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September 03/1998
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Streit um Politik und Zahlen

(hh) Über die zukünftigen Richtlinien der deutschen Politik haben die Spitzenpolitiker der Koalition und der Opposition im Plenum des Deutschen Bundestages gestritten. Anlaß war die Diskussion über den Etat des Bundeskanzleramtes: Dabei kommt es traditionell zu einer Generalaussprache. Sie war in diesem Jahr durch den Wahlkampf geprägt. Und es war die einzige Gelegenheit, bei der Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU/CSU) und sein Herausforderer, der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), direkt aufeinandertrafen. Neben außenpolitischen Themen (s. S. 28) widmete sich Kohl auch der Wirtschafts- und Sozialpolitik. "Unsere Bilanz ist eindeutig in Sachen deutscher Einheit und auch in der Politik über die neuen Länder", betonte er. Es könne noch stundenlang geredet werden auch über Fehler, die gemacht worden seien. "Wir haben dabei versucht, das beste zu machen".
Vieles was in den 50 Jahren Bundesrepublik geschaffen worden sei, sei "hervorragend gelungen". Kohl betonte, daß der Aufschwung da sei. Auch auf dem Arbeitsmarkt sei eine Trendwende zu verzeichnen. Auf der anderen Seite seien 1,5 Millionen freie Stellen, für die dringend Leute gesucht würden. "Deshalb ist es auch so wichtig, daß wir zu einem vernünftigen Gespräch untereinander kommen, Politik, Gewerkschaften, Wirtschaft", sagte er. Das Land brauche jetzt eine "beständige und klare Politik". Alle Experimente würden gar nichts bringen. "Wir haben die Chance, uns auf unsere Kraft zu besinnen", sagte Kohl.
Auch Schröder ging auf die Entwicklung in Ostdeutschland ein. Sie ist nicht besser geworden, sagte er. Dies habe etwas mit der verfehlten Politik der Regierung zu tun. Die Bilanz der Regierung sei "mäßig". "Dieses Land, diese Volkswirtschaft muß auf Innovationen setzen", erklärte er. Dazu müsse die Fähigkeit, aus Innovation schneller Produkte und Verfahren zu machen, besser als in der Vergangenheit entwickelt werden. Es fehle die Auseinandersetzung darüber, daß auf die neuen Technologien wie Informationstechnik und Biotechnologie gesetzt werden müsse. Zur Energiepolitik sagte er, daß er es für möglich halte, in den "nächsten fünf oder zehn Jahren" aus der Kernenergie auszusteigen.

Elite kein Problem

Schröder kritisierte, daß Forschung und Entwicklung und Forschungsentwicklungsausgaben kontinuierlich zurückgenommen worden seien. Die Zahlen würden auf eine gefährliche Entwicklung hinweisen. Er habe kein Problem mit dem Begriff der Elite. Bildung könne in einer Demokratie nur funktionieren, wenn Bildungsbarrieren zum Zugang zu den Eliten beseitigt und nicht neu aufgebaut werden würden.
Der Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Joseph Fischer, betonte, daß der Haushaltsentwurf, der jetzt vorliege, den Wahltag "unter keinen Umständen überdauern" werde. Jeder wisse, daß die Rede des Bundesfinanzministers über die wirtschaftlichen Basisdaten, über Haushaltsentwicklung, Schuldenentwicklung, Arbeitslosenentwicklung, den Wahlkampf nicht überdauern werde.
Eine neue Regierung müsse im ersten halben Jahr eine Trendwende erreichen, erklärte er. Dazu sei es dringend notwendig, die "zu hohen Lohnzusatzkosten" zu senken. Dies müsse über Steuererhöhungen gegenfinanziert werden. Statt dafür die Mehrwertsteuer zu erhöhen, müsse "endlich eine Ökosteuer" eingeführt werden. Zudem sprach er sich für ein Bündnis für Arbeit aus.
Wolfgang Gerhardt (F.D.P.) betonte, daß nach der deutschen Einheit Reformen "energisch" angepackt worden seien. Er warf der Opposition vor, daß Menschen, die leistungsbereit seien und sich wünschen, vom Ertrag ihrer Leistung etwas zu behalten, eher gehemmt würden: "Sie versuchen, die Menschen glaubend zu machen: Wir helfen den Armen, wenn wir die Reichen ausmerzen", sagte er. Dies sei kein Weg. Dieses Land müsse auch leistungsbereite Menschen stützen. Der Neid müsse zur Seite gedrängt werden und der einzelne "in der Breite der Gesellschaft" in Verantwortung gebracht werden.
Ein öffentliches Programm zum Abbau der Arbeitslosigkeit forderte der Gruppensprecher der PDS, Gregor Gysi. Dies sei wichtiger, als ständig darüber nachzudenken, wie hoch der Spitzensteuersatz sein solle. Er forderte mehr soziale Gerechtigkeit. Deshalb sollten Unternehmen künftig nach ihrer Wirtschaftskraft und nicht nach der Lohnsumme Sozialbeiträge leisten.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9803/9803025
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