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April 03/1999
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EXPERTENANHÖRUNG IM FACHAUSSCHUSS

Entwicklungs­ und Agrarpolitik besser aufeinander abstimmen

(ev) Kritisch beleuchtet haben am 24. März Einzelsachverständige und Experten von internationalen Organisationen die Kohärenz der Entwicklungs­ und Agrarpolitik im Kontext der Europäischen Union und der Welthandelsorganisation (WTO). In einer öffentlichen Anhörung des Fachausschusses waren sich die Experten einig, daß Entwicklungs­ und Agrarpolitik besser aufeinander abgestimmt werden müßten.

So betonte Michael Windfuhr vom FIAN­International (Food First Information and Action Network) in seiner Stellungnahme, Kohärenzprobleme ergäben sich im Hinblick auf einzelne Produkte, bei denen das agrar­ und das entwicklungspolitische Instrumentarium gegenläufig seien, und vor allem in dem Zielkonflikt zwischen den Leitlinien der Entwicklungspolitik und der europäischen Agrarpolitik. So sei Entwicklungspolitik sehr viel stärker makropolitisch ausgerichtet.

Verschiedene Interessen

Der Sachverständige des Genfer South Centre, Rashid S. Kaukab, verwies unter anderem auf die divergierenden Interessen von Nahrungsmittelnettoexporteuren und ­importeuren. Während das Hauptinteresse der Exporteure einem besseren Marktzugang gelte, seien die Importeure eher an der Stabilität und Erschwinglichkeit der Nahrungsmittel auf den Weltmärkten interessiert. Dieser Konflikt könne aber gelöst werden durch die Abschaffung der Marktverzerrungen, die durch die Politik der Industrieländer verursacht werden, und durch mittel­ bis langfristige Bereitstellung der notwendigen Hilfen für Nahrungsmittelnettoimporteure.

Nach Auffassung Kaukabs hat das Agrarabkommen im Rahmen der Uruguay­Runde des Allgemeinen Zoll­ und Handelsabkommens (GATT) den Entwicklungsländern (EL) kaum neue Chancen eröffnet; eher das Gegenteil sei der Fall. Grundsätzlich habe das Abkommen denjenigen, die den Agrarsektor am stärksten subventionieren, ermöglicht, ihre Politik fortzusetzen, während es anderen, darunter den Entwicklungsländern, untersagt sei, dasselbe zu tun. Schwierig sei es auch für die EL, Anti­Dumpingmaßnahmen gegen die subventionierten Agrarexporte zu ergreifen, da sie nicht in der Lage seien, sich Informationen zu beschaffen und Vertragsverletzungen infolge subventionierter Exporte nachzuweisen.

Ähnlich argumentierte Professor Winfried Urff von der Technischen Universität München. Er erklärte, die Gegenmaßnahmen, die nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Dumping zulässig sind, würden von den Entwicklungsländern als unzureichend empfunden, da sie an die Voraussetzung gebunden seien, daß zunächst eine Schädigung der eigenen Wirtschaft nachgewiesen werden müsse, und vielen EL für einen solchen Nachweis die Voraussetzungen fehlten.

Für die von Getreideeinfuhren abhängigen EL, so Urff, sei im übrigen ein reichliches Angebot auf den Weltmärkten in Verbindung mit den niedrigen Preisen ein Vorteil. Die in der EU­Agenda 2000 vorgeschlagene Senkung des Interventionspreises liege somit im Interesse dieser Länder. Im Interesse einer stärkeren Kohärenz zwischen Entwicklungs­ und Agrarpolitik sollten die Entwicklungsländer stärker als bisher in weitere Reformbestrebungen einbezogen werden.

Normen problematisch

Die Ernährungssicherheit sah der Wissenschaftler primär als eine Aufgabe der Entwicklungsländer selbst. Die EU könne den EL aber helfen, ihre eigene Agrarproduktion zu entwickeln. Ramesh Sharma von der UN­Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hob die Bedeutung der EU­Agrarmärkte für die Entwicklungsländer hervor. Deshalb sei es problematisch, daß Importe wichtiger Agrarerzeugnisse, die für die EL von Interesse sind, mittels komplizierter Importmaßnahmen reguliert würden. Die Entwicklungsländer würdigten zwar den Wert harmonisierter Normen für den Handel, aber die Schwierigkeit liege häufig in den damit verbundenen Kosten.

Der Vertreter der Europäischen Kommission, Scheele, verwies in seiner Stellungnahme

auf die Probleme, die sich durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) für die Entwicklungsländer ergeben. Die GAP sei für die Produktion von Überschüssen verantwortlich, die dann in Form subventionierter Exporte Druck auf die Weltmarktpreise ausübe. Subventionierte Exporte der EU seien deshalb ein Problem für die EL, die den Aufbau einer eigenständigen Ernährungsbasis verfolgten. Angesichts dessen, daß die EU und die Mitgliedstaaten gleichzeitig Entwicklungsprojekte fördern, die eine verbesserte lokale Nahrungsmittelversorgung zum Ziel haben, könnten "Inkonsistenzen zwischen der Entwicklungspolitik und der GAP durchaus konstatiert werden". Es müsse allerdings betont werden, daß mit der Reform von 1992 und den Vorschlägen im Rahmen der Agenda 2000, die auf eine weitere Liberalisierung der Agrarmärkte abzielen, "deutlich" eine Richtung eingeschlagen worden sei, mit der solche negativen Effekte vermieden würden.

Fairen Ausgleich finden

Ein wesentlicher Aspekt der Anhörung war auch die Frage, inwieweit hohe Sozial­ und Umweltstandards gleichermaßen für Industrie­ und Entwicklungsländer gelten sollten und welche Folgen dies für letztere hat. Kaukab vom Genfer South Centre erklärte, die Einführung verbindlicher Umwelt­ und Sozialstandards durch Änderung der WTO­Vereinbarungen gebe den "protektionistischen Lobbies" in den Industrieländern ein wirksames Instrumentarium an die Hand, um sich vor fairer Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Der EU­Experte ergänzte, ein "Hungerlohn" sei "besser als Verhungern". Es müsse an Übergangsregelungen für die EL gedacht werden.

Das Fachministerium legte in seiner Stellungnahme dar, die Koalitionsvereinbarung sehe vor, daß internationale Wirtschaftsregimes wie die WTO nach ökologischen und sozialen Kriterien neu gestaltet werden müßten. Dazu sei es erforderlich, neben der Einführung von Mindeststandards im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Entwicklungsländer und der Industriestaaten für einen "fairen und sozial gerechten Interessenausgleich" zu sorgen und das Leitbild der "nachhaltigen Entwicklung" zu verfolgen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9903/9903029
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