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April 04/2000
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Die Bundestagsfraktionen zum Ausländerzuzug

Zuwanderung regeln, aber wie?

Indischer Computerspezialist in Deutschland.
Indischer Computerspezialist in Deutschland.

Seit Bundeskanzler Gerhard Schröder vor wenigen Wochen eine Green Card für ausländische Computerspezialisten vorschlug, wird in Deutschland wieder verstärkt über Einwanderung diskutiert. Die Green Card soll – zeitlich befristet – den Einsatz ausländischer Spezialisten im Bereich der Informationstechnologien ermöglichen, um dort den Mangel an inländischen Arbeitskräften zu mindern. Blickpunkt Bundestag fragte Politiker der fünf Fraktionen, ob die Zuwanderung nach Deutschland kontrolliert werden soll, zum Beispiel durch ein Einwanderungsgesetz. Einig sind sich die Vertreter aller Bundestagsfraktionen nur in einem: Zuwanderung sollte geregelt werden. Wie dies genau geschehen soll und wann, darüber herrscht jedoch Uneinigkeit.

Sebastian Edathy, SPD
Sebastian Edathy, SPD

Einigung über Parteigrenzen hinweg finden

Als Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende Februar 2000 vorschlug, den Fachkräftemangel in der Computerbranche mittels befristeter Einstellung ausländischer Experten auszugleichen, machte er mehr als einen pragmatischen Vorstoß: Er belebte zugleich eine ins Stocken geratene Debatte über Zuwanderungsfragen.

Dass Deutschland ein Land ist, das Ziel (aber auch Ausgangspunkt) von Wanderungsbewegungen ist, wurde lange Zeit tabuisiert. Nicht zuletzt die Debatte über die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts hat dies deutlich werden lassen.

Zu- und Abwanderung halten sich die Waage

Worauf es ankommt, ist ein realistischer Blick: In den vergangenen Jahren haben sich Zu- und Fortzüge von Ausländern mit jeweils rund 600.000 ein- bzw. ausreisenden Personen die Waage gehalten. Das ist eine Bilanz, die vor allem jene zur Kenntnis nehmen sollten, die gelegentlich davon sprechen, es gebe in Deutschland gegenwärtig ein "Zuviel" an Zuwanderung.

Auch von einer ungeregelten Zuwanderung kann nicht die Rede sein, eher von einer unübersichtlich geregelten. Nur ein sehr geringer Teil der Zugewanderten aus Nicht-EU-Staaten kommt seit dem 1973 erfolgten Anwerbestopp zum Zwecke der Arbeitsaufnahme nach Deutschland. In der Mehrzahl handelt es sich bei den Migranten um EU-Bürger, die vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, um nachziehende Familienangehörige hier lebender Ausländer, um Spätaussiedler, um Asylbewerber oder beispielsweise um vorübergehend aufgenommene Bürgerkriegsflüchtlinge.

Angesichts von vier Millionen Arbeitslosen macht es gegenwärtig keinen Sinn, jenseits von Ausnahmebestimmungen eine Grundlage für zusätzliche Einwanderung mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme zu definieren. Mittelfristig freilich kommen wir nicht umhin, es zu tun.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die UNO veröffentlichten jüngst Studien zur Bevölkerungsentwicklung mit dem Fazit, dass angesichts rückläufiger Bevölkerungszahlen und steigender Lebenserwartung Zuwanderer mittel- und langfristig benötigt würden, um Arbeitsplätze nicht verwaisen zu lassen und den Sozialstaat auch in Zukunft finanzieren zu können.

Asylrecht steht nicht zur Disposition

Das ist aber keine tagespolitische Frage. Es sei denn, man will eine aktuelle Debatte missbrauchen, um das im Grundgesetz verbriefte Asylrecht oder den sich aus dem Schutz der Familie ergebenden Familiennachzug in Frage zu stellen. Ohne uns: Für die SPD-Bundestagsfraktion steht die Verfassung nicht zur Disposition.

Gerade weil mit Blick auf den Arbeitsmarkt kein rasches gesetzgeberisches Handeln im Sinne der Verabschiedung eines Zuwanderungsgesetzes erforderlich ist, sollte und muss die Chance genutzt werden, eine frühzeitige und möglichst breite, parteiübergreifende Verständigung über die Grundzüge einer solchen umfassenden Regelung einzuleiten.

Dabei gilt nicht zuletzt, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und sie nicht zu wiederholen: Wenn viele ältere Einwanderer, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, kaum Deutsch sprechen, dann liegt das oft daran, dass seitens der Aufnahmegesellschaft die Sprachvermittlung vernachlässigt worden ist und zugleich bei den Aufgenommenen das Gefühl, nur geduldete Gäste, nicht aber willkommene Nachbarn zu sein, persönliche Integrationsbemühungen nicht eben förderte.

Erforderlich ist daher ein Herangehen, das der Zuwanderung nicht nur unter quantitativen, sondern auch unter qualitativen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Integrationspolitische Maßnahmen gehören zwingend dazu. Und die Integrationspolitik in Deutschland zu verbessern, ist im Gegensatz zur Schaffung eines Zuwanderungsgesetzes ein tatsächlich dringliches Unterfangen.



Wolfgang Bosbach, CDU/CSU
Wolfgang Bosbach, CDU/CSU

Zuwanderung ist auf Dauer nicht tragbar

In den vergangenen Jahren haben wir uns viel zu lange mit der Erörterung der letztlich abstrakten Frage beschäftigt, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Mit einem Ja oder Nein auf diese Frage verbindet sich jedoch keinerlei Erkenntnisfortschritt oder gar irgendeine Problemlösung. Was wir brauchen, ist eine ruhige, ideologiefreie Ist-Analyse unserer Asyl- und Ausländerpolitik mit dem Ziel, Ursachen von Fehlentwicklungen zu verhindern und nicht bestreitbare Probleme zu lösen.

Durch die seit Jahrzehnten andauernde starke Zuwanderung, insbesondere von Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen, trägt unser Land eine Last, die es auf Dauer nicht tragen kann. Ein starker Zuzug ist in aller Regel nicht integrationsfördernd, sondern integrationshemmend. Und wenn für die Zukunft unseres Landes irgendetwas von überragender Bedeutung ist, dann eine gelungene Integration aller Migranten, die dauerhaft und rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland leben möchten.

Asylrecht: Nur Reform verhindert Missbrauch

Deshalb müssen wir den Zuzug von Nicht- EU-Ausländern weiter begrenzen, und wir brauchen innerhalb der Europäischen Union eine gerechte Verteilung derjenigen Belastungen, die mit der Aufnahme von einer großen Zahl asylbegehrender Ausländer und Bürgerkriegsflüchtlingen zwangsläufig verbunden sind. Natürlich muss und wird ein reiches Land wie Deutschland auch zukünftig aus humanitären Gründen politisch Verfolgten oder von Krieg und anderen Katastrophen Bedrohten Zuflucht bieten. Es geht lediglich um die Größenordnung und darum, dass wir nicht alleine und auf Dauer eine Last tragen können, die die meisten anderen europäischen Länder nicht tragen können oder nicht tragen wollen.

In diesem Zusammenhang muss auch die Frage erlaubt sein, ob wir uns auf Dauer unser derzeitiges, weltweit einzigartiges Asylrecht erlauben können, obwohl wir genau wissen, dass neun von zehn Asylbewerbern nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden, gleichwohl viele von ihnen dennoch auf Dauer in Deutschland bleiben. Niemand in der Union will das Asylrecht abschaffen. Aber wer es auf Dauer für die wirklich politisch Verfolgten erhalten will, muss bereit sein, es so zu reformieren, dass ein ganz überwiegender Missbrauch verhindert werden kann.

Zuwanderung: Ja, aber nur nach festen Regeln

Ich halte es für durchaus möglich, dass wir dann, wenn wir das aktuelle Problem einer letztlich ungeregelten Zuwanderung einer vernünftigen Lösung zuführen, neue Spielräume für eine z.B. auch in einem Zuwanderungssteuerungsgesetz geregelte Zuwanderung aus einem wohlverstandenen eigenen nationalen Interesse gewinnen; etwa zur Behebung eines konkreten Fachkräftemangels, für neue Investitionen und die damit verbundenen Wachstumschancen oder für Forschung und Lehre. Wir müssen dann allerdings deutlich sagen, nach welchen Kriterien die Auswahl derer vorgenommen werden soll, die ein Recht auf Dauerniederlassung im Bundesgebiet bekommen sollen.

Jedenfalls können wir nicht gleichzeitig einen ungesteuerten und derzeit unsteuerbaren Zuzug beibehalten, im europäischen Vergleich überproportionale Lasten tragen, durch Verwaltungsvollzug (etwa wie jetzt durch erleichterte Visa-Erteilung) neue Einreiseanreize schaffen und darüber hinaus weltweit zehntausend oder mehr Arbeitskräfte anwerben.

Was wir aber zunächst und vor allem brauchen, ist eine endlich konsequente Integrationspolitik. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um diejenigen ausländischen Mitbürger in unsere Gesellschaft zu integrieren, die auf Dauer in Deutschland bleiben wollen und die heute noch nicht integriert sind. Dies ist sowohl im Interesse der Migranten als auch unseres Landes.



Cem Özdemir, B'90/Die Grünen
Cem Özdemir, B'90/Die Grünen

Für eine weltoffene Republik

Bündnis 90/Die Grünen treten aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte für eine Neuorientierung in der Migrationspolitik ein. Wir brauchen eine transparente und menschenrechtsorientierte Konzeption der Einwanderungspolitik, die den humanitären, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird.

Mit der Entscheidung für eine begrenzte Anwerbung ausländischer EDV-Fachkräfte hat die Bundesregierung kurzfristig und flexibel auf einen vorhandenen Bedarf in der boomenden IT-Branche reagiert. Dieser Bedarf ist durch die kurzsichtige Politik der Regierung Kohl verursacht worden. Bei der Ausgestaltung der Zugangsregelung muss man sich von der verbreiteten Vorstellung eines Rotationsmodells für ausländische Arbeitskräfte verabschieden. Dieses Modell war schon in der Vergangenheit integrationspolitisch falsch.

Green Card: Kein Erfolg ohne dauerhaftes Bleiberecht

Ohne eine klare langfristige Perspektive für ein dauerhaftes Bleiberecht und großzügige Regelungen für den Familiennachzug wird die "Green Card" nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen.

Der durch die Green-Card-Initiative ausgelöste öffentliche Schlagabtausch zeigt die dringende Notwendigkeit einer sachlichen Debatte über die künftige Migrationspolitik. Wir brauchen ein grundlegend neues Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft, die die Zuwanderung und die Integration als Zukunftsaufgabe begreift. Wer glaubt, sich im "global village" eine ausschließlich national orientierte Bevölkerungs- und Migrationspolitik leisten zu können, wird nicht nur im internationalen Standortwettbewerb, sondern auch gesellschaftspolitisch auf das Abstellgleis geraten. Wer angesichts der sachlichen Notwendigkeit, zukunftstaugliche Konzeptionen zur Einwanderungspolitik zu entwickeln, mit laxen Sprüchen an ausländerfeindliche Instinkte appelliert, wie es derzeit Herr Rüttgers und die NRW-CDU mit einer unsachlichen Kampagne erneut aus wahlkampftaktischen Gründen versuchen, handelt nicht nur fahrlässig, sondern vergibt wirtschaftliche Chancen und stiftet gesellschaftlichen Unfrieden. Dies gilt auch für jene in der F.D.P., die unter dem Deckmäntelchen der Modernität und dem Stichwort "Zuwanderungsbegrenzung" die Gültigkeit der Menschenrechte für Flüchtlinge in Frage stellen und das individuelle Recht auf Schutz beseitigen wollen. Die weitere Entwicklung westlicher Gesellschaften ist nicht denkbar ohne das grundlegende Bekenntnis zu den individuellen Rechten des Einzelnen – auch von Flüchtlingen. Was der Westen z.B. China oder Indonesien vorhält – keine Entwicklung ohne Menschenrechte -, gilt als Maßstab erst recht für Deutschland und die Europäische Union.

Ausländische Spezialisten schaffen Arbeitsplätze

Der Zuzug von ausländischen Spezialisten ist wirtschaftspolitisch richtig und führt – das zeigen die Erfahrungen in den USA – zu einem arbeitsplatzschaffenden Aufschwung. Diese Chance sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Wir sind uns hier mit den Arbeitgeberverbänden und führenden Vertretern der deutschen Wirtschaft einig.

Eine sozial verträgliche und moderne Einwanderungspolitik wird eine gesetzliche Grundlage brauchen, die zum Beispiel sicherstellt, dass künftig alle Neueinwanderer einen verbindlichen Integrations- und Sprachkurs nach holländischem Beispiel absolvieren. Ein solches Gesetz hat nicht nur die Chance, unser Land gesellschaftlich, sozial, kulturell und wirtschaftlich weiterzubringen, sondern auch die Möglichkeit, die ernst zu nehmenden Sorgen in der Bevölkerung, etwa um den eigenen Arbeitsplatz, aufzunehmen.



Guido Westerwelle, F.D.P.
Guido Westerwelle, F.D.P.

Zuwanderung kontrollieren und steuern

Die Zuwanderung nach Deutschland verläuft bisher weitgehend ungesteuert und unkontrolliert. Sie vollzieht sich im Wesentlichen als Zuzug von Asylbewerbern, so genannten "Kontingentflüchtlingen", Aussiedlern und Ausländern, die im Wege des Familiennachzugs einreisen. Eine Zuwanderung mit dem Ziel, in Deutschland zu arbeiten, ist – abgesehen von Bürgern aus der EU – nahezu ausgeschlossen. Die ungeregelte Einwanderungssituation belastet seit Jahren das politische Klima in Deutschland.

Zuzug an Interessen unseres Landes ausrichten

Deshalb ist eine klare und transparente Regelung notwendig mit dem Ziel, die Zuwanderung quantitativ zu begrenzen und zugleich an den wohlverstandenen berechtigten Interessen unseres Landes auszurichten.

Die F.D.P.-Fraktion hat bereits zu Beginn der Legislaturperiode als einzige Fraktion des Deutschen Bundestages den Entwurf eines Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes vorgelegt. Es bietet Zugangsmöglichkeiten für diejenigen Ausländer, die Deutschland gut gebrauchen kann, und begrenzt gleichzeitig die Zuwanderung der Ausländer, die wir nicht so gut gebrauchen können. Unsere humanitären Verpflichtungen bleiben davon unberührt. Für andere Länder ist eine solche Regelung längst eine Selbstverständlichkeit. Vorrangiges Ziel des Gesetzes ist es, den Zuzug unter Einbeziehung aller maßgeblichen Gruppen berechenbar zu machen. Zu diesem Zweck werden in Zweijahresabständen jährliche Gesamthöchstzahlen festgelegt. Innerhalb dieses Rahmens werden Teilquoten für die verschiedenen Teilgruppen bestimmt. Dementsprechend wird es eine Quote für Arbeitszuwanderer geben. Bei Bedarf wird durch eine Nachsteuerung sichergestellt, dass die geltende Gesamthöchstzahl nicht überschritten wird. Die F.D.P. will nicht mehr Zuwanderung, im Gegenteil: Wir wollen eine bessere Begrenzung und Steuerung der vorhandenen Zuwanderung.

Die Auswahl der Arbeitszuwanderer soll sich an den wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik ausrichten. Daher sind Qualifikation, Sprachkenntnisse und Integrationsfähigkeit besonders zu berücksichtigen. Dadurch werden mittelfristig bedarfsorientierte Zuwanderungsmöglichkeiten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit geschaffen. Das ist besser als kurzatmige so genannte "Green-Card"-Aktionen. Die Bestimmung über den jeweiligen Bedarf und sinnvolle Auswahlkriterien ist eine politische Entscheidung, die von einer unabhängigen Kommission unter Einbeziehung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen einschließlich beispielsweise der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, Kirchen, und Kommunen vorbereitet wird.

Asyl und Zuwanderung müssen entkoppelt werden

Die humanitären Verpflichtungen Deutschlands bleiben gewahrt. Aber: Wir dürfen die Zuwanderung nach Deutschland nicht wie bisher weitgehend über das Asylverfahren stattfinden lassen. Asyl und Zuwanderung müssen deshalb voneinander abgekoppelt werden und sollen sich nach unserem Gesetzentwurf gegenseitig ausschließen: Wer einen Asylantrag gestellt hat, kann keinen Antrag mehr auf Zuwanderung stellen. Die Asylbewerberzahlen werden auf das Gesamtzuwanderungskontingent angerechnet. Je mehr anerkannte Asylsuchende es gibt, desto weniger Zuwanderer wird es geben können. Umgekehrt gilt aber auch: Schon die Verabschiedung unseres Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes wird eine Senkung der Asylbewerberzahlen bewirken, weil es für keinen Zuwanderungswilligen mehr Sinn macht, einen aussichtslosen Asylantrag zu stellen. Das schafft den nötigen Spielraum für die Aufnahme ausländischer Experten, die für den Ausbau von Wachstumsbranchen in Deutschland dringend gebraucht werden.



Petra Pau, PDS
Petra Pau, PDS

Bundesrepublik war schon immer Einwanderungsland

Die von der SPD vorgeschlagene Green Card für Computerspezialisten hat die Kontroversen belebt, die immer zu erwarten sind, sobald "Ausländer" zum innenpolitischen Thema gemacht werden. Genauso prompt wie bei der Einführung des "Doppelpasses" versuchen CDU-Politiker zusätzliche Emotionen zu schüren, diesmal "Inder" gegen deutsche Kinder auszuspielen. Und wieder einmal steht die Frage im politischen Raum: Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz?

Mein erstes Problem: Es wird ein Gesetz gefordert, ohne die Realität anzuerkennen, nämlich dass die Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung ein Einwanderungsland ist. Erst kamen die Nachkriegsflüchtlinge, später angeworbene Arbeitskräfte, es folgten nachziehende Familien, Aussiedler, Bürgerkriegsflüchtlinge, und auch die zunehmende Binnenmigration innerhalb der EU gehört zu den Fakten. So lange jedoch verdrängt oder geleugnet wird, dass wir ein Einwanderungsland sind, so lange läuft jede rechtliche Reglementierung Gefahr, zum Einwanderungsverhinderungsgesetz zu verkommen.

Es geht um Menschen – nicht um ihre Verwertbarkeit

Ein zweites Problem entfaltet sich beim Versuch, über ein Einwanderungsgesetz das ohnehin geschwächte Asylrecht weiter zu beschneiden. Dies geschieht zwangsläufig, sobald zum Beispiel eine maximale Jahresrate zuziehender Menschen definiert wird. Würde dieses willkürliche Limit durch Einwanderung erreicht, ginge das Asyl-"Kontingent" gegen null oder andersherum. Beides, Einwanderung und Asyl, müssen daher strikt getrennt bleiben.

Womit ich beim dritten Problem wäre: Es geht um Menschen, und von dieser banalen Erinnerung müssten alle Regelungen geprägt sein. Im Mittelpunkt der laufenden Debatten aber steht deren Verwertbarkeit. Einwanderer sind ja nicht deswegen plötzlich gefragt, weil sie – um im Bild zu bleiben – Inder sind, sondern weil man sich von bereits ausgebildeten Computerexperten schnellen Profit verspricht. Wo aber die Verwertbarkeit höher rangiert als der Mensch selbst, werde ich hellhörig. Allemal bei der dazu verbreiteten Äußerung des CDU-"Hoffnungsträgers" und Fraktionsvorsitzenden Merz, er wolle nicht an die Lehren des Nationalsozialismus erinnert werden. Auch alle Warnungen, Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Migranten seien vor allem eine Bedrohung für den deutschen Arbeitsmarkt oder die Sozialsysteme, sind gleichen Geistes. Menschen werden nach finanziellem Gewinn oder Verlust taxiert, sie werden abgewertet oder als Sozialdumping-Konkurrenz missbraucht.

Endlich UN-Konvention über Wanderarbeiter ratifizieren

Ich meine: So lange Prämissen schlecht sind, können daraus abgeleitete Regularien nicht gut werden. Das gilt auch für ein Einwanderungsgesetz. Viel wäre schon gewonnen, wenn die Bundesrepublik die UN-Wanderarbeiterkonvention ratifizieren würde. Sie beinhaltet u.a. das Recht auf Familiennachzug, auf gleiche Arbeitnehmerrechte, das Recht auf Ausbildung für Kinder, auf freie politische und gewerkschaftliche Betätigung. Nur danach wird nicht gefragt – warum?



Infos

Informationen zu den Plänen der Bundesregierung für eine Green Card sind zu finden auf den Internet-Seiten des Bundesarbeitsministeriums:

www.bma.bund.de/de/aktuell/thema.html

Informationen zur Ausländerpolitik gibt es auch beim Bundesministerium des Innern

www.bmi.bund.de/themen/in_staatsrecht2.html

sowie bei der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen:

www.bundesauslaenderbeauftragte.de

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0004/0004065
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