Daten, Beispiele und Perspektiven will das neue "Jahrbuches der Schulentwicklung" seinen Lesern bieten. Es erhebt zugleich den Anspruch, ein wissenschaftlich fundiertes Nachschlagewerk zu sein, das an all jene adressiert ist, die in Schulen und Schulverwaltung, in Wissenschaft und Politik mit Fragen des Bildungswesens in Deutschland und seiner Gestaltung befasst sind. Der Sammelband enthält insgesamt zehn thematisch heterogene, aber sachlich aufeinander bezogene Beiträge.
Im Kern geht es um die Leistungsfähigkeit und die Steigerung der Leistungseffizienz des deutschen Schulsystems. Ein Blick auf das am Ende platzierte Stichwortverzeichnis lässt bereits für den eiligen Leser die Breite der Themen des Bandes erkennen. Aber es gibt auch deutliche Hinweise auf die durch die Ergebnisse der PISA-Studien induzierten neuen Schwerpunktsetzungen und Trends in der deutschen schulpädagogischen Debatte. Man muss diese nicht gutheißen, Skepsis mobilisieren dürfen, aber man sollte sie zur Kenntnis nehmen: "Evaluation" ist eines der meist genannten Stichworte, es folgen "Vergleichsarbeiten", "Parallelarbeiten", "Schuleffektivitätsforschung", "Hausaufgaben", "Ganztagsschule" sowie "Lernkultur".
Damit lösen die Herausgeber einen selbstgesetzten Anspruch ein, nämlich die Entwicklung an den Schulen möglichst aktuell zu beobachten, zu analysieren und den Lesern damit verlässliche Grundinformationen an die Hand zu geben, die sie professionell nutzen können. Ob sie diese Prozesse nur kritisch begleiten oder wohlwollend fördern wollen, steht dabei nicht zur Debatte.
Traditionell eingeleitet wird der Band mit einem Beitrag von Michael Kanders, der die wichtigsten Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in der deutschen Bevölkerung zu Schul- und Bildungsfragen vorstellt. Hier ist nicht der Platz, einzelne Befunde vorzustellen, aber eines soll doch angemerkt werden, nämlich die hohe Unzufriedenheit mit dem deutschen Bildungssystem. Lediglich 25 Prozent der Befragten möchte bundesweit die Verantwortlichkeit für die Schulpolitik bei den Ländern belassen; 50 Prozent wünschen sich mehr Bundeskompetenz und weitere 25 Prozent würden die Schulpolitik sogar generell zur Bundessache machen wollen. Nach den Erfahrungen mit der ersten Föderalismuskommission darf man eher skeptisch sein, ob solche Befunde in die Debatten um die Neustrukturierung des bundesdeutschen Föderalismus ernsthaft Eingang finden werden.
Markt und Demokratie
Hermann Pfeiffer diskutiert im Anschluss das Thema "Schulautonomie" im Spannungsfeld von Markt und Demokratie und Klaus Klemm widmet sich der nicht enden wollenden Debatte um grundsätzliche Strukturfragen des Bildungssystems. Im Hintergrund steht dabei stets die Frage: Wie kann man die Qualität des deutschen Schulsystems verbessern?
Hans-Günter Rolff stellt in diesem Kontext zwei alternative Lösungsvorschläge vor, nämlich einmal Strategien, welche von den Schulen ausgehen, zum anderen Entwicklungsmöglichkeiten, die zentral von den bildungspolitischen Administrationen angeschoben werden. Dazu zählen zentrale Abschlussprüfungen, Vergleichs- und Parallelarbeiten oder ein Ausbau der Schulleistungsforschung, deren Grenzen und Möglichkeiten in zwei weiteren Beiträgen intensiv diskutiert werden.
Natürlich lässt sich Schulentwicklung nicht nur über den Leistungsbegriff definieren und diskutieren. Zur Politik der gegenwärtigen Bundesregierung gehört es zum Beispiel, das Angebot an Ganztagsschulen in der Bundesrepublik Deutschland deutlich zu erhöhen. Auch auf diesem Gebiet kann das Jahrbuch mit einer eigenen empirischen Untersuchung Daten bereitstellen, die zu Konzeptionen von Ganztagsschulen, zu gegenwärtigen Forschungsbefunden und zu aktuellen Entwicklungen Aufschluss geben. Etwas aus dem Rahmen fällt dagegen der letzte Beitrag des Bandes, der die Befunde nationaler und internationaler Studien zum Einsatz neuer Medien im Unterricht zusammenfasst.
Daten und Beispiele bietet der Band - wie im Untertitel versprochen - in Hülle und Fülle, verlässliche, bedenkliche und nachdenkenswerte. Mit den Perspektiven allerdings ist das so eine Sache. Sie orientieren sich in vielen Fällen meist eher an künftigen Forschungsoptionen der Zunft selbst denn an möglichen Entwicklungspräferenzen des bundesdeutschen Schulsystems.
Das soll kein Vorwurf sein, denn Bildungsforscher sind in erster Linie Beobachter und nicht Programmatiker mit bestimmten bildungspolitischen Optionen oder Politiker, die eine spezielle politische Option durchsetzen wollen. Deshalb erfüllt der Band die Aufgaben, die er zu erfüllen hat - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Heinz Günter Holtappels et alii (Hrsg.)
Jahrbuch der Schulentwicklung Band 13.
Daten, Beispiele und Perspektiven.
Juventa-Verlag, Weinheim/München 2004; 355 S., 27,- Euro