Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 29.03.2004
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Volker Koop

Vermittlung ohne Quotendruck

Bisher nur in Berlin zu empfangen: Das Parlamentsfernsehen

Wer will, kann sich über Satelliten unzählige Fernsehprogramme aus aller Welt in sein Wohnzimmer holen, um sein Informationsbedürfnis zu stillen. Nur eines kann er nicht: Debatten des Bundestages in voller Länge verfolgen, Anhörungen oder öffentliche Sitzungen der Ausschüsse. Dies ist bisher etwa 9.500 Zuschauern vorbehalten, die über das Berliner Breitbandkabelnetz ein bisher noch exklusives Angebot nutzen. Denn was vielen Bürgern - zwangsläufig - nicht bekannt ist: Ein Parlamentsfernsehen gibt es in Deutschland längst, wenn auch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Bisher sind es in erster Linie die Abgeordneten, die Fraktionen und ihre Mitarbeiter, einige Ministerien sowie eine Anzahl von Verbänden und Redaktionen, die live und unkommentiert Politik über den Hauskanal des Bundestages betrachten können.

Dabei war mit Umzug des Bundestages im Jakob-Kaiser-Haus zugleich modernste Fernsehtechnik installiert worden. Ein 100 Quadratmeter großes Studio und vier angeschlossene Regien lassen das Herz eines jeden Fernsehmachers höher schlagen. Plenardebatten sowie ausgewählte Ausschusssitzungen, Anhörungen und andere wichtige parlamentarische Ereignisse können aus bis zu fünf Sitzungssälen übertragen werden. Ideale Voraussetzungen also für ein bundesweites Parlamentsfernsehen?

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen ist dieser Überzeugung und hat in einem Schreiben an alle Abgeordneten einen entsprechenden Vorstoß gestartet. Er plädiert für eine Ausstrahlung des Programms per Satellit, durch den dann wiederum diverse Kabelanbieter und Direktempfänger bedient werden könnten. Schätzungsweise 16,7 Millionen Haushalte könnten auf diese Weise erreicht und neue Zielgruppen erschlossen werden.

Doch Börnsens Vision reicht über die bloße Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen und anderen parlamentarischen Ereignissen hinaus: "In Diskussionsrunden, Kurzmeldungen und Erklärstücken könnte dieses Programm umfangreiche Information und Dokumentation vermitteln, die in anderen Programmen aufgrund des Quotendrucks zu kurz kommen." Das Parlamentsfernsehen betrachtet er als "medialen Mittler" zwischen Parlament, Abgeordneten und Bürgern. Wähler könnten Fragen stellen und bekämen direkte Antwort von den politischen Entscheidungsträgern.

Der Deutsche Bundestag verfüge als einziges großes EU-Parlament über kein eigenes, landesweit empfangbares Parlamentsfernsehen, so, wie es sich beispielsweise in Frankreich und England, aber auch in den USA schon längst bewährt hat.

Die Anregung scheint - mit Abstrichen - auf Sympathie zu stoßen. So stellt Grietje Bettin, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, zunächst die Frage, ob zum Beispiel Debatten über ein eigenes Parlamentsfernsehen vermittelt werden sollten, wo es doch schon "Phoenix" gebe. Wenn sie sich mit Bekannten oder Kollegen über Plenarsitzungen unterhalte, höre sie immer wieder: "Die Zeit der großen Debatten ist doch vorbei." Einen solchen Satz will Grietje Bettin jedoch nicht gelten lassen und sagt: "Sicherlich, legendäre 'Redeschlachten' wie zu Zeiten Brandts oder Wehners gibt es kaum noch, aber die mediale Präsenz von Politik hat zugenommen. Für die Vermittlung und Transparenz von Politik gegenüber der Öffentlichkeit spielen die Debatten im Plenum eine zentrale Rolle. Selten kann Politik so anschaulich und lebendig dargestellt werden, wie mit schlagkräftigen Argumenten in einer gut pointierten Rede." Auf die Einspeisung des "Hauskanals" mit seinem auf höchstem technischem Niveau produzierten "Live aus dem Plenum"-Programm ins analoge Kabelnetz eingehend, meint die Parlamentarierin, dies erscheine ihr wenig sinnvoll, da dessen Kapazitäten begrenzt seien. Allerdings könnten die Kapazitäten des sich verbreitenden digitalen Empfangs für eine solche Ausstrahlung genutzt werden, und durch die Zunahme an Breitbandanschlüssen seien auch Online-Übertragungen gut vorstellbar. Ihre Einstellung fasst Grietje Bettin unter der Voraussetzung, dass nicht nur Plenumsdebatten übertragen, sondern auch öffentliche Ausschusssitzungen und Anhörungen gezeigt werden, so zusammen: "Der Deutsche Bundestag ist ein Herzstück unserer Demokratie, und ein öffentliches Parlamentsfernsehen könnte viel zu einer attraktiven Vermittlung von politischen Prozessen und Inhalten beitragen."

Eine Reihe stichhaltiger Gründe für ein landesweites Parlamentsfernsehen sieht auch Hans-Joachim Otto. Mehr Haushalte, so der FDP-Abgeordnete, könnten erreicht werden, und damit würden die parlamentarischen Vorgänge im Bundestag wesentlich mehr mündigen Bürgern zugänglich gemacht, als dies bisher durch das Phoenix-Programm der Fall sei. Bestehenden Tendenzen der medial vereinfachten Darstellung von Politik könne ebenso entgegen gewirkt werden wie den wie den Vorwürfen mangelnder Transparenz. Das belegten Vergleiche mit einigen europäischen Nachbarn. Zudem würde die im Bundestag bereits vorhandene Fernsehtechnik effizienter genutzt.

Dennoch aber gibt es für Hans-Joachim Otto auch einige wichtige Punkte, die nach seiner Auffassung gegen ein eigenständiges Parlamentsfernsehen sprechen. So geht er von erheblichen Mehrkosten und davon aus, dass der bisherige Etat des Bundestages für Öffentlichkeitsarbeit von 8,5 Millionen Euro um mindestens 50 Prozent erhöht werden müsste. Außerdem seien Kabelkapazitäten derzeit vollständig ausgelastet. Für den privaten Rundfunk bestünde daher die Gefahr, durch das Parlamentsfernsehen vom Markt verdrängt zu werden. Nach seiner Überzeugung spreche deshalb viel dafür, statt der separaten, kostenaufwändigeren Verbreitung des Parlamentsfernsehens in Verhandlungen mit den Verantwortlichen von Phoenix eine stärkere Parlamentsberichterstattung in diesem bereits vorhandenen Programm durchzusetzen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.