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Oktober 09/1999
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ANHÖRUNG IM FINANZAUSSCHUSS

Beschäftigungswirkung der Ökosteuer bleibt umstritten

(fi) Unter Experten ist umstritten, ob die zum 1. April eingeführte Ökosteuer eine Beschäftigungswirkung entfaltet hat. In einer Anhörung vor dem Finanzausschuss zu den von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ( 14/1524) und der Bundesregierung ( 14/1668) vorgelegten gleichlautenden Gesetzentwürfen zur Fortführung der ökologischen Steuerreform verwies der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am 4. Oktober darauf, dass der Beschäftigungsstand vor Jahresfrist höher gewesen sei als heute.

Die Gewerkschaften hätten die Ökosteuer als Argument in die Lohnverhandlungen eingebracht, so der BDI. Auch werde die Reform der Sozialversicherung durch die Ökosteuerreform verhindert, weil die Subventionierung der Sozialversicherungsbeiträge durch Ökosteuereinnahmen den Druck für eine Reform weggenommen habe. Der BDI betonte, langfristige Planungssicherheit für Investitionen sei wichtig. Vorgesehen ist, die Mineralölsteuer in vier Schritten von 2000 bis 2003 um jährlich 6 Pfennige und die Stromsteuer um jährlich einen halben Pfennig anzuheben.

Be­ und Entlastungen

Das Rheinisch­Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erläuterte, aufgrund der Ökosteuer machten sich sektorale Be­ und Entlastungen bemerkbar. Beispielsweise sei die chemische Industrie um insgesamt 230 Millionen DM netto entlastet worden. Allerdings habe es in der Grundstoffproduktion deutliche Belastungen und in der Weiterproduktion deutliche Entlastungen gegeben. Das RWI erwartet für energieintensive Grundstoffbranchen keinen nennenswerten Verlust von Arbeitsplätzen. Dagegen sei bis zum Jahr 2010 mit etwa 50.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in arbeitsintensiven Bereichen zu rechnen. Der Effekt ergebe sich durch die Begünstigung arbeitsintensiver Sektoren. Zurückhaltender äußerte sich das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Eine Beschäftigungswirkung sei gesamtwirtschaftlich sehr umstritten, ein beschäftigungsfördernder Effekt "nicht zu erwarten".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürwortete die geplanten jährlichen Steueranhebungen, die eine berechenbare Entwicklung ermöglichten. Die ökologische Wirkung der Energieverteuerung muss nach Meinung des DGB dauerhaft sein. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält es für richtig, über Preissignale Änderungen in der "Einsparrichtung" zu erzeugen. Die Ökosteuerreform sei das zentrale Reformprojekt für eine Politik der Nachhaltigkeit. Durch die Festlegung von weiteren Stufen sei die langfristige Ausrichtung der Reform gewährleistet. Für den BUND ist sie allerdings auch "zu zaghaft und zu mutlos", weil die ökologischen Wirkungen dadurch nur sehr geringfügig eintreten würden.

Der Deutsche Industrie­ und Handelstag (DIHT) wies mit Sorge auf jene Unternehmen des Dienstleistungssektors hin, die keine Möglichkeit hätten, die Erstattungsregelungen für das produzierende Gewerbe zu nutzen. Die Verwerfungen zu Lasten etwa des Speditionsgewerbes oder des Einzelhandels würden noch größer. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung verwies auf den harten Wettbewerb, in dem sich die Branche befindet. Bereits die erste Stufe der Reform habe zu einer Verschärfung des Wettbewerbs geführt. Pro Lkw sei mit einer zusätzlichen Belastung von 13.000 DM jährlich zu rechnen. Die Entlastung durch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge liege demgegenüber unter zehn Prozent. Der Verband der Industriellen Energie­ und Kraftstoffwirtschaft beanstandete, dass bei der Ökosteuer nicht zwischen Energie als Produktions­ und als Konsumfaktor unterschieden werde.

"Für Ausgleich sorgen"

Die Arbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen gab zu bedenken, dass drei Millionen Sozialhilfeempfänger durch die höhere Stromsteuer belastet würden, ohne gleichzeitig eine Entlastung zu erfahren. Unterstützung gab es dazu von Seiten des DGB, der forderte, die Politik müsse hier für "einen Ausgleich sorgen".

Der Ökonom Professor Johann Eekhoff empfahl den Bürgern zu erklären, dass sie für etwas bezahlen, was nur eine marginale positive Wirkung auslöst. Man könne die Steuermittel nicht für eine Subvention der Sozialversicherungssysteme und gleichzeitig für eine Veränderung der Steuerstruktur versprechen. Das Tempos sollte aus der Reform herausgenommen und auf eine internationale Abstimmung hingewirkt werden. Ansonsten seien stärkere gesellschaftspolitische Konflikte zu erwarten.

"Nationale Alleingänge beim Klimaschutz sind der falsche Weg", befand der Vertreter der US­Handelskammer "American Chamber of Commerce". Professor Hans­Jürgen Ewers vom Sachverständigenrat für Umweltfragen und der BUND erinnerten dagegen daran, dass andere europäische Staaten bei der Ökosteuer bereits viel weiter seien und von einem Alleingang daher keine Rede sein könne. Ewers plädierte allerdings dafür, die Stromsteuer stärker auf Emissionen auszurichten. Zweifel an der formalen Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs äußerte der Verfassungsrechtler Professor Wolfgang Arndt.

Schwefelgehalt senken

Wie aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf hervorgeht, will die Regierung eine Initiative für eine "schnellstmögliche europaweite Einführung von Kraftstoffqualitäten (Diesel­ und Ottokraftstoff)" mit Schwefelgehalten ergreifen, die 10 ppm (parts per million) nicht überschreiten. Als erster Schritt sei der Europäischen Kommission bereits ein Memorandum des Bundesumweltministers mit dem Ziel vorgelegt worden, die EU­Kraftstoffrichtlinie entsprechend fortzuschreiben. Die Bundesregierung befürwortet ebenfalls die vom Bundesrat geforderte deutliche Reduzierung des Aromatengehaltes in Kraftstoffen.

Der Bundestag hat den Regierungsentwurf am 30. September zur Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9909/9909039
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