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Juni 06/2000
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interview

Interview mit dem Ausschussvorsitzenden Helmut Wieczorek (SPD)

Diskussionen im "Konstruktiven Miteinander"

Blickpunkt Bundestag: Wie bewerten Sie die derzeitige Diskussion über eine Reform der Bundeswehr?

Helmut Wieczorek.
Helmut Wieczorek.

Helmut Wieczorek: Die Bundeswehr steht vor einer der größten Herausforderungen seit ihrer Gründung. Ihre Ausrüstung und ihre Strukturen müssen an die neuen verteidigungs- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen angepasst werden, d.h., die Bundeswehr muss neben der Landes- und Bündnisverteidigung in die Lage versetzt werden, die ihr zugewachsenen neuen Aufgaben im Rahmen von Krisenprävention und Krisenmanagement bewältigen zu können. Die Wehrstrukturkommission unter dem Vorsitz des früheren Bundespräsidenten Dr. Richard von Weizsäcker hat dem Bundesminister der Verteidigung dazu Vorschläge unterbreitet. Der Minister wird nun ein eigenes Konzept entwickeln, das auch mit dem Parlament abgestimmt wird. Wichtig ist, dass das Ergebnis der Debatte am Ende von einer breiten Mehrheit sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft getragen wird.

Auch manche Verbündete in der NATO fordern eine moderne und effektivere Bundeswehr und bemängeln unter anderem fehlende Transportkapazitäten. Dafür fehlt derzeit das Geld. Muss der Verteidigungsetat erhöht werden?

Es wäre schön, wenn der Verteidigungsetat erhöht werden könnte. Indes muss auch die Bundeswehr ihren Beitrag zur notwendigen Konsolidierung der Staatsfinanzen leisten. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, durch Umstrukturierungen und wirtschaftlicheres Management zusätzliche Mittel für Investitionen freizusetzen. Ich habe den Eindruck, dass der Minister mit seiner Initiative für neue Finanzierungsformen und eine stärkere Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen dazu auf einem guten Weg ist.

Werden die Streitkräfte der Zukunft auch weiter eine Wehrpflichtarmee sein?

Wenn die Bundeswehr eine "Bürgerarmee" bleiben soll, dann müssen wir die Wehrpflicht erhalten. Darüber besteht weitgehend Konsens. Die Verteidigung von Frieden und Freiheit ist eine Verpflichtung, die uns alle trifft. Sie hat etwas zu tun mit staatsbürgerlicher Verantwortung. So gesehen geht die Wehrpflicht weit über den bloßen Aspekt der Landesverteidigung hinaus. Wenn wir sie abschaffen, lösen wir nicht nur die Verbindung zwischen den Streitkräften und der Gesellschaft, sondern schwächen auch das Bewusstsein für die Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft. Ich kann davor nur warnen.

Der Verteidigungsausschuss hat sich als Untersuchungsausschuss in der vergangenen Wahlperiode mit rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr befasst und eine verbesserte politische Bildung in den Streitkräften angemahnt. Sehen Sie Erfolge?

Die Erfolge liegen auf der Hand. Sie sind an dem signifikanten Rückgang extremistischer Vorfälle in der Bundeswehr ablesbar. Offenbar hat der Untersuchungsausschuss den Kern des Problems getroffen, nämlich Vorgesetzte und Untergebene in gleichem Maße für dieses Problem zu sensibilisieren und damit extremistischen Tendenzen von vornherein vorzubeugen.

Wie bewerten Sie die Diskussionskultur im Verteidigungsausschuss? Sind die Beratungen eher von einem "im Zweifel für die Bundeswehr" oder doch eher von scharfen Kontroversen geprägt?

Die Diskussionskultur im Verteidigungsausschuss ist – übrigens nicht erst in dieser Legislaturperiode, sondern schon immer – von einem konstruktiven Miteinander geprägt. Das heißt nicht, dass in der Sache nicht kontrovers diskutiert wird. Bei allem Streit um politische Alternativen wird für mich aber deutlich, dass es dem bei weitem überwiegenden Teil der Abgeordneten der im Ausschuss vertretenen Fraktionen darum geht, für die Bundeswehr und d.h. für die Soldaten und ihre Angehörigen sowie die zivilen Mitarbeiter die bestmögliche Politik zu machen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0006/0006059
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