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November 11/2000
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Im Wettbewerb mit der Strasse

Hat die Bahn noch eine Zukunft?

Jeden Sonntagabend beginnt die Verwandlung. Aus der rechten Spur deutscher Autobahnen wird ein rollendes Warenlager. Jeden Sonntagabend bestätigt sich die Erkenntnis, dass die Bahnreform noch nicht so gegriffen hat, wie das Ziel des ehrgeizigen Projektes 1994 hoffen ließ: viel mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, den Zuschussbedarf der Bahn deutlich zu verringern und sie am Ende nicht nur fit für den Wettbewerb, sondern auch fit für den Aktienmarkt gemacht zu haben.

ICE der Deutschen Bundesbahn.
ICE der Deutschen Bundesbahn.

Das ist viel auf einmal. Aber große Dimensionen ist die Bahn gewohnt. 32.000 Züge rauschen täglich durch die Republik. Die Lokomotiven ziehen nicht nur mehr oder weniger leere, volle oder überfüllte Waggons hinter sich her, sondern auch eine Menge Probleme. Da sind die Pensionsansprüche der Mitarbeiter der alten Bundes- und Reichsbahn, für die der Bund jährlich allein 13 Milliarden Mark zuschießt. Da ist die veraltete Technik bei liegendem und rollendem Material, die derzeit zu rund 2000 "Langsamfahrstellen" führt. Da sind die großen Reste der alten, personalaufwendigen Strukturen, die nur langsam abgeschliffen werden – jährlich steigt die "Wertschöpfung" je Mitarbeiter zwar um 13 Prozent, sie ist aber immer noch geringer als der Personalaufwand.

Die Bahn ist schon längst nicht mehr "die" Bahn. Die einzelnen Segmente sind aufgefächert in einzelne Unter-Firmen für Reise & Touristik, Regionales, Stationen & Service, Güterverkehr, Netz und weitere Gesellschaften. Hinzu kommt, dass die Schiene im Personennahverkehr auch von Konkurrenten genutzt werden kann, immer mehr regionale Strecken vor Ort ausgeschrieben werden und rund die Hälfte davon an Wettbewerber gehen.

Das aber macht der Bahn längst nicht so viel Kopfzerbrechen wie die Begünstigung des größten Wettbewerbers: der Straße. Bahnchef Helmut Mehdorn hat ausgerechnet, dass ein Spediteur für die Kosten der Jahres-Vignette in Höhe von 2500 Mark seinen Lkw 120.000 Kilometer weit fahren lassen kann – die Cargo-Bahn kommt für diesen Betrag in der ihr abverlangten Trassengebühr gerade einmal von Hamburg nach Frankfurt. Weitere Belastungen stellen die Mineralölbesteuerung, die Ökosteuer und die Mehrwertsteuer dar, die ausgerechnet dem umweltfreundlichsten Verkehrsmittel zusätzliche Milliardenkosten aufhalsen.

Eine Zwischenbilanz kurz nach der Halbzeit der Bahnreform zeigte, dass die Bahn derzeit rund 20 Milliarden Mark hinter den eigenen Plänen zurückliegt. Das rief die Bundestagsfraktionen auf den Plan, die nun eine ungeschminkte Bestandsaufnahme haben und sich auf dieser Grundlage weitere Schritte überlegen wollen.

Blickpunkt Bundestag hat die Fachleute der fünf Bundestagsfraktionen befragt, wie es mit der Bahn weitergehen soll.
G. Mayntz



Iris Gleicke, SPD.
Iris Gleicke, SPD
iris.gleicke@bundestag.de.

Die Bahn steckt in einer tiefen Krise

Deutschland braucht die Bahn. Europa braucht die Bahn. Und die Bahn braucht unsere Solidarität. Derzeit steckt die Deutsche Bahn zweifellos in einer tiefen Krise, die eine riesige Herausforderung für eine moderne Verkehrspolitik ist. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und Teil der von der Vorgängerregierung hinterlassenen Erblast. Die Kohl-Regierung hatte die Bahn total im Stich gelassen.

Die Erblasten der alten Bundesregierung

Erblast Investitionskürzungen: Mit der Bahnreform von 1994 sollte eine Trendwende eingeleitet werden. Stattdessen wurden die Bundesmittel für Investitionen von 9,7 Milliarden DM im Jahr 1995 auf nur noch 6,1 Milliarden DM im Jahr 1998 reduziert, und nicht einmal die wurden im vollen Umfang geleistet – mit dem eingesparten Geld wurde Waigels angeschlagener Haushalt geschont. Die Folgen sind ein in weiten Teilen marodes Streckennetz und ein veralteter Fahrzeugbestand.

Erblast unfairer Wettbewerb: Die alte Bundesregierung änderte nichts an den unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Verkehrsträger, was zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die Schiene führte. Die Produktionskosten für Schienentransporte liegen deshalb höher als die für Straßentransporte, weil der Lkw durch Steuern und Autobahnvignette weit weniger belastet wird als die DB-Unternehmen und andere Schienenanbieter, die hohe Trassenpreise zahlen. Auch im europäischen Wettbewerb erreichte die frühere Regierung keine Angleichung der unterschiedlichen Bedingungen oder die Öffnung der Netze in anderen EU-Ländern zugunsten der Schiene.

Erblast Missmanagement: Das Bestandsnetz der DB wurde vernachlässigt, teure Prestigeobjekte wurden mit der politischen Brechstange durchgesetzt.

Wir Sozialdemokraten stehen zur Bahn und geben ihr Rückendeckung. Seit 1999 werden die Investitionsmittel wieder erhöht und fließen der Bahn auch tatsächlich zu. 2001 bis 2003 gibt es zusätzlich zu den vorgesehenen 6,7 Milliarden DM weitere 2 Milliarden DM im Jahr für Schieneninvestitionen aus Mitteln des Zukunfts-Investitionsprogramms.

Notwendig ist eine komplette Bestandsaufnahme

2003 bis 2007 stehen weitere 2,8 Milliarden DM aus dem Antistauprogramm für Investitionen in die Schiene bereit. Die Wettbewerbsbedingungen werden verbessert: durch die Einführung der Autobahnmaut für schwere Lkw ab 2003, durch die Bekämpfung der grauen und illegalen Kabotage, durch die von uns konsequent verfolgte Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in der EU. Und endlich stimmt auch das Management. Der neue Bahn-Chef Mehdorn hat ein intensiveres Controlling eingeführt und den Zustand des Unternehmens schonungslos analysiert. Gebraucht wird eine komplette Bestandsaufnahme mit ehrlichen Zahlen und ein darauf fußendes umfassendes Unternehmenskonzept. Auf dieser Grundlage sollte das Bündnis für Arbeit zwischen Gewerkschaften und Bahnvorstand fortgesetzt werden.

Im Mittelpunkt der Diskussion um die Bahn steht der Kunde. Wenn Angebot und Service bei der Bahn stimmen, kommt mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene. Dann macht die Bahn Gewinne, und dann stimmt der Slogan wieder: Unternehmen Zukunft.




Dirk Fischer, CDU/CSU.
Dirk Fischer, CDU/CSU
dirk.fischer@bundestag.de.

Mehr Wettbewerb und weniger Abhängigkeit

Der Bahn drohen mittlerweile Verluste von deutlich mehr als 1 Mrd. DM pro Jahr. Gut die Hälfte davon hat die Bundesregierung zu verantworten, die der Bahn Belastungen in Höhe von rund 650 Mio. DM zusätzlich auferlegt hat. Statt die steuerliche Schlechterstellung im Verhältnis zu anderen europäischen Bahnen und anderen Wettbewerbern der Bahn abzubauen, bürdet die deutsche Regierung der Bahn jährlich 400 Ökosteuer-Millionen und eine Gebühr für Leistungen des Bundesgrenzschutzes in Höhe von 250 Mio. DM auf. Die Zeit drängt also. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, damit die Bahnreform nicht in naher Zukunft auf ein Abstellgleis gerät.

Neue Sanierungskonzepte von Bund und Bahn erforderlich

Die CDU/CSU hat verantwortungsvoll die notwendigen Initiativen ergriffen. Nun ist die Bundesregierung in der Pflicht! Die Experten-Anhörung zur Bahnreform hat erwartungsgemäß die Schaffung der Voraussetzungen für den Wettbewerb konkurrierender Unternehmen auf der Schiene zur Schicksalsfrage der Bahnreform erklärt. Nach Auffassung fast aller Gutachter ist die Trennung von Netz und Betrieb der Schlüssel, den diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz zu ermöglichen.

Die CDU/CSU fordert deshalb umgehend ein schlüssiges Gesamtkonzept der Bundesregierung zum "System Schiene", welches insbesondere die Handlungsschwerpunkte Rahmenbedingungen, Wettbewerb, Trennung von Netz und Betrieb, Fahrplankoordination, Netzorganisation und Regionalisierung beinhaltet. Vom Vorstand der Deutschen Bahn AG verlangen wir ein tragfähiges Konzept zur Sanierung des Unternehmens, welches insbesondere den Ist- mit dem Soll-Zustand vergleicht und die Angebotsstrukturen der verschiedenen Verkehrsbereiche, die Verbesserung der Produktivität sowie die Investitionsausstattung berücksichtigt. Wichtige Voraussetzung ist, dass der Bund die erforderlichen Investitionsmittel für die Sanierung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur bereitstellt. Der bisherige Verkehrsminister Klimmt hatte 25 bis 30 Mrd. DM für die nächsten zehn Jahre versprochen. Lediglich sechs Mrd. DM für die nächsten drei Jahre sind geblieben. Auch sein Versprechen, der Bahn Planungssicherheit für die Zukunft zu geben, bleibt uneingelöst. Unserer Forderung nach einer jährlichen Erhöhung der Schieneninvestitionen um zwei Mrd. DM bis zum Jahre 2012 hat die rot-grüne Koalition eine Absage erteilt. Statt das "System Schiene" für den Verkehrsmarkt zu ertüchtigen, verhindert die Regierung Schröder den dringend erforderlichen Wettbewerb.

Die Bahn AG muss ihre Reform weiterführen

Statt das Unternehmen Deutsche Bahn AG aus der behördlichen Abhängigkeit zu befreien, setzt Rot-Grün das völlig falsche Signal zurück in Richtung Bundesregiebetrieb. Das Unternehmen Deutsche Bahn AG muss seine Restrukturierungsaufgaben erfüllen, um die Börsenfähigkeit zu erreichen. Die Arbeitnehmerseite muss dabei ihren Anteil erbringen, um die Produktivität zu verbessern. Der Staat muss die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen, um Wettbewerbsneutralität im deutschen und europäischen Verkehrsmarkt bei den Steuern und Mehrbelastungen herzustellen. Die Bahnreform ist Grundvoraussetzung dafür, daß die Bahn als System nicht zur "Schrumpfbahn" verkommt. Die CDU/CSU hat den dringend erforderlichen Handlungsbedarf angemahnt. Gefordert ist neuer Schwung für die Bahn, damit sie in unserem Verkehrssystem des 21. Jahrhunderts ihre große Aufgabe bewältigen kann. Nur so kann sie ihren Anteil am Verkehrsmarkt zurückgewinnen und ihre arteigenen Stärken in einem zukunftsfähigen Gesamtverkehrssystem zur Geltung bringen.



Albert Schmidt, B'90/Die Grünen.
Albert Schmidt, B'90/Die Grünen
albert.schmidt@bundestag.de.

Krise betrifft vor allem das Schienennetz

Die heutige Krise der Deutschen Bahn betrifft vor allem das Schienennetz. Drei schwerwiegende Fehlentwicklungen der letzten Jahre zeigen schlimme Folgen: Um die Bahnreform zum Erfolg zu führen, sollten ab 1994 mindestens zehn Jahre lang jährlich 9 bis 10 Milliarden DM in den Ausbau und die Modernisierung des Netzes investiert werden. Schon ab 1996 wurden aber unter Waigel und Wissmann die Investitionen zusammengestrichen, und 1998 wurden nur noch 6 Milliarden DM investiert. Insgesamt gingen der Bahn rund 8 Milliarden DM verloren.

Mittel nicht nur für ICE-Projekte

Gleichzeitig wurden die schrumpfenden Mittel mit falscher Schwerpunktsetzung eingesetzt: Das große Geld wurde in wenigen ICE-Großprojekten verbaut, das Bestandsnetz ließ man zusehends verfallen. Inzwischen gibt es rund 2.500 Langsamfahrstellen, und die Einhaltung vertakteter Fahrpläne gerät in Gefahr. Mindestens drei der Großprojekte wurden von der früheren Bundesregierung schöngerechnet: Bei den Neubaustrecken Köln – Frankfurt und Nürnberg – Ingolstadt sowie beim Ausbau des Bahnknotens Berlin ergeben sich im Bauvollzug tatsächliche Mehrkosten von bis zu 6 Mrd. DM. Neben dem Netz gibt es aber auch im Personen- und Güterverkehr erhebliche Investitionsrückstände, die aufgeholt werden müssen.

Im Bereich der Infrastruktur hat die Bundesregierung die wichtigsten Entscheidungen für die Sanierung und Erneuerung des Streckennetzes bereits getroffen: Nach der Übernahme der Regierungsverantwortung wurden in den Jahren 1999 und 2000 rund 1,3 Milliarden DM mehr ins Netz investiert als 1998, zum Teil erheblich mehr als im Haushaltsplan vorgesehen.

Zusätzliche Milliarden vom Bund fürs Netz

Ab 2001 werden die Bahnbaumittel des Bundes um zusätzliche 2 Milliarden DM pro Jahr aus den UMTS-Erlösen aufgestockt. Damit wird das zu Beginn der Bahnreform für notwendig erachtete Investitionsniveau wieder erreicht. Schwerpunkt der Investitionen ist ab sofort die von B'90/Die Grünen immer verlangte Erneuerung des Netzes: Streckensanierung, elektronische Stellwerke, moderne Leit- und Sicherungstechnik sind die prioritären Maßnahmen, die das Bahnnetz auf einen neuen Qualitätsstandard bringen. Außerdem sollten Investitionen des Bundes ins Schienennetz künftig wie im Straßenbau in der Regel als Baukostenzuschüsse, nicht als rückzahlbare Darlehen gewährt werden. Vor allem für Nahverkehrsprojekte hat sich der bisherige Darlehensmodus oft als Killerkriterium erwiesen. Auch hier hat die Bundesregierung bereits Entgegenkommen gegenüber der Deutschen Bahn signalisiert.

Darüber hinaus muss die Politik zur Herstellung von Chancengleichheit für die Bahn auf dem Verkehrsmarkt konsequent fortgesetzt werden, um mehr Verkehr auf die Schiene zu holen. Maßnahmen hierzu sind die schon beschlossene Lkw-Maut auf Autobahnen ab 2003, die noch ausstehende Halbierung der Mehrwertsteuer im Fernverkehr, der Fortbestand der Ökosteuer auch über 2003 hinaus und die Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale.



Horst Friedrich, F.D.P.
Horst Friedrich, F.D.P.
horst.friedrich@bundestag.de.

Fortsetzung der Bahnreform ohne Alternative

Die Bahnreform 1994 hat das Überleben des Eisenbahnwesens in Deutschland erst möglich gemacht. Die Ausgangslage 1993 war dramatisch. Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn waren dauerhaft defizitär und überschuldet. Experten schätzten den Finanzbedarf für 1994 bis 2003 auf rund 570 Mrd. DM. Insofern waren die Bahnen nicht nur ein verkehrspolitisches Problem, sondern auch ein haushaltspolitisches Risiko.

DB und DR hatten ihre Marktanteile an Verkehrsträger verloren, die auf liberalisierten und privatisierten Teilmärkten unter intramodalem Wettbewerbsdruck ihre Kosten senken und ihre Leistungen steigern konnten. Es ist eine Legende, dass die Verkehrspolitik eine "straßenlastige" Politik gemacht hat. Ihr ist höchstens vorzuwerfen, dass sie - anders als alle anderen Verkehrsträger - die Bahnen keiner Reform unterworfen hat. Mit der Bahnreform 1994 wurde dieser Stau abgebaut. Die Bahnen wurden entschuldet und in marktfähige Unternehmensstrukturen überführt. Mit der Öffnung des Netzzugangs für Dritte sollte auch auf der Schiene ein interner Kosten-, Leistungs- und Innovationswettbewerb ausgelöst werden. Die Verantwortung für den Schienennahverkehr wurde vom Bund auf die Länder übertragen.

Wettbewerb auf der Schiene reicht nicht

Heute steht fest, dass die Ziele der Bahnreform nicht vollständig erreicht worden sind. Die Bahn AG fährt bis zum Jahr 2005 auch weiterhin Milliardendefizite ein. Wettbewerb auf der Schiene hat nicht ausreichend stattgefunden. Die Bahn AG ist nach wie vor ein Monopolist. Der Finanzbedarf der Eisenbahn beträgt zurzeit rund 41 Mrd. DM pro Jahr. Das ist weniger als vor der Bahnreform, aber nach wie vor zu viel. Die Überführung der Bahnen in eine Aktiengesellschaft war gelungen, wird aber unter dem neuen Bahnchef Mehdorn systematisch zurückentwickelt.

Die F.D.P. spricht sich dafür aus, die Bahnreform konsequent fortzusetzen. Das verkehrspolitische Hauptziel, die Verlagerung von Verkehrsanteilen auf die Schiene gelingt nur, wenn die Schiene in Zukunft aus eigener Kraft eine Alternative zu den anderen Verkehrsträgern anbieten kann. Um gegen die Angebote von Bus, Lkw, Flugzeug und Binnenschiff bestehen zu können, braucht die DB AG Konkurrenz auf dem Schienennetz. Erst der Druck des Wettbewerbs sorgt für Innovationen, Kostendruck und ein vielfältiges Angebot.

In erster Linie muss die Netz AG aus dem Konzernverbund herausgelöst werden. Das Netz ist der Schlüssel für den Wettbewerb auf der Schiene. Die F.D.P. will außerdem, dass der restliche Konzernverbund aufzulösen und bis zum Ende des Jahres 2003 vollständig zu privatisieren ist. Die marktbeherrschende Stellung der Betreibergesellschaften Fernverkehr, Nahverkehr und Güterverkehr verhindert, dass auf dem Schienennetz Wettbewerb um verkehrsgünstige Strecken, Zeiten und Slots in den Bahnhöfen entsteht. Auch hier brauchen wir dringend mehr Transparenz und Kostenwahrheit.

Schienennetz für europäische Unternehmen öffnen

Die F.D.P. will zusätzlich, dass Deutschland sein Schienennetz für europäische Eisenbahnunternehmen öffnet. Der Gegenseitigkeitsvorbehalt muss fallen. Die F.D.P. denkt zuerst an die Bürger, dann erst an die Bahn AG. Auch zur Stärkung des ÖPNV ist eine Liberalisierung des vorhandenen Wettbewerbsrahmens geboten, zumal die EU ihren Richtlinienentwurf in diesem Sinne längst erarbeitet hat.

Das in Deutschland seit 1870/71 vorherrschende staatliche Eisenbahnwesen muss wieder zurück zu den Wurzeln, der Privatbahn. Nur so wird es auf Dauer gelingen, den Verkehrsträger Schiene zu stärken, damit er am zukünftigen Verkehrswachstum teilnehmen kann.




Winfried Wolf, PDS.
Winfried Wolf, PDS
winfried.wolf@bundestag.de.

Besseres Konzept: Bürgerbahn statt Börsenbahn

Die Bahn hat keine Zukunft – in der offiziellen Verkehrspolitik, wie sie seit 1998 auch unter SPD und Grünen betrieben wird. Die "Zu(g)kunftslosigkeit" des Schienenverkehrs hat drei Ursachen: Die Verkehrspolitik fördert allein die Straße und den Flugverkehr.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland rund 200.000 km Straßen neu gebaut und 15.000 km Schienenstrecken abgebaut. Auch am 31. 12. 2000 ist feststellbar: Das Straßennetz hat sich gegenüber dem 1. 1. 2000 erneut um rund 500 km verlängert, das Schienennetz um 350 km verkürzt. Neue Flug-Landebahnen entstanden.

Die Bahnreform von 1994 meint Privatisierung und Zerschlagung der Bahn. Als privates Unternehmen hat die Schiene keine Chance in einem Verkehrsmarkt, in dem sie inzwischen ein Nischendasein führt. Die Ausgliederungen der Deutschen Bahn AG (176 Unternehmen, 6 AGs) zerstört Synergie und dient allein dem anvisierten Börsengang ("Rosinenpickerei"). Der Belegschaftsabbau (von 500.000 1991 auf 230.000 heute und dem Ziel von 160.000 im Jahr 2003) gefährdet Standards in Service, Komfort und Sicherheit.

Verkehrspolitik ökologisch und sozial gestalten

Die Markt-, Tarif- und Preisstrukturen fördern eine fortgesetzte Politik pro Straße und Flugzeug und kontra Schiene. Grundsätzlich sind alle Verkehrswege außer den Schienenstrecken Sache des Bundes bzw. der Länder. Die Binnenschifffahrt, die ich massiv verteidige, deckt nur rund 10 Prozent der Kosten. Ihre Privatisierung hieße, sie umgehend einzustellen. Kein neuer Regionalflughafen entstünde, würde er nicht subventioniert. Die Bahn erhöht regelmäßig die Tarife, während diejenigen im Flugverkehr förmlich purzelten und auch Pkw- und Lkw-Verkehr – trotz des Energiepreisanstiegs – auf einem historisch niedrigen Niveau liegen.

Der neue Verkehrsminister Kurt Bodewig erklärte bei seiner ersten Pressekonferenz: Links sein heiße für ihn: Verantwortung für die zukünftigen Generationen zu übernehmen. Wohlan! Alle Umweltkonferenzen fordern: Reduktion von Emissionen, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Seriöse Berechnungen belegen: Auch der Pkw-, Lkw- und Flugverkehr deckt seine Kosten nicht. Zukunftsfähige Verkehrspolitik ist nur eine solche, die sich den Zielen der "drei V" verpflichtet sieht: Verkehr vermeiden, Verkehrswege verkürzen und verbleibenden Verkehr verlagern.

Von dem Letzteren würde die Bahn massiv profitieren,

Dumpingpreise bei allen Transporten

Auch das Ziel, Verkehr zu vermeiden und Transportwege zu verkürzen könnte der Schiene zugute kommen. Wenn realisiert würde, dass rund 50 Prozent des Güterverkehrs dadurch entsteht, dass ALLE Transporte zu Dumping-Kosten gefahren werden und dass damit absurde Arbeitsteilungen entstehen (Parmaschinken aus Fleisch aus den Niederlanden; der Joghurt-Becher, in dem mehr als 8000 Lkw-Kilometer "stecken" usw.), dann entfiele das Standardargument der Autolobby, die Bahn könne gar nicht viel des Lkw-Verkehrs übernehmen. All dies wäre ein Kontrastprogramm zur Bahnprivatisierung. Eine solche Politik der Verkehrswende orientiert sich weitgehend an dem, was es in der Schweiz im Schienenverkehr (noch) gibt. Es ist das Konzept einer "Bürgerbahn statt einer Börsenbahn".




Internet

Der Geschäftsbericht 1999 der Deutschen Bahn, in dessen Mittelpunkt die Zukunft des Unternehmens steht, ist nachzulesen oder runterzuladen im Internet unter

www.bahn.de/home/typ_b_files/db_home_geschaeftsbericht_99.shtml

Er kann dort auch per Post bestellt werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0011/0011012
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