Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 49 / 29.11.2004
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Susanne Kailitz

Aufgekehrt...


Manchmal sind die Zeiten einfach spannend. Dann ist Schluss mit Lethargie und Ruhe, dann fallen allerorten Absurditäten ins Auge und jeder, der eine noch so unausgereifte Idee hat, scheint den Drang zu verspüren, diese auch lautstark zu verkünden.

Beliebtes Thema der vergangenen Wochen: Feiertage und ihre An- und Abschaffung. Erst soll der Tag der deutschen Einheit kostensparend und wirtschaftsankurbelnd nur noch Sonntags gefeiert werden, dann wird ein muslimischer Feiertag ins Gespräch gebracht, der das Verhältnis von Muslimen und Christen harmonisieren und nebenbei noch fundamentalistischen Terror abwehren soll. Genauso fix wie diese Geistesblitze das Licht der Welt erblickten, sind sie auch wieder beerdigt worden. Äußerst kurzlebig auch der Versuch des CSU-Landesgruppenchefs Michael Glos, Analogien zwischen Ministern und Bordellbesitzern herzustellen: kaum geplappert, schon zurückgenommen. Langfristiger angelegt scheint hingegen das Engagement der Kanzlergattin für bissfestes Hundespielzeug zu sein. Wenigstens noch bis Weihnachten werden die von ihr kreierten Accessoires und Adventskalender des First Dog in Drogeriemärkten zu erstehen sein. Und auch vor dem gemeinen Volk macht der alltägliche Wahnsinn nicht halt: Gerade erst wechselte beim Internetauktionshaus Ebay ein altes Käsebrot, auf dem die bisherige Besitzerin das Gesicht der Jungfrau Maria erblickt zu haben glaubte, für 28.000 Dollar den Besitzer.

Doch vielleicht handelt es sich bei all diesen Dingen überhaupt nicht um allgemeinen Irrsinn, Übersprungshandlungen von Politikern oder bedenkliche Langeweile einer Kanzlergattin. Was, wenn Wissenschaftler wie Martin Rees, Paul Davies oder Fred Hoyle mit ihren Vermutungen Recht behalten und die Menschheit tatsächlich in einer gigantischen Computersimulation lebt? Tatsächlich hat die These der Experten, es gebe Welten, in denen technisch so hoch entwickelte Zivilisationen leben, dass sie in ihren Computern ganze Universen samt dazugehöriger intelligenter Bewohner simulieren können, etwas Bestechendes.

Endlich machen bestimmte Vorgänge Sinn. Wenn Politiker und andere Menschen mit merkwürdigen Ideen und Aktionen für Verwirrung sorgen, ist das nicht Ausdruck von Publicitygeilheit, sondern einfach Teil eines ausgeklügelten Programms, mit dem sich computerbegeisterte Außerirdische amüsieren. Steuergesetze und Hartz-IV-Formulare sind von ihnen erschaffen worden, um die Figuren in ihrer Matrix vor extreme Herausforderungen zu stellen. Pannen bei der Maut? Undurchschaubare Konzepte bei der Gesundheitsreform? Alles Programmierfehler! Eine beruhigende Erkenntnis. Dumm wäre nur, wenn die Außerirdischen keine Lust mehr hätten und den Spaß mit einem knappen "Delete" einfach beenden würden. Aber wenigstens für den Moment steht das wohl nicht zu erwarten. Oder würden Sie freiwillig auf so spannende Unterhaltung verzichten?


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.