Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 35-36 / 23.08.2004
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Lutz Warkalla

Renewables 2004 - doch die globale Energiewende ist noch nicht in Sicht

Hoffnung im Kampf gegen die Armut

Nein, mit afrikanischer Postkartenidylle hat dies nicht viel zu tun. Im Schutz des Dornbuschzaunes ducken sich die kaum 1,60 hohen Hütten der Massai auf den kargen Boden. Ein paar Hunde streunen. Nur das sanfte Rot der Abendsonne taucht die Szenerie in ein gnädiges Licht. Eine junge Frau lädt stolz zur Besichtigung ein. Nur gebückt ist die Hütte zu betreten, es geht durch einen schmalen Eingang erst scharf rechts und dann links wie durch einen Windfang in den Herdraum. Noch bevor sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, beginnen sie zu tränen - die "Küche" ist rauchgeschwängert von einem kleinen Feuer, vor dem eine weitere Frau hockt und kocht. Ein kleines Kind neben ihr blickt neugierig zu den Besuchern auf. Der Rauch beißt in den Augen. Eine rußende Öllampe spendet ein wenig Licht.

Es sind solche Lebensumstände, die sich hinter einer bedrückenden Statistik verbergen: Mehr als zwei Milliarden Menschen, das sind etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung, haben keinen Zugang zu einer modernen Energieversorgung. Die meisten von ihnen, vier Fünftel, leben in Entwicklungsländern, vor allem in den ländlichen Gebieten in Südasien und in Afrika. Gekocht wird mit Holz, Holzkohle oder getrocknetem Dung, meist auf offenem Feuer, oft in geschlossenen Räumen. Die Folgen sind fatal. Umweltschäden durch Abholzung, Bodenerosion, Atemwegserkrankungen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich allein 1,6 Millionen Menschen, weil sie in ständig verräucherten Räumen leben.

Die nackten Zahlen täuschen

Der Kampf gegen die Energie-Armut war das zentrale Thema der internationalen Konferenz Renewables 2004 Anfang Juni in Bonn. Die Konferenz sollte die Weichen für eine globale Energiewende stellen: Weg von den klimaschädlichen, fossilen Energieträgern wie Kohle und Öl, hin zu den modernen erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Biomasse. Derzeit decken die Erneuerbaren nach Angaben der Internationalen Energie Agentur in Paris nur 13,8 Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs. Der Anteil von Öl liegt bei 34,8 Prozent, Kohle 23,5 Prozent, Gas 21,1 und Atomkraft 6,8 Prozent.

Aber der Blick auf die nackten Zahlen täuscht, tatsächlich sieht die Bilanz noch schlechter aus. Denn von den 13,8 Prozent erneuerbarer Energien belegt allein die Biomasse elf Prozent. In Afrika deckt sie 50 Prozent des Energie-Verbrauchs. Ginge es allein um die Energiequelle, wäre der schwarze Kontinent Vorreiter bei den erneuerbaren Energien. Entscheidend ist aber die Art der Nutzung: Brennholz eingesetzt auf offenem Feuer ist pure Energieverschwendung. Wird Biomasse dagegen in effizienten Öfen oder in Biogasanlagen eingesetzt, ist es eine nachhaltige, moderne erneuerbare Energiequelle.

Der tatsächliche Anteil moderner erneuerbarer Energien ist sehr viel bescheidener: Von der Wasserkraft abgesehen (2,3 Prozent) spielen die erneuerbaren Energien im Weltmaßstab heute kaum eine Rolle:

- Erdwärme 0,442 Prozent,

- Sonne 0,039 Prozent,

- Windkraft 0,026 Prozent und

- Gezeiten 0,004 Prozent.

Aber umso größer ist das Potenzial: Die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs kann bis 2050 nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU) durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

"Ohne eine sichere und preiswerte Versorgung der Menschen mit Energie auch in Asien und Afrika ist keine wirtschaftliche Entwicklung möglich", sagt Robert Priddle, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur. Dann bleiben arme Menschen arm. Andererseits: Würden Entwicklungs- und Schwellenländer, allen voran China und Indien, sich künftig allein auf traditionelle Energieträger wie Kohle und Öl stützen, um ihren gigantischen Energieappetit zu stillen, dann wären die weltweiten Klimaschutzziele nur noch Makulatur.

Kein Wunder, dass Michael Hofmann, Leiter der Abteilung Globale Aufgaben im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, von einer "gigantischen Aufgabe" spricht, wenn es darum geht, die Energiearmut zu bekämpfen. Die Entwicklungsländer müssen überzeugt werden, dass sie den verschwenderischen, auf fossile Energieträger gestützten Entwicklungspfad des Nordens nicht nachahmen sollen, obwohl der Einsatz von erneuerbaren Energien derzeit rein betriebswirtschaftlich betrachtet oft noch deutlich teurer ist.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Sie sind - in den sonnenreichen Ländern - im Überfluss vorhanden, unerschöpflich und klimaneutral. Ihre verstärkte Nutzung trägt zur Entspannung der globalen Sicherheitslage bei, weil sie den Kampf um knapper werdenden Ressourcen wie Öl überflüssig macht. "Kriege um die Sonne wird es nie geben", sagte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul auf der Bonner Konferenz. Sie reduzieren die Abhängigkeit von Ölimporten: Das Preishoch dieses Jahres führt nach Angaben des BMZ bei den Entwicklungsländern zu einer Mehrbelastung von 60 Milliarden Dollar - das ist mehr als die gesamte staatliche Entwicklungshilfe weltweit. Und sie sind in den ländlichen Gebieten der armen Länder schon jetzt die kostengünstigste Variante, um überhaupt Strom verfügbar zu machen. Faltbare Solarpanels für Nomaden in der Mongolei, Kleinwasserkraftwerke in Tibet, Biogasanlagen in Nepal, Heim-Solar-Anlagen in Afrika, Windräder in China - alles längst ausprobiert und bewährt. Plötzlich gibt es Strom - nicht nur, um ein Radio oder Fernsehgerät betreiben zu können oder Licht in die Wohnräume zu bringen, sondern auch, um kleine Maschinen ans Laufen zu bringen. Das bedeutet neue Erwerbsmöglichkeiten, aber auch neue Bildungschancen. Aber das Hauptproblem bleibt: Die Finanzierung.

Umdenken eingeleitet

Ein Dorf mit Solarpanels auszustatten, mag zwar billiger sein, als es an das Stromnetz anzuschließen, aber umsonst ist es auch nicht. Zunächst muss investiert werden, und noch längst nicht überall gibt es Kleinkreditsysteme, die eine solche Investition überhaupt ermöglichen. Zudem ist es im armen Afrika nicht anders als im reichen Europa: Es herrschen unfaire Wettbewerbsbedingungen. Nicht nur, dass fossile Energieträger bisher massiv subventioniert werden. Vor allem werden in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Regel keine Folgekosten, vor allem keine Umweltkosten einbezogen. Dass die ungezügelte Nutzung fossiler Brennstoffe zu Umweltveränderungen führt, die das Leben unzähliger Menschen bedrohen und deren Bekämpfung enorme Kosten verursacht, findet in der Kosten-Nutzen-Rechnung keine Berücksichtigung.

Dennoch scheint die Renewables-Konferenz in Bonn ein Umdenken eingeleitet zu haben. Das Internationale Aktionsprogramm umfasst inzwischen 200 Beiträge, in denen sich Regierungen, Institutionen und Organisationen zum Ausbau erneuerbarer Energien bekennen. 20 Staaten haben konkrete Ausbauziele benannt. China beispielsweise will bis 2020 das Wirtschaftswachstum vervierfachen, den Energieverbrauch aber nur verdoppeln. 17 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs soll dann aus erneuerbaren Energiequellen stammen, Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 120 Gigawatt sollen Sonne, Wind, Biomasse und (kleine) Wasserkraft nutzen. "Dies entspricht der Leistung des gesamten derzeit in Deutschland installierten Kraftwerkparks", schwärmt Klaus Milke, stellvertretender Vorsitzender der deutschen Nord-Süd-Initiative Germanwatch. "Die Ankündigung ist sensationell."

Aber noch ist es ja auch nur eine Ankündigung, und die Zeiten ändern sich schnell. Südafrika etwa hat keine drei Wochen, nachdem es sich in Bonn zu den erneuerbaren Energien bekannt hat, erklärt, dass es sich auch in Zukunft auf zwei der umstrittensten Energieträger - große Wasserkraftwerke und Atomkraft - stützen will. "Wenn Afrika Sicherheit beim Zugang zu Energien haben will, kann es zum jetzigen Zeitpunkt keine Energiequelle auslassen, sonst können wir beim Thema Industrialisierung und Entwicklung jeglicher Art gleich alles dicht machen", erklärte Energieministerin Phumzile Mlambo-Ngcuka. Bis man wirklich von einer globalen Energiewende sprechen kann, wird es wohl noch einiges dauern. Lutz Warkalla


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