Europa. Zur Ratifizierung des Vertrages über die Verfassung der Europäischen Union (EU) hat die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt (15/4900). Mit dem Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen für das Inkrafttreten der EU-Verfassung geschaffen werden, heißt es in dem Entwurf, der zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates (15/4939), Gesetzentwürfen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (15/4925) und der CDU/CSU (15/4716) ) sowie Anträgen der Koalition (15/4936) und der FDP ( 15/4937) am 24. Februar in erster Lesung beraten wurde.
Laut Regierung stärkt die EU-Verfassung die Handlungsfähigkeit der erweiterten EU, den Grundrechtsschutz durch die Rechtsverbindlichkeit der europäischen Grundrechts-Charta und die Rechte des Europäischen Parlaments. Außerdem erhielten die nationalen Parlamente Mitwirkungsrechte im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle. Der Ratifizierungsentwurf enthält auch den Wortlaut des europäischen Verfassungsvertrages. Darin sind alle relevanten Wechselbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, darunter die Finanzen der Gemeinschaft, der Binnenmarkt, die Wirtschafts- und Währungspolitik, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie andere Politikbereiche wie Arbeitsmarkt, Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucherschutz, Verkehr, Forschung und polizeiliche Zusammenarbeit geregelt. Neu justiert wurden für den Verfassungsvertrag auch die institutionelle Arbeitsweise der EU-Organe und die Entscheidungsmechanismen. Die Ratifizierung des Verfassungswerks bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Die Verfassung kann erst dann in Kraft treten, wenn sie von allen 25 Mitgliedstaaten ratifiziert wird.
In der Stellungnahme der Länderkammer wird unter anderem gefordert, entsprechend der EU-Verfassung den Informationszugang und die Verfahren so zu gestalten, dass die Länder von ihrem Recht umfassend Gebrauch machen können, einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip zu rügen. So soll die EU nur solche Aufgaben übernehmen, die sich einzelstaatlich nicht befriediegend lösen lassen. Andere Länderwünsche beziehen sich auf die Klarstellung von Begriffen und einen Zugriff im Vorfeld der Gesetzgebung, der eine Grundgesetzänderung erfordern würde. In ihrer Gegenäußerung begrüßt die Bundesregierung zunächst die breite Zustimmung der Länder zum EU-Verfassungsvertrag. In der Sache betont sie, bei der Umsetzung in nationales Recht seien innerstaatliche Regelungen nur in dem durch den Verfassungsvertrag erforderlichen Umfang zu ändern. Weitergehende Änderungen seien aus ihrer Sicht nicht notwendig.
Parlamentarische Mitwirkung betont
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU will die Mitwirkungsrechte des Bundestages in EU-Angelegenheiten ausweiten. Danach reichen diese Rechte vom grundsätzlichen Weisungsrecht gegenüber der Regierung "vor deren Zustimmung zu EU-Rechtsakten" bis zur Zustimmungserfordernis bei wichtigen Entscheidungen. Neben der Repräsentanz der Abgeordneten in der deutschen Vertretung bei der EU ist im Unions-Entwurf auch das Verfahren einer Klageerhebung des Bundestages bei Verstößen gegen die Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit festgelegt. Gemäß dem Protokoll im Verfassungsvertrag müsse eine solche Klage von der Bundesregierung namens des Deutschen Bundestages beim Gerichtshof eingereicht werden. Die Bundesregierung handele also lediglich als Bote.
Des Weiteren sollen Regierung und Bundestag die Informationspflichten der Regierung präzisieren, um dem Parlament Dokumente, Mitteilungen und Berichte der EU-Institutionen so zeitnah wie möglich zuzuleiten. Sonst sei eine effektive Mitwirkung in EU-Angelegenheiten nicht möglich. Auch die Entsendung deutscher Mitglieder an den Europäischen Gerichtshof soll an das Verfahren für die Ernennung der Richter für die obersten Gerichtshöfe des Bundes angepasst werden, fordert die CDU/CSU.
Der Gesetzentwurf der Koalition will die Mitwirkungsmöglichkeit von Bund und Ländern bei der EU-Gesetzgebung stärker an deren jeweiliger Geschäftsordnung orientieren. Auf dieser Basis sollen Bundestag und Bundesrat dann über eine Abgabe von Stellungnahmen oder Klagen zur Wahrnehmung der Subsidiarität entscheiden. Dabei sollen "Einzelheiten der Unterrichtung oder Beteiligung einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Bundestag vorbehalten bleiben". Bei einer Klage soll "das Organ, das die Erhebung beschlossen hat, auch die Prozessführung übernehmen". Handhabbarkeit und Klarheit der Regelungen sollen zudem bei Verfahren zur Unterrichtung über Inhalte, Zielsetzung und Erlass von geplanten Rechtsakten der EU beim zeitlichen Vorlauf und den Widerspruchsmöglichkeiten Vorrang haben. Sicherzustellen sei auch die Verantwortlichkeit untergeordneter gesellschaftlicher Strukturen (Familie, Kommune, Bundesland) für bestimmte Bereiche in ihrer Verhältnismäßigkeit gegenüber der Gesamt-EU.
In einem Antrag fordert die Koalition die rechtlichen, organisatorischen, personellen und technischen Voraussetzungen für die effiziente Nutzung der Mitwirkungsrechte des Parlaments bei Rechtssetzungsvorhaben der EU. Der Bundestag müsse in der Lage sein, das Regierungshandeln in den EU-Institutionen "zu begleiten, zu gestalten und zu kontrollieren". Im FDP-Antrag wird gefordert, dass die Bundesregierung während des Übergangs zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat einer Entscheidung über einen mehrjährigen EU-Finanzrahmen nur einvernehmlich mit dem Bundestag zustimmt und eine Subsidiaritätsklage bereits auf Antrag einer Fraktion des Bundestages erhoben werden könne.