Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 35-36 / 23.08.2004
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Thomas Merten

Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Sehr kollegial" sei das Verhältnis der Mitglieder des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - über alle Parteigrenzen hinweg. Wer das sagt, muss es eigentlich wissen. Rudolf Kraus (CDU/CSU) steht dem Ausschuss seit nunmehr sechs Jahren vor. Der gelernte Baukaufmann und Betriebswirt aus dem oberpfälzischen Amberg, der seit 1976 dem Deutschen Bundestag angehört, nennt als Grund für diese Kollegialität das gemeinsame Ziel, das alle Ausschussmitglieder verbindet. Schließlich wollen alle die Armut in der Dritten Welt lindern, den Menschen, die auf der Schattenseite der Erde leben, eine bessere Zukunft ermöglichen.

Dabei geht es im Ausschuss nicht nur sehr kollegial zu, sondern es gibt in vielen Bereichen auch viele Gemeinsamkeiten. Freilich, das Geld für das zuständige Ministerium unter der Leitung von Heidemarie

Wieczorek-Zeul reicht nie. Aus der Sicht der parlamentarischen Opposition, der Rudolf Kraus angehört, ohnehin nicht. Er hat gegenwärtig keine Hoffnung, dass wenigstens bald die deutsche Selbstverpflichtung eingehalten wird, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe aufzubringen: "In absehbarer Zeit werden wir das nicht schaffen." Kraus könnte diesem Satz ein "leider" hinzufügen. Denn für notwendig hält er dieses Ziel.

Wird denn das Milleniums-Ziel eingehalten, nämlich bis 2015 die Armut auf der Welt zu halbieren? Rudolf Kraus wird sehr nachdenklich. Nach einer längeren Pause sagt er: "Wenn das so weiter geht, wohl nicht." Weil dieser ehrgeizige Plan eben auch erhebliche finanzielle Anstrengungen erfordert. Ein Blick auf die Finanzen des Bundes aber macht deutlich, dass das erforderliche Geld wohl nicht zur Verfügung stehen wird. Also keine Hoffnung? Vorsitzender Kraus: "Die Hoffnung darf man nie aufgeben. Im Blick auf die Dritte Welt schon gar nicht. Denn bei all unserer Arbeit geht es in erster Linie um Menschen in Not."

Freilich auch um die eigene Sicherheit. Je größer die Not in der Welt wird, die sozialen Spannungen wachsen, desto mehr wird auch die Sicherheit in Europa und damit in Deutschland gefährdet. Das Stichwort Internationaler Terrorismus soll an dieser Stelle genügen, der eng mit dem Islamismus verbunden ist. Aber auch die Flüchtlingsströme schwellen an, wenn den Menschen in der Dritten Welt immer mehr die Lebensgrundlagen entzogen werden - sei es durch Bürgerkrieg oder durch Naturkatastrophen. Je mehr die Ursachen für die sozialen Spannungen vor Ort bekämpft werden, desto besser auch für den industrialisierten Weltgürtel.

Rudolf Kraus hält nichts von einer Entwicklungshilfe, die eigene Interessen leugnet. So tritt er nicht zuletzt für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Ländern der Dritten Welt ein, durch die letztere am wirtschaftlichen Austausch teilnehmen können. Und wirtschaftlicher Austausch ist aus seiner Sicht allemal lohnender als staatliche Hilfe. Nicht nur ökonomisch, sondern auch menschlich. Denn durch den wirtschaftlichen Austausch wird die Leistung der Menschen in den Entwicklungsländern anerkannt.

Für selbstverständlich hält es Kraus, dass bei großer Armut oder bei schweren Naturkatastrophen schnell geholfen wird. Das gebiete schon allein die Humanität und sei aus dem christlichen Menschenbild nicht wegzudenken. Es gibt also keine einfachen Lösungen, sondern lediglich zahlreiche, eng miteinander verzahnte Möglichkeiten, um die Situation der Ärmsten zu verbessern.

Immer wichtiger werden aus der Sicht des Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Fragen der Umwelt und der klimatischen Veränderungen. Und die berufliche Ausbildung der jungen Generation in der Dritten Welt hat für Rudolf Kraus einen hohen Stellenwert. Je besser die Ausbildung eines Menschen, desto besser kann er sich behaupten.

Wer sich für die Dritte Welt engagiert, darf auch die Augen nicht vor den Problemen verschließen, die durch die einheimischen Politiker verursacht werden. So fehlt es aus der Sicht des CSU-Bundestagsabgeordneten nicht selten in den staatlichen Verwaltungen an mangelnder Kompetenz, Probleme anzupacken. Nicht zuletzt auch an sozialer Kompetenz. Dazu kommt das Problem der Korruption. Umgekehrt hält Kraus es für notwendig, die "Schieflage im Austausch von Rohstoffen" zu beseitigen. Soll heißen: Die Menschen in der Dritten Welt haben ein Anrecht auf einen gerechten Erlös für ihre Rohstoffe.

Damit stemmt sich Rudolf Kraus keineswegs gegen den freien Handel, der auch eine freie Preisgestaltung beinhaltet. Aber es gilt, die Auswüchse zu beseitigen. Etwa im Agrarhandel. Hier geht es auch um Subvention und Zölle, mit denen sich etwa die Europäische Union und die USA abzuschotten versuchen. Aber nicht nur. Vielmehr geht es darum, zu untersuchen, wer wirklich an den landwirtschaftlichen Produkten und Rohstoffen verdient. In der Regel nicht der Erzeuger. Kann hier nicht "transfair" helfen? Für Rudolf Kraus eine gute Sache, aber letztlich sei sie nur eine Nische. Es komme darauf an, gerechtere Preise für die Massenwaren zu erreichen. Nur dadurch könne der Lebensstandard in den ländlichen Gebieten der Dritten Welt verbessert werden.

Noch immer geben die Länder der Dritten Welt viel Geld für Rüstung aus, das dann für die Entwicklung der betreffenden Länder fehlt. Kraus: "Wir können keinem Land absprechen, sich selbst zu verteidigen." Allerdings sei es wichtig, den Bedarf an Waffen zurückzuschrauben und "echte Sicherheitspartnerschaften" zu erreichen. Mehr muss aus seiner Sicht im Kampf gegen AIDS getan werden. Denn diese Immunschwäche könne innerhalb kurzer Zeit viele Anstrengungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeiten zwischen Nord und Süd zunichte machen.

So notwendig die schnelle Hilfe im Katastrophenfall auch ist, so muss doch noch mehr Nachdruck auf die Nachhaltigkeit der Hilfe von der nördlichen Erdhalbkugel gelegt werden, findet der CSU-Politiker Kraus. Das betrifft nicht nur die Förderung der nachhaltigen Nutzung etwa der Regenwälder und anderer unverzichtbarer Waldgebiete, sondern auch die Verhinderung weiteren Abholzens mit der Folge der Bodenerosion. Zum Glück, so Kraus, gebe es nun auch in der Dritten Welt zunehmend Umweltbewegungen, die sich sehr stark für die Erhaltung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen einsetzten.

Mangelnde Rechtssicherheit

Viel muss noch für die Rechtssicherheit in der Dritten Welt getan werden. Das gilt, so der Vorsitzende des Entwicklungshilfe-Ausschusses des Bundestages, nicht nur für die Achtung der Menschenrechte. Auch für wirtschaftliche Investitionen müsse vielerorts mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Das sichere und schaffe neue Arbeitsplätze, die in der Dritten Welt dringend benötigt werden.

Skeptisch steht Kraus der multilateralen Hilfe für die Dritte Welt gegenüber, weil diese über zu wenig effektive Steuerungsmöglichkeiten verfüge. Bilaterale Hilfe hält er deshalb für effektiver. Mit Sorge schaut er nach Simbabwe, der einstigen Kornkammer Afrikas. Offensichtlich pralle der wirtschaftliche Druck auf die Regierung Robert Mugabes ab. Neben den Diktatoren in der Dritten Welt stellt auch der Islamismus aus der Sicht von Rudolf Kraus eine "Gefahr für die Entwicklung" dar.

Hat der Entwicklungshilfe-Politiker nicht viel mit dem sagenumwobenen Sysyphus gemein, der sich immer wieder damit abquält, den schweren Stein nach oben zu schieben? Doch Rudolf Kraus gibt zu bedenken: "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Thomas Merten Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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