Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 25.07.2005
Zur Druckversion .
K.Rüdiger Durth

"Wertefach" überlagert Schulpolitik

Berlin

Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat im rot-roten Senat des Landes Berlin einen schweren Stand: zum einen muss er um jeden Euro mit seinem Finanzkollegen Thilo Sarrazin (SPD) kämpfen, zum anderen kann er sich in der Frage eines alternativen Pflichtfaches Religion oder Ethik in der eigenen Partei nicht durchsetzen. Nun hat der Landesparteitag der SPD mit großer Mehrheit entschieden, ab dem Schuljahr 2006/07 und ab der siebten Klasse einen für alle Schüler verpflichtenden Werteunterricht einzuführen. Die Kirchen laufen gegen diesen Plan Sturm, da sie wie der Schulsenator ein alternatives Wahlpflichtfach Religion oder Ethik fordern - Berlin ist von der Verpflichtung befreit, Religionsunterricht in allen allgemeinbildenden Schulen zu erteilen. Die Mehrheit der SPD, aber auch der PDS, will einen für alle Schüler verbindlichen Werteunterricht.

Die Kirchen wie auch die Jüdische Gemeinde sowie die Islamische Föderation können wie bislang einen freiwilligen Religionsunterricht anbieten. Allerdings fürchten sie eine Überforderung der Schüler, wenn zur Wertekunde zusätzlich Religionsunterricht erteilt wird. Zumal sich das Land Berlin auf das Abitur nach zwölf Schuljahren einstellt. Das bedeutet, dass auf die Schüler ab dem fünften Schuljahr ohnehin mehr Unterricht zukommt.

Neu ist in Berlin, dass ab dem Schuljahr 2005/06 bereits Fünfeinhalbjährige eingeschult werden können. Außerdem müssen die einzuschulenden Kinder nachweisen, dass sie über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen. Dies ist nicht nur auf den hohen Ausanländerteil in zahlreichen Stadtbezirken wie Neukölln, Kreuzberg-Friedrichshain oder Mitte zurückzuführen, sondern auch auf einen hohen Anteil von Kindern aus sozial schwachen Schichten. Wer nicht genügend Sprachkenntnisse hat, erhält bereits vor der Einschulung einen speziellen Unterricht. Überhaupt sollen die Kinder im Vorschulalter erheblich besser als bislang gefördert werden, zumal die Versorgung mit Kindertagesplätzen in Berlin als sehr gut gilt. Dadurch soll auch die Integration der ausländischen, vor allem türkischen Kinder verbessert werden. Nach wie vor schafft nur ein geringer Teil der türkischen Kinder das Abitur, ein sehr hoher Teil verlässt die Hauptschule ohne Abschlusszeugnis.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.