Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 05-06 / 31.01.2005
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Dieter Michel

Kaum Interesse am Volksentscheid

Sachsen-Anhalt: Keine Betreuung für alle Kinder

Bei der Kinderbetreuung bleibt In Sachsen-Anhalt alles beim alten. Der Volksentscheid zu diesem Thema ist mit einem klaren Votum deutlicher als vermutet gescheitert. Das Volksbegehren zur Kinderbetreuung (siehe "Das Parlament" Nr. 3/2005) verfehlte klar die notwendigen Mehrheiten. Für Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) ist das Ergebnis eindeutig: "Wir haben in Sachsen-Anhalt ein gutes Kinderbetreuungsgesetz, das Ergebnis des Volksentscheids ist der Beleg dafür", sagte er nach der Stimmenauszählung.

2,08 Millionen Wahlberechtigte waren am 23. Januar aufgefordert worden, ihre Stimme für oder gegen ein Kinderbetreuungsgesetz abzugeben, das das "Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt" in den Landtag eingebracht hatte. Es sah künftig wieder den Anspruch auf einen Ganztags-Betreuungsanspruch für alle Kinder unabhängig vom Erwerbsstatus ihrer Eltern vor.

Ausgangspunkt: Anfang 2003 hatte Sachsen-Anhalts CDU/FDP-Landesregierung mit den Stimmen der SPD einen Kompromiss geschlossen, der eine Ganztagsbetreuung lediglich für Kinder berufstätiger Eltern vorsieht. Die Kinder Nichterwerbstätiger sollten dagegen nur fünf Stunden täglich in Krippen oder Kindergärten betreut werden. Da die Hauptzeit der Bildung und Beschäftigung ohnehin der Vormittag sei, könnten alle Kinder soziale Kontakte pflegen und lernen. Arbeitslosen Eltern aber müsste es möglich sein, ihre Kinder am Nachmittag in der eigenen häuslichen Umgebung zu betreuen. Dagegen argumentierte die Initiative mit ihrem Gesetzentwurf: Alle Kinder sollten den gleichen Anspruch haben, sollten ganztägig betreut werden.

Während die Landesregierung betonte, mit dem gültigen Kinderbetreuungsgesetz ohnehin schon eine bundesweit einzigartige Kinderbetreuung zu besitzen, sammelte die Initiative 260.588 Unterschriften dagegen und stellte im Landtag den ihrer Meinung nach "besseren" Gesetzentwurf als direkten Bürgerwillen vor. Mit der Volksabstimmung hatten die Sachsen-Anhalter nun die Wahl, den neuen Vorschlag anzunehmen und damit das bestehende gültige Gesetz zu kippen und sich so wieder für die frühere Regelung zu entscheiden, allen Kindern einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung zuzugestehen, oder dagegen zu votieren.

Die Wähler haben entschieden: Statt der für einen Sieg der Volksinitiative notwendigen 521.258 Ja-Stimmen (25 Prozent aller Wahlberechtigten), wurden lediglich 331.913 erreicht. Im Gegensatz dazu hatten 216.626 Wähler mit ihrem Nein deutlich gemacht, dass ihrer Meinung nach das bestehende Gesetz mit lediglich einer fünfstündigen Betreuung pro Tag für Kinder von Nichtberufstätigen völlig ausreichend ist. Damit hatten offensichtlich viele gezeigt, dass die Gesellschaft nicht für alles verantwortlich sein könne und auch den Eltern Pflichten obliegen.

Für Katrin Esche, Initiatorin und Sprecherin der Volksinitiative, ist die Abstimmung "eine Enttäuschung, aber wir erkennen das Ergebnis ohne Wenn und Aber an". Auch die PDS, die die Initiative gemeinsam mit den Bündnisgrünen, den Gewerkschaften und selbst den Kirchen unterstützt hatte, zeigte sich vom Ergebnis der Abstimmung enttäuscht.

Was Wahlforscher schon am Abend nach der Abstimmung aufschreckte: Lediglich 26,4 Prozent der Wahlberechtigten waren im Land zwischen Elbe und Harz überhaupt zur Abstimmung gegangen. Landtagspräsident Adolf Spotka (CDU) sagte, für ihn sei wichtig gewesen, dass Befürworter und Gegner des Gesetzentwurfs mobilisiert wurden. Somit habe sich, Spotka zufolge, der Volksentscheid als politisches Instrument bewährt.

Nun bleibt das gegenwärtige Gesetz gültig. Ein Ergebnis, das auch Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) mit Interesse zur Kenntnis genommen haben mag: Bleibt ihm doch erspart, im Landeshaushalt einen Betrag von rund 40 Millionen Euro, den der neue Vorschlag gekostet hätte, durch Streichungen in anderen Ausgabebereichen zusammen zu kürzen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.