Die Bundeswehr wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Das ist allemal ein Anlass, sich mit den deutschen Streitkräften kritisch auseinander zusetzen. Jenseits der aktuellen Diskussion über Einsätze im Ausland und Strukturkonzepte gibt es somit auch Gelegenheit, grundsätzliche Entwicklungslinien in der Bundeswehr vor- und herauszuarbeiten.
Detlef Bald arbeitet heute am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Zuvor war er Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr in München. Er konzentriert seinen Rückblick auf vier Abschnitte:
- Aufbau- und Entstehungsphase (1949 - 1969),
- Reform und Stabilisierung (1969 - 1982),
- Konservative Konsolidierung (1982 - 2000) und
- Militärpolitische Perspektiven.
Bald richtet sein Augenmerk durchgängig auf den inneren Zustand der Streitkräfte und stellt fest, dass unmittelbar mit Beginn der Bundeswehr die Auseinandersetzung zwischen den Traditionalisten und den Reformern eingesetzt hat. Hier die Tugend- und Normenprediger, die ein durchgängig gültiges Soldatenbild wünschen und fordern, dort jene, die eine Reform des Geistes, der politischen Begründung und der gesellschaftlichen Einbettung wünschen, die demokratischen Regeln folgen.
Hierzu stellt Bald die seinerzeitigen Auseinandersetzungen in der Bundeswehr und in der Gesellschaft vor. Er nennt die Protagonisten wie auch deren Ideen und konstatiert, dass diese Gegensätze bis heute eigentlich anhalten, nur dass sie in der Tonart und im Erscheinen inzwischen anders, moderater ausfallen. Auch will Bald wissen, dass die langjährige Auseinandersetzung letztlich wegen des grundsätzlich konservativen Gefüges der Streitkräfte zugunsten der Traditionalisten ausgegangen ist. Gleichwohl bescheinigt er der Bundeswehr der jüngeren Zeit, dass ein neues deutsches Militär entstanden ist, "in dem Zivilität, Internationalität und demokratische Konformität Beachtung finden".
Bald verzichtet weitgehend auf eine Darstellung der internationalen Bindungen und sicherheitspolitischen Entwicklungen in der NATO und in der EU und die Auswirkungen auf die Bundeswehr. Ausführlich hingegen sind seine Auslassungen zu den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR), die der jetzige Verteidigungsminister 2003 erlassen hat.
Hier ist Bald voll des Lobes, weil er in dieser verteidigungspolitischen Vorgabe ein notwendiges realpolitisches Signal für das Vorhandensein und den Einsatz von Streitkräften sieht. Damit sei der politischen Leitung endlich auch gelungen, jenes notwendige Strukturmodell zu schneidern, das ja bekanntlich nicht länger Reform genannt würde, sondern mit Transformation richtiger bezeichnet wäre.
Bald sieht in dieser Richtlinie auch die Grundlage für eine weitere Verklammerung mit Politik und Gesellschaft der Streitkräfte, die nicht losgelöst von allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Grundzügen und Entwicklungen bestehen dürften. Insofern hätten die Traditionalisten, so wäre zu folgern, weniger Freude an der neuen Entwicklung.
Hier aber hört der Autor mit seinen Erwägungen auf und gibt nur noch mahnende Ratschläge für eine gesicherte demokratische Weiterentwicklung der Bundeswehr. Sein kleiner Band bietet genügend Stoff , um sich intensiver mit der Bundeswehr auseinander zu setzen und sich auch eingehender ihrer Entstehungsgeschichte zuzuwenden. Anlässe dazu wird es in den kommenden Monaten häufig geben. Bald hat einen kleinen Führer geschrieben, mit dem die Orientierung besser gelingt, auch wenn man mit seinen Schlussfolgerungen nicht immer einverstanden sein muss.
Detlef Bald
Die Bundeswehr.
Eine kritische Geschichte, 1955 - 2005.
Verlag C.H. Beck, München 2005; 232 S., 12,90 Euro