Armut, Flüchtlingselend und Umweltzerstörung machen nicht an Ländergrenzen Halt. Wirtschaftliche und politische Krisen in aller Welt haben auch Einfluss auf uns Mitteleuropäer. Eine aktive und nachhaltige Entwicklungspolitik muss daher im Zeitalter der Globalisierung und deren Auswirkungen ein wichtiger Bestandteil der politischen Agenda sein.
In der deutschen Entwicklungspolitik gibt es unterschiedliche Ansätze. Neben dem Einsatz technischer Fachkräfte, für den vornehmlich die Eschborner Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) verantwortlich ist, spielen neben den freien Trägern in Entwicklungs- und Schwellenländern und den deutschen Kirchen auch die politischen Stiftungen eine bedeutende Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit. Bereits 1973 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die heute noch gültigen "Grundsätze für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den politischen Stiftungen" festgelegt.
Darin sind die Aufgaben der politischen Stiftungen in der Entwicklungspolitik klar definiert: Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, Verbreiterung der politischen Mitwirkung, Stärkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit. Hierbei steht die Förderung von Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit im Vordergrund. Ein Schwerpunkt ist dabei die Stärkung von Parteien und Gewerkschaften. Die Projekte der Stiftungen werden grundsätzlich in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in den jeweiligen Ländern durchgeführt. Dies können Parteien und Gewerkschaften, Unternehmervereinigungen, Jugend- und Frauenverbände, Bauernverbände, Genossenschaftsverbände und andere Selbsthilfeorganisationen sein.
Finanziert werden die parteinahen Stiftungen zu einem großen Teil durch Zuwendungen des Bundes und der Länder. Allein die Bundesregierung hat 2003 zur Unterstützung entwicklungspolitischer Vorhaben der politischen Stiftungen in den Partnerländern rund 187 Millionen Euro bereitgestellt. Hauptakteure sind die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) und die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS), vorher Bestandteil des Stiftungsverbandes Regenbogen. Sie alle eint der Einsatz für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. In der konkreten Ausgestaltung ihrer entwicklungspolitischen Tätigkeit gibt es jedoch unterschiedliche Gewichtungen:
Vorrangig arbeitet die FES auf dem Gebiet der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte. Die KAS ist in vielen Ländern insbesondere im Verfassungs- und Verwaltungsrecht engagiert, während die HBS vor allem in den Bereichen Lobbyarbeit für Justizreformen und der Rechtsberatung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen tätig ist. Die FES verbindet ihre internationale Arbeit mit Partnern in mehr als 100 Ländern der Welt. Ziel ihres Engagements ist es, zu mehr Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und gewaltfreier Konfliktregelung in Staat und Gesellschaft beizutragen.
Die Arbeitsschwerpunkte der FES-Büros entsprechen den Bedürfnissen der lokalen Partner. Bildung, Beratung und Erfahrungsaustausch werden durch Experten, Konferenzen, Seminare und Workshops vermittelt. Die Themenpalette ist breit: Von der Demokratisierung in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas über die Transformation in Mittel-, Ost- und Südosteuropa bis hin zu den Problemen der wirtschaftlichen und politischen Integration in Europa und weltweit. Zudem fördert die FES die aktive Kooperation mit anerkannten Netzwerken verschiedener Nichtregierungs-Organisationen (NRO), Fachverbänden und internationalen Organisationen wie dem Forum Weltsozialgipfel, dem Forum Menschenrechte, der NRO-Plattform der EU, UNICEF und UNESCO. Von den rund 111 Millionen Euro, die die FES 2003 in ihrem Etat zur Verfügung hatte, gingen 62,7 Millionen Euro in die internationale Zusammenarbeit.
Die entwicklungspolitischen Ziele der KAS sind die Schaffung menschenwürdiger Lebensverhältnisse in armen Ländern und die Förderung einer weltweiten nachhaltigen und friedlichen Entwicklung. Zentrale Leitmotive sind dabei internationale Solidarität und das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Entwicklungspolitik beinhaltet für die KAS deshalb nicht nur Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch die Verbesserung der internationalen - insbesondere der weltwirtschaftlichen - Rahmenbedingungen zugunsten der armen Länder. Dazu zählt auch das Eintreten für die Prinzipien "Sozialer Marktwirtschaft" im globalen Maßstab.
In mehr als 100 Ländern setzt sich die KAS für die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern ein, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern. Sie verfügt heute über ein globales Netzwerk an Partnerorganisationen und ehemaligen Stipendiaten. Die KAS hat 2003 bei einer Gesamteinnahme von rund 105 Millionen Euro 52,2 Millionen Euro in den Bereich der Entwicklungspolitik gesteckt.
Für die internationalen Kontakte der HSS ist das Institut für Auswärtige Beziehungen (IAB) neben dem Institut für Internationale Begegnung und Zusammenarbeit (IBZ) zuständig. Hauptaufgaben des IAB sind die Pflege der auswärtigen und internationalen Beziehungen (bilateral wie multilateral) sowie die Anbahnung, der Ausbau und die Vertiefung der Kontakte mit den jeweiligen Regierungen, Parlamenten und Organisationen im Ausland. Schwerpunkt der entwicklungspolitischen Tätigkeit ist auch hier die Zusammenarbeit mit politischen Parteien und Bewegungen.
Im IBZ kommen folgende Instrumente der Projektarbeit zum Einsatz: Politischer Dialog und gesellschaftspolitische Erwachsenenbildung; Verwaltungsförderung und Unterstützung bei der Bildung staatlicher Institutionen und rechtsstaatlicher Strukturen; Managementausbildung im öffentlichen und nichtstaatlichen Bereich; Duale berufliche Bildung. 2003 hat die HSS 18,6 Millionen Euro von insgesamt rund 43 Millionen Euro für ihre internationale Tätigkeit in mehr als 50 Ländern ausgegeben.
Auch für die FNS steht der Aufbau demokratischer, marktwirtschaftlicher und rechtsstaatlicher Strukturen in mehr als 50 Ländern im Vordergrund. Hauptanliegen der internationalen Stiftungsarbeit ist die Verwirklichung von Freiheit und Verantwortung. Organisiert wird die internationale Arbeit in den beiden Bereichen Internationale Zusammenarbeit und Politikberatung (IPZ) und Internationaler Politikdialog (IPD).
Regionale Initiativen
Konkret unterstützt die FNS lokale, regionale und nationale Initiativen zur Verwirklichung der Rechte von Minderheiten, zur demokratischen Kontrolle von Sicherheitskräften und zur Stärkung von internationalen Koalitionen für die Menschenrechte. Von den 2003 erzielten Einnahmen in Höhe von rund 40 Millionen Euro wurden 21,4 Millionen Euro für die internationale Zusammenarbeit ausgegeben.
Zu den entwicklungspolitischen Leitlinien der HBS zählen nachhaltige Entwicklung sowie die Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Fragen der Geschlechterdemokratie und die Frage von Gerechtigkeit im Sinne eines erweiterten Menschenrechtsbegriffs stehen hierbei im Vordergrund. Ferner stehen Fragen des Handels, der internationalen Finanzordnung, der Friedenssicherung und Konfliktbearbeitung mit zivilen Mitteln auf ihrer entwicklungspolitischen Agenda. Dazu kümmert sich die Stiftung in 60 Ländern um die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Sicherung des ökologischen Gleichgewichts. 2003 hat die HBS 20,4 Millionen Euro ihrer insgesamt zur Verfügung stehenden rund 38 Millionen Euro in die internationale Zusammenarbeit investiert.
Die seit vielen Jahren geleistete entwicklungspolitische Arbeit der politischen Stiftungen kann sich sehen lassen. Längst zählen sie zu den wichtigsten Akteuren in der Entwicklungszusammenarbeit. In vielen Gesellschaften der Erde sind durch sie große Fortschritte bei der Erweiterung politischer Partizipationsmöglichkeiten, Rechtssicherheit und Geschlechtergleichheit erzielt worden.
Im Zeitalter der Globalisierung und den damit gewachsenen Herausforderungen muss das Potenzial der bisherigen positiven Entwicklungen genutzt werden, um die Sprengkraft der globalen Probleme zu entschärfen. Den politischen Stiftungen wird dabei als Organisationen, die an der Schnittstelle zwischen Politik und Gesellschaft agieren, auch weiterhin eine wichtige Funktion zukommen.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Bonn.