"Die Sicherheitslage im Norden Malis wird durch bewaffnete, grenzüberschreitende Gruppierungen erheblich gefährdet. Vor Reisen nördlich von Timbuktu wird gewarnt", heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes. Der Schock über die Entführung von 14 mehrheitlich deutschen Geiseln in der algerischen Sahara im Sommer 2003 wirkt nach in offiziellen Verlautbarungen. Die Geiseln wurden freigelassen, nicht zuletzt wegen der Intervention von Malis Präsident Touré, der damals ihre Übergabe aushandelte. Die Entführer gehörten einer islamistischen Salafisten-Gruppe namens "Predigt und Kampf" an.
Nicht zuletzt wegen der Hilfe Malis bei der Lösung des Geiseldramas ist das Verhältnis zwischen Berlin und Bamako gut. Deutsche sind dort beliebt: "Ihr wart das erste Land, das Mali nach seiner Unabhängigkeit im September 1960 anerkannte", erinnern sich ältere Menschen. Das Handeln der damaligen Bundesregierung war der Hallstein-Doktrin zuzuschreiben: Bonn wollte einer Erstanerkennung Malis durch die DDR zuvorkommen.
Neben Französisch, der Sprache der ehemaligen Kolonisatoren, ist Deutsch heute in Mali zweitwichtigste Fremdsprache. Mehr als 100 Lehrer unterrichten 30.000 Schüler in der Sprache Goethes, vielfach noch vor dem Englischen. "Wir lesen gerade Hegel", erzählt ein schwarzköpfiger Zehntklässler eines Internats in Bandiagara im Dogonland.
Die Region ist mit ihrer 200 Kilometer langen und über 100 Meter tiefen Felsklippe landschaftliche und touristische Attraktion. Seit den späten 70er-Jahren sind GTZ und DED dort im Bau von Straßen und kleinen Staudämmen aktiv. Angebaut werden Hirse und Zwiebeln. Letztere werden mittlerweile mit Gewinn bis nach Bamako verkauft. Trotzdem lebt Mali unverändert im Angesicht von Naturkatastrophen. Eine Heuschreckenplage vernichtete im vergangenen Herbst große Teile der Ernte im Zentrum des Landes. "Es war wie eine Wolke, die aus der Ferne kam und die Sonne auf einmal verdunkelt hat. In Minuten waren alle Blätter an den Bäumen abgefressen", erzählen Bewohner aus der Hafenstadt Mopti.
Auch wiederkehrende Dürren werfen die Landwirtschaft zurück. Anfang der 70er-Jahre war dies ein Grund für die im Norden nomadisierenden Tuaregs, ostwärts zu ziehen. Ende der 80er-Jahre griffen die Tuaregs dann zu den Waffen gegen die Zentralregierung in Bamako. "Es gab damals keine Demokratie für uns in den eigenen Staatsgrenzen", erinnert sich Many. Die Regierung war autoritär. Viele der Jüngeren sind nach Algerien und Libyen gegangen. Dort sind sie an der Waffe ausgebildet worden. Man hat ihnen eingetrichtert, dass sie Boten einer Revolution für die Sache der Tuaregs seien. Der Tuareg-Aufstand in Mali hat von 1990 - 96 gedauert und mehrere tausend Tote gefordert. Heute steht in Timbuktu eine in Marmor gehauene "Flamme des Friedens" als Mahnmal, mit eingemauerten Maschinengewehren. "In der Regierung hat man verstanden, dass der Norden Malis mehr Aufmerksamkeit braucht, mehr Schulen, Straßen und Krankenhäuser. Die Aufständischen von damals sind heute in die malische Armee integiert, sind Offiziere und Patrioten geworden. Das ist ein Erfolg", findet Many, der mittlerweile das Musikfestival von Essakane leitet, ein Treffen der Weltmusik zu dem jedes Jahr Anfang Januar in der Wüste Malis tausende Afrikaner und Europäer zusammenkommen.
Zwei Drittel von Mali sind Staubland: Sahara oder angrenzende Sahel. Trotz dieser geographischen Last haben sich Regierung und Entwicklungshilfeorganisationen die Dezentralisierung der Kommunen auf die Fahnen geschrieben. Weil das deutsche föderale System als beispielhaft gilt, berät die GTZ eine Reihe malischer Gemeinden. Zum Beispiel gibt es so genannte Lokalkonventionen für den Umgang mit natürlichen Ressourcen: Brennholz, Wasser, Weideland.
"Immer wieder herrscht Streit zwischen Bauern und Nomaden, weil Letztere ihre Tiere einfach auf den Feldern weiden lassen", erzählt Abba Coulibaly, Bürgermeister von Sagala. "Dadurch wurden Ernten zerstört. Es kam zu Kämpfen deswegen, es gab sogar Tote." Kommunikation hilft, und deshalb wurde eine Rundfunkstation in Sagala errichtet, über die nun Bekanntmachungen für die Feldernutzung verkündet werden. Es ist keine Seltenheit, Bauern und Kinder auf dem Feld mit Transistor-Radio bei der Arbeit zu sehen. Die GTZ hat einen Großteil der technischen Geräte für die Radiostation von Sagala bezahlt.
Bei einer Analphabetenrate von 63 Prozent und einem Pro-Kopf-Einkommen, das nach wie vor zu den niedrigsten der Welt gehört, ist Bildung eine Investition in die Zukunft. Oft sind es private Initiativen, die Dinge bewegen. Der Verein "Dogon-Schulen" zum Beispiel: "Wir bauen und renovieren Gebäude, statten sie mit Mobiliar, Lehrbüchern und Stiften aus und schaffen so Hunderten von Schülern bessere Bedingungen", sagt Hauke Nagel, von Beruf Lehrer.
Ein anderer deutscher Verein, "Cargo", hat erstmals Schulbücher in Tamaschek, der Sprache der Tuareg, entwickelt und gedruckt. Bisher sind diese Bücher im benachbarten Niger im Einsatz, ihre Verbreitung würden sich auch malische Tuareg wünschen, wie sie versichern.
Im afrikanischen Vergleich ist Mali ein demokratisches Musterland. Ein Offizier leitete 1990 einen erfolgreichen "coup d'Etat" ein, nachdem der amtierende Präsident Moussa Traoré den Protest der Straße blutig niedergeschlagen hatte. Vergleichsweise rasch und nachhaltig gedeihen seitdem Meinungs- und Pressefreiheit. Was Mali derzeit fehlt, ist eine Opposition. Die Allparteienregierung von Präsident Touré scheint das Land eher zu lähmen. "Die letzten beiden Jahre vergingen wie Blei", sagt ein Taxifahrer in Bamako. Die Demokratisierung wird untergraben von Korruption. Bürgermeister in der Hauptstadt sind dafür bekannt, dass sie Grundstücke erst parzellieren und dann verkaufen, um sich damit die Taschen zu füllen. Ähnliche Geschäfte machen auch Bürgermeister anderer Gemeinden.
Während der Rap-Musiker Tiken Jah Fakoly aus der Elfenbeinküste in Mali politisches Asyl genießt, kritisieren die drei Rapper von "Tata Pound" die eigene Regierung: "Stimmen werden gekauft. Die demokratischen Institutionen haben sich in Rauch aufgelöst, denn sie nützen nur noch den Abgeordneten. Die Interessen des Volkes sind vergessen", heißt es in einem ihrer Texte. All das wird ohne Problem geduldet. Als Hoffnungszeichen können die jüngsten Kommunalwahlen gelten: mit 40 Prozent beteiligten sich dabei fast doppelt so viele Wähler wie vier Jahre zuvor.
Gold und Baumwolle sind Malis Exportschlager. Seit jedoch die US-Regierung unlängst die einheimischen Baumwoll-Farmer mit neuen Subventionen versehen hat, sank der Preis der malischen Baumwolle auf dem Weltmarkt von 210 auf 160 Franc-CFA. "Jeder Dritte Arbeitsplatz hängt an der Baumwolle", erklärt Inge von der Ley von der GTZ, "die Regierung befürchtet, dass vorschnelle Reformen in der Baumwoll-Industrie zu massiver Arbeitslosigkeit führen könnten". Genau das aber fordert die Weltbank seit Jahren. Man hat sich erst einmal vertagt.
Rund 60 Prozent der Malier leben unterhalb der Armutsgrenze. Viele Männer gehen deshalb als Saisonarbeiter in die benachbarte Elfenbeinküste. Das ist eine der Quellen für AIDS. Offiziell liegt die Quote in Mali bei 1,7 Prozent. Äußerst niedrig im Vergleich zu Namibia oder Botswana, wo jeder dritte infiziert sein soll. "Die offizielle Statistik in Mali entspricht nicht der Wirklichkeit", meint Hauke Nagel. Aboubakar Coulibaly ist Mitte 20 und Vorsitzender einer Anti-AIDS-Initiative im Kreis Koro. Mit Theater- und Filmvorführungen in Dörfern bemüht er sich um Aufklärung. "Nicht wenige meiner Landsleute glauben noch immer, dass Franzosen und Europäer Neugeburten verhindern und Mali damit schaden wollen. Hier in Dourou, wo ich unterrichte, wissen die Menschen nichts von der Krankheit. Viele Frauen werden unverändert beschnitten. Dabei wird ein und dasselbe Messer benutzt. Ein Grund, warum sich der Virus verbreiten kann." Sex-Tourismus ist eine weitere Ursache für AIDS.
Neun von zehn Maliern bekennen sich zum Islam. Anders als Algerien, Libyen oder Ägypten ist Mali qua Verfassung ein laizistischer Staat. Es gibt keine Rechtsprechung nach der Scharia. Überhaupt scheint der Islam vielfach ein Zuckerguss auf einer darunter liegenden Schicht animistischen Glaubens zu sein. "Die Malier sind keine Sklaven ihrer Religion und sie leben keineswegs trocken, Alkohol ist hier nicht verboten", erklärt Ross Velton, der den aktuellsten und eingängisten Reiseführer über Mali verfasst hat.
Djenné, die Stadt mit der größten Lehmmoschee der Welt im Herzen Malis, gilt als besonders gläubig. "Manche Eltern schicken ihre Kinder lieber hierher statt in die staatlichen Schulen", sagt Kumbaba Tanapo, ein Marabout, wie sich hier die Mullahs nennen. "Wir vertreten nicht die strenge wahhabitische Auslegung des Islam. Der Islam in Mali ist sufistischer Prägung." Auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass einige Gemeinden und Schulen Geld aus Saudi-Arabien beziehen, eine Fundamentalisierung ist in Djenné nicht sichtbar.