitätsoffensive", die Dezentralisierung von Regional- und Strukturpolitik sowie eine kundenfreundliche Verwaltung.
Neue Spielräume für eine weitere moderate Lohnpolitik könnten nach Auffassung der Fraktion die Ertragssituation der ostdeutschen Unternehmen verbessern. Verlangt werden darüber hinaus mehr Forschung und Entwicklung sowie ein leichterer Zugang für kleine und mittlere Unternehmen zu deren Ergebnissen. Die Fraktion verlangt, daß ein auswahlfähiges Angebot an Lehrstellen gesichert und Wettbewerbsverzerrungen zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben aufgehoben werden. Eine solidarische Ausbildungsplatzabgabe soll die Verantwortung wieder in die Hände der Wirtschaft geben.

Spielräume ausschöpfen

Der Bundestag lehnte schließlich einen Antrag der SPD zur Neuorientierung des wirtschaftlichen Aufbaukonzepts für Ostdeutschland (13/10436) sowie einen Antrag der PDS (13/10290) für ein beschäftigungs- und bildungspolitisches Sofortprogramm für die neuen Länder ab. Auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses vom 23. Juni (13/11165) nahm er dagegen einen Koalitionsantrag (13/10821) an, der sich für eine Fortsetzung der Wachstums- und Beschäftigungspolitik für die neuen Länder ausspricht. Die Koalition will, daß Kommunen und andere Träger öffentlicher Aufgaben Spielräume bei der Vergabe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausschöpfen.
Die SPD forderte von der Regierung, die neuen Länder zum Zentrum der staatlichen Innovationspolitik zu machen. Die PDS verlangte ein Sofortprogramm, um die Beschäftigungssituation zu verbessern und Probleme auf dem Bildungssektor zu bekämpfen.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802061
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