Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 49 / 29.11.2004
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Johanna Metz

Mädchen stark machen!

Gegen Gewalt und Diskriminierung

Viele Fotografen sind gekommen. Als Schauspielerin Katja Riemann und TV-Moderatorin Bärbel Schäfer den Raum in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin betreten, ist das Blitzlichtgewitter groß. Ein Foto von Schäfers Babybauch oder von Riemann im hellblauen Blümchenkopftuch - unwiderstehlich. Riemann ist genervt und fordert die Fotografen auf, endlich Ruhe zu geben, "schließlich sind wir doch wegen was anderem hier".

Wie wahr, denn beide sind als UNICEF-Botschafterinnen nach Berlin gekommen, um auf einer gemeinsamen Konferenz von UNICEF und Friedrich-Ebert-Stiftung am vergangenen Montag auf die weltweite Diskriminierung von Mädchen aufmerksam zu machen. Mit einem von Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Nichtregierungsorganisationen erarbeiteten Manifest will UNICEF ein Zeichen setzen, wirksamer gegen Menschenrechtsverletzungen an Mädchen vorzugehen und mehr für ihre Rechte zu tun. Motto des Aufrufs: "Mädchen stark machen".

Leben im Gefängnis

"Millionen von Frauen leben in einem Gefängnis aus Armut, traditioneller Benachteiligung und Machismo", kristisiert Esther Guluma, die UNICEF-Regionaldirektorin für Südasien. Der Organisation zufolge fehlen weltweit schätzungsweise 60 Millionen Frauen, weil weibliche Föten gezielt abgetrieben, Mädchen als Babys getötet oder so schlecht versorgt werden, dass sie sterben. Für Verbrechen, die Männer an Frauen begehen, weil sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlen, gibt es in 14 Ländern immer noch mildernde Umstände. Zwei Drittel der 875 Millionen Analphabeten weltweit sind Frauen. In Indien wird alle sechs Stunden eine jung verheiratete Frau verbrannt, totgeschlagen oder in den Selbstmord getrieben, weil sich die Familien über die Mitgift streiten. In Bangladesh wurden in den vergangenen vier Jahren mindestens 1.100 Frauen und Mädchen von Männern mit ätzender Säure überschüttet, etwa weil sie sich ihrem Mann verweigert oder eine Heirat abgelehnt hatten.

Hinter Monira Rahman, der Geschäftsführerin der Stiftung Säureopfer in Bangladesh, ist das Bild eines solchen Säureopfers zu sehen. Das Gesicht des jungen Mädchens ist von starken Verbrennungen gezeichnet, zum Schutz der empfindlichen Haut trägt es ein Tuch. "Die Schönheit einer Person zu zerstören, bedeutet, ihr ganzes Leben zu zerstören", findet Rahman. Denn es reiche nicht, das Gesicht durch kosmetische Eingriffe wieder herzustellen, auch das Selbstbewusstsein müsse mühsam wieder aufgebaut werden. Die entstellten Frauen würden gemieden, sie fänden keinen Ehepartner - und gerieten so an den Rand der Gesellschaft.

Vorrangiges Ziel von UNICEF ist es daher, die Gleichgültigkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen an Frauen durch Aufklärungskampagnen zu durchbrechen. Auch müssten Mädchen die Chance haben, zur Schule zu gehen und ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Ein eigenes Einkommen würde es ihnen ermöglichen, unabhängig zu werden und sich gegen alltägliche Diskriminierungen zur Wehr zu setzen.

"Als Mädchen geboren zu werden, kommt vielfach einem Todesurteil gleich", sagt Katja Riemann, selbst Mutter einer Tochter. Für UNICEF hat sie bereits Projekte im Senegal, in Moldawien und Rumänien besucht. "Wir in unserem reichen Land können nicht müßig sein, über Gleichberechtigung und Emanzipation zu sprechen", findet sie. Und Esther Guluma fügt hinzu: "Erst wenn die sozialen Werte geändert werden, können Mädchen weltweit die gleichen Möglichkeiten haben wie Jungen."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.