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Juli 06/1999
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ERGEBNISSE DER WAHL ZUM EUROPÄISCHEN PARLAMENT

Gewinner und Verlierer in Straßburg

Eurogesicht

Der große Verlierer der Europawahlen stand schon fest, noch ehe die ersten Ergebnisse auf der Videowand des Brüsseler Plenarsaales des Europäischen Parlaments aufleuchteten: Mehr als die Hälfte der rund 300 Millionen Wahlberechtigten waren überhaupt nicht an den Urnen erschienen und hatten damit das Parlament insgesamt zum Wahlverlierer gemacht. Und in der Tat wäre die Beteiligung ohne die Wahlpflicht in Italien, Belgien und Luxemburg sowie teilweise parallel stattfindenden nationalen, regionalen oder kommunalen Wahlen wohl sogar noch sehr viel niedriger ausgefallen.

In einigen Ländern, so räumte der belgische Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Wilfried Martens, ein, sei sogar die Legitimität des Parlaments insgesamt in Frage gestellt worden. Dagegen verwies der scheidende spanische Parlamentspräsident José­Maria Gil­Robles auf andere Volksvertretungen wie den US­Kongreß, der stets mit nur geringer Beteiligung gewählt und dennoch nicht in Frage gestellt werde. Die Ursachenforschung begann schnell: "Das Problem ist, daß wir keine Gesichter wählen", stellte der ausscheidende SPD­Abgeordnete Detlef Samland fest. Die Bürger schauten nun einmal nicht in Parteiprogramme, sondern nach Persönlichkeiten.

In der Tat spricht einiges für diese These: Da, wo Parteien mit bekannten Spitzenkandidaten antraten, konnten sie in der Regel Erfolge verbuchen: Frankreichs Grüne etwa, die mit dem umstrittenen, aber medienwirksamen Daniel Cohn­Bendit an der Spitze den Einzug in die Straßburger Volksvertretung schafften. Oder die Liste der bisherigen EU­Kommissarin und italienischen Präsidentschaftskandidatin Emma Bonino, die auf Anhieb acht Sitze erringen konnte. Oder auch Portugals Sozialisten, die mit dem Ex­Präsidenten Mario Soares entgegen dem sonstigen Trend zulegen konnten.

Europaparlament

Ansonsten sind die in der SPE zusammengeschlossenen Sozialisten und Sozialdemokraten die Verlierer der Europawahl. Außer in Portugal konnten sie lediglich noch in Frankreich dazu gewinnen und errangen dort 22 Mandate. Überall sonst mußte die SPE dagegen oftmals sogar deutliche Verluste hinnehmen. In Großbritannien, wo durch den Übergang zum Verhältniswahlrecht ein Minus von rund 20 Mandaten von vornherein einkalkuliert worden war, gab die Labour­Party von Tony Blair die Hälfte ihrer bisherigen 60 Sitze ab. Nicht erwartet worden war dagegen die deutliche Wahlschlappe in Deutschland, wo die SPD künftig nur noch mit 33 Abgeordneten statt bisher 40 nach Straßburg kommen wird.

So funktioniert die EU

Die SPE insgesamt wird damit künftig nur noch mit 180 statt bisher 214 Mandaten im Parlament vertreten sein und ihren bisherigen Status als stärkste Fraktion zum ersten Mal überhaupt an die EVP abtreten, die 224 statt bisher 201 Abgeordnete stellen wird. Die Liberalen bleiben mit 43 Sitzen, einem mehr als bisher, dritte Kraft, gefolgt von den Grünen, die mit einem Zuwachs von 10 auf jetzt 38 Mandate eindeutig zu den Gewinnern der Wahl zählen. Die Kommunisten konnten trotz des erstmaligen Einzuges der PDS nur 35 Sitze erringen, einen mehr als bisher. Die ebenfalls linksorientierte "Radikale Europäische Allianz" verlor dagegen ein Drittel ihrer bisher 21 Mandate. Dafür konnte die rechtsorientierte Fraktion "Europa der Nationen" um 6 auf 21 Mandate zulegen, die ebenfalls rechtsorientierte "Union für Europa" mußte die Hälfte ihrer 34 Mandate abgeben. Die bisher als "fraktionslos" zusammenarbeitenden Rechtsextremen des französischen "Front national" von Le Pen, der italienischen "Alleanza Nationale", der "Lega Nord" des belgischen "Vlams Blok" sowie der "Freiheitlichen" des Österreichers Jörg Haider stellen nur noch 18 statt bisher 38 Abgeordnete. Sie verloren in Frankreich und Italien erheblich, konnten aber in Belgien zulegen.

So jedenfalls die Mandatsverteilung nach der Wahlauszählung. Sie beruht allerdings auf der Annahme, daß sich die neuen Abgeordneten im Hinblick auf ihre Fraktionszugehörigkeit ebenso entscheiden wie ihre Vorgänger. 27 Abgeordnete aus Parteien, die bisher nicht dem Parlament angehörten und sich noch nicht eindeutig geäußert haben, sind deshalb in dieser Rechnung gar nicht berücksichtigt. Die tatsächliche Zusammensetzung des neuen Parlaments wird sich somit erst bei dessen erstem Zusammentreffen am 20. Juli entscheiden. Dabei könnte es noch zu erheblichen Veränderungen kommen.

So haben die französischen Konservativen Interesse an einer EVP­Mitgliedschaft signalisiert. Auf der anderen Seite gibt es bei den britischen Konservativen offenbar Überlegungen, aus der EVP auszuscheiden und zusammen mit der italienischen "Alleanza Nationale" eine eigene Fraktion zu gründen. Dies alles wird aber nichts mehr an dem eigentlichen Ergebnis der Wahl, einer deutlichen Gewichtsverschiebung nach rechts, ändern. Auswirkungen in der praktischen Arbeit des Parlaments wird sie aber kaum haben: Weil die aus Abgeordneten der unterschiedlichen Länder zusammengesetzten Fraktionen kaum je wirklich geschlossen abstimmen, werden EVP und SPE wie bisher auf enge Zusammenarbeit angewiesen sein, um das Gewicht des Parlaments gegenüber Rat und Kommission geltend machen zu können.

Martens, der nicht mehr ins Parlament zurückkehrt, hat diese Zusammenarbeit noch in der Wahlnacht angeboten. Sein bisheriger Fraktionsvorsitz könnte nach dem deutlichen Wahlsieg von CDU und CSU, die mit 53 Abgeordneten nun mit Abstand stärkste Gruppe in der EVP sind, einem Deutschen zufallen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9906/9906084
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