Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 29.03.2004
Zur Druckversion .
Erik Spemann

Avantgarde oder "Rückfall in die forstpolitische Steinzeit"?

Bayerns rigoroser Spar- und Reformkurs: Das Beispiel Staatsforsten

Mit einer radikalen und umstrittenen Umstrukturierung der traditionsreichen Staatsforstverwaltung beginnt die bayerische Staatsregierung einen ganzen Reigen von Reformen zur Verschlankung der Verwal-tung des Freistaats. Von der CSU-Fraktion im Landtag bereits beschlossen, sieht es die Auflösung der bisherigen 128 Einheitsforstämter vor, wo bisher Forstbetrieb, hoheitliche Aufgaben und Beratung von Privat- und Körperschaftswäldern in einer Hand lagen. Stattdessen wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit einer klaren, betriebswirtschaftlich ausgerichteten Struktur und unternehmerischem Freiraum die Bewirtschaftung übernehmen. Die hoheitlichen Aufgaben werden getrennt und in die rund 50 Landwirtschaftsämter integriert. Außerdem sollen in den nächsten zehn bis 15 Jahren 1.000 Mitarbeiter eingespart werden, das sind rund 20 Prozent.

Gegen die Reform im 770.000 Hektar großen Staatswald laufen die Naturschutzverbände mit einer Million Mitgliedern Sturm und prüfen ein Volksbegehren zur Erhaltung der bewährten Einheitsforstämter. BUND-Chef Hubert Weiger sieht einen "Rückfall in die forstpolitische Steinzeit". Die SPD-Abgeordnete Heidi Lück befürchtet im Wald einen Qualitätsverlust, und der forstpolitische Sprecher der Grünen, Christian Magerl, warnt: "Der vermeintliche Einspareffekt steht in keinem Verhältnis zu den ökologischen Verschlechterungen."

Für Land- und Forstwirtschaftsminister Josef Miller werden durch die Reform die grundlegenden Zielsetzungen des bayerischen Waldgesetzes, vor allem die Gemeinwohlaufgaben des Waldes, nicht in Frage gestellt. CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann bekräftigte, dass davon kein Jota abgestrichen werde. "Das Gerede" von Kahlschlag oder Qualitätsverschlechterung in den Wäldern bezeichnete er als "reinen Unfug". Der für die Reformen verantwortliche Staatskanzleichef Erwin Huber, der die Neuordnung vorangetrieben hatte, rühmte das Vorhaben als "maßgeschneidert" für Jahrzehnte und stellte fest, eine wichtige Etappe der Verwaltungsreform sei genommen.

Rosskur im Staatswald

Huber hatte seine Rosskur im Staatswald bereits im Dezember und dann im Januar von der CSU-Fraktion absegnen lassen wollen, und zwar in der noch bedeutend drastischeren Form einer GmbH für den staatlichen Forstbetrieb. Der sollte mit seinen Gewinnen die wichtigen Gemeinwohlaufgaben selber finanzieren, zu denen auch die kostspielige Sanierung der vielfach vom Wild verbissenen Schutzwälder im Gebirge zählt. Doch die Regierungsfraktion sah eine Reihe wichtiger Fragen noch ungeklärt und verlangte zusammen mit der Opposition erst einmal eine bisher überhaupt nicht vorhandene Kosten-Nutzen-Analyse der möglichen Organisationsmodelle.

Bei einer Expertenanhörung vor dem Landwirt-schaftsausschuss wurde die derzeitige Form der Staats-forstverwaltung mit ihren Einheitsforstämtern von allen Fachleuten einhellig als die optimale und allen Bedürfnissen gerecht werdende Organisation bezeichnet. Bereits unter dem früheren Landwirtschaftsminister Reinhold Bocklet war sie umfassend verschlankt worden und hatte seit 1995 bereits 30 Prozent ihres Personals, 35 Forstämter, zwei Direktionen und über 130 Reviere abgebaut. Der reine Forstbetrieb schrieb schwarze Zahlen, doch die Erfüllung der besonderen Gemeinwohlaufgaben führte wieder in die Verlustzone. Die Staatsregierung mit ihrem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis 2006 sah Handlungsbedarf für ein stärker gewinnorientiertes Wirtschaften.

Die Kritiker der Huberschen Reformpläne warnten, dass angesichts sinkender Holzpreise die Erlöse aus dem Wald weiter zurückgingen. Dies würde zu ver-stärktem Einschlag und Raubbau führen, der die Nachhaltigkeit der Wälder und ihre Wohlfahrtswirkungen wie Hochwasser- und Lawinenschutz in den Bergen, Trinkwasserspeicher und Erholungsfunktion gefährde. Nach intensiven Diskussionen in der CSU-Fraktion einigten sich die Minister Miller und Huber bereits vor der Fertigstellung der Kosten-Nutzen-Analyse auf die Neugestaltung in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts und ließen die GmbH wie auch das Modell einer reformierten Forstverwaltung mit bisherigen Strukturen fallen.

Im Eilverfahren wurde hinterher die umfangreiche Analyse an einem Vormittag dem auswärts in einer Waldbauernschule an der Donau tagenden Landwirt-schaftsausschuss präsentiert - unter Abwesenheit der Opposition, die aus Protest gegen das Vorgehen der Sitzung ferngeblieben war und von einer "Schmieren-komödie" sprach. Am Nachmittag wurde die Vorlage zur Forstreform in der CSU-Fraktion nach kontroverser Diskussion bei nur zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung abgesegnet.

Nach der Kosten-Nutzen-Analyse von Minister Miller lassen sich mit der neuen Organisationsform im Laufe der nächsten Jahre bis zu 133 Millionen Euro einsparen. Andererseits hätte sich fast ähnlich viel mit einer Reform des bestehenden und von den Forstexperten favorisierten Systems sparen lassen. Der Unterschied zwischen beiden Modellen macht lediglich zwischen fünf und höchstens 15 Millionen aus - umgerechnet aufs Jahr nur zwischen 0,5 und 1,5 Millionen Euro. Der Forstetat allein für dieses Jahr umfasst 177 Millionen Euro.

Minister Miller versprach ein solides Konzept, damit die besonderen Gemeinwohlaufgaben des Staatswaldes, für die zur Zeit jährlich 18 bis 20 Millionen Euro aufgewendet werden, auch künftig über eine "externe Finanzierung" gesichert würden. Aus den rund 350.000 Hektar Körperschaftswald, wo der Freistaat auf Wunsch und gegen einen Bruchteil der Kosten die Betriebsleitung und -ausführung übernimmt, ist der Rückzug geplant beziehungsweise nach und nach die volle Berechnung der Aufwendungen. Die bisher kostenlose Beratung der 70.000 Privatwaldbesitzer - sie haben 54 Prozent der bayerischen Waldfläche in der Hand - wird sich künftig ausschließlich am Gemeinwohl orientieren. Die betriebswirtschaftliche Beratung soll von freiwilligen forstlichen Selbsthilfeeinrichtungen wahrgenommen werden.

Gestützt auf die Kosten-Nutzen-Analyse von Minister Miller kritisierte der Grüne Magerl, dass sich durch Abrücken von der bisherigen Struktur der Einheitsforstverwaltung Faktoren wie Nachhaltigkeit, Naturnähe und Zustand der Waldverjüngung verschlechtern würden. Es sei offensichtlich, dass die Umbaupläne nicht zu Gunsten des Forstes und der dort Beschäftigten beschlossen worden seien, sondern allein, um dem Druck aus der Staatskanzlei nachzugeben. Magerl: ""Der drohende Gesichtsverlust für Minister Huber wog offenbar schwerer als die Faktenlage."

Aus dem Umstand, dass die Kostenvorteile der neuen Betriebsstruktur vor allem auf einer angenommenen Erschließung neuer Geschäftsfelder beruhen, folgerte die SPD-Abgeordnete Lück, dass eine solche Erweiterung auf Kosten der Privatwaldbesitzer gehen werde. Die könnten "einpacken, wenn der Staatsforst seine Muskeln spielen lässt". Bisher hatte sich die Staatsforstverwaltung beim Einschlag mit Rücksicht auf die privaten Holzanbieter zurückgehalten.

Bereits vor dem Fraktionsbeschluss war ein Brief von Landtagspräsident Alois Glück (CSU) an die Minister Huber und Miller bekannt geworden, in dem er eine "Zielsetzung schwarze Null" zumindest für den Bergwald "nicht nur für illusorisch, sondern für gefährlich" hielt und die landeskulturellen Zielsetzungen in diesen wichtigen Regionen gefährdet sah.

Der Streit über Hubers Reform wird den Landtag weiter beschäftigen. Nachdem die CSU-Mehrheit einen ersten Anlauf der Grünen, über einen Dringlichkeitsantrag das Einheitsforstamt noch zu retten, abgeschmettert hat, stehen neue kontroverse Debatten ins Hohe Haus: Die von der CSU angestrebte Anstalt des öffentlichen Rechts für den Forstbetrieb kann nur auf der Grundlage eines Gesetzes gegründet werden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.