Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 34 - 35 / 22.08.2005
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Ines Gollnick

"Es ist schön, ein Christ zu sein"

XX. Weltjugendtag 2005 in Köln - eine klare Botschaft

Köln im Ausnahmezustand: Mehr als 400.000 registrierte Pilger und Pilgerinnen beim XX. Weltjugendtag sorgten für eine internationale Atmosphäre in der Stadt - zuweilen auch für stimmungsvolles Durcheinander - und für Bilder, die faszinierten und denen man sich kaum entziehen konnte.

Die Begeisterung steckte an. "La Ola", die Welle, die man eigentlich nur von Sportgroßereignissen kennt und "Be-ne-detto"-Rufe bereits am Flughafen bei der Ankunft und der Begrüßung von Papst Benedikt XVI. durch Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzler Gerhard Schröder; Pilger, die nicht nur auf den Rheinwiesen, sondern sogar meterweit im Wasser standen, als der Papst gemeinsam mit Jugendlichen aus aller Welt seine Rheinfahrt zum Dom antrat und eine Ansprache hielt; Menschenansammlungen auf großen und kleinen Plätzen der Stadt in der Hoffnung, den Papst zu sehen und zu hören, etwas von seiner Aura zu spüren und seine Botschaft live zu empfangen und - das dürfte mit das wichtigste Signal nach außen sein - alles lief friedlich ab. Diese harmonischen Bilder gingen rund um den Globus. Sie sind ein Frieden stiftendes Signal in eine Welt, die die nachwachsende Generation mit gestalten möchte, eine Generation, deren Vertreter in der Weltjugendtagswoche eine besondere Art der Völkerverständigung erleben konnte.

"Willkommen in der Heimat, willkommen in Deutschland!" rief Bundespräsident Horst Köhler dem Gast bei seiner Ankunft zu. Es sei "ein großer Tag für uns alle". Der Bundespräsident nannte den Weltjugendtag "einen ganz wunderbaren Anlass" für den Besuch von Benedikt XVI. in seiner Heimat. Ein außergewöhnliches Ereignis im religiösen und politischen Sinn war der Besuch des Papstes bei der jüdischen Gemeinde in Köln. Zum ersten Mal betrat damit ein Oberhaupt der katholischen Kirche eine deutsche Synagoge, zum zweiten Mal überhaupt ein Papst ein jüdisches Gotteshaus, nachdem Johannes Paul II. 1986 die Synagoge in Rom besucht hatte. Dass er dies als Deutscher tat, der zur "Flakhelfergeneration" gehört, wie es auch der Bundespräsident bei der Begrüßung betonte, verdeutlicht, wie viel schwerer dieser Gang gewesen ist, als der Besuch des vorherigen Papstes in den 80er-Jahren. Der Papst wurde von der jüdischen Gemeinde als "Brückenbauer" zwischen Katholizismus und Judentum willkommen geheißen. Die Begegnung war ein wichtiger Schritt für den interreligiösen Dialog und ein Symbol für mehr Toleranz zwischen den Religionen. Ein ökumenisches Treffen im Erzbischöfliches Haus und ein Gespräch mit Vertretern der Muslime waren ebenso Teil des Papstbesuches. Im Mittelpunkt aber stand die Begegnung mit den jungen Menschen.

DDie Erwartung darauf, wie sich Papst Benedikt XVI. - von Hause aus Wissenschaftler und ein eher zurückgezogener "Arbeiter" - in seine neue Rolle hineinfinden würde, wenn er mit so vielen Jugendlichen kommunizieren und sie motivieren müsste, war groß. Ein Fernsehreporter formulierte treffend: Die Zuneigung der Jugendlichen trägt ihn durch die Straßen. Jubel wie für einen Popstar. Er verließ sein "Papamobil" früher als geplant, als er nach der Flussfahrt das Festland erreichte und sich in das "Goldene Buch" der Stadt eingetragen hatte, er nannte die Jugendlichen mehrfach "Freunde". Von Anfang an hatte er deutlich gemacht, dass er keine Begegnung unter einer "Käseglocke" wollte. Das hat Papst Benedikt wahr gemacht. Diese Reise zu und mit den jungen Pilgern, eine Art Bewährungsprobe, hat er wohl bestanden. Der Pontifex wirkte offen und gelöst, und er schien auch umgekehrt von den Jugendlichen etwas zu empfangen. Seine Rede vor dem Dom war von großer Zuneigung zur Metropole im Westen Deutschlands gekennzeichnet. Er ließ die lange Geschichte der katholischen Kirche in der Stadt in wenigen Ausschnitten Revue passieren. Es war eine kleine Hommage an Köln. Doch es gab auch kritische Stimmen, weil er die große schwule und lesbische Gemeinde, die dort lebt und für die die Stadt auch steht, mit keiner Silbe erwähnte.

Es war ein Glaubensfest der Extreme, nicht nur was die Zahlen, sondern auch was die Art und Weise betrifft, Glauben zu leben. Extrovertiertheit im öffentlichen Raum bis hin zu den Eröffnungsgottesdiensten unter freiem Himmel in drei Städten, Introvertiertheit bei den Katechesen, den Unterweisungen in Glaubensfragen und christlicher Lebensweise an 248 Orten in 30 Sprachen. Die Bischöfe referierten, jeder konnte für sich alleine nachdenken, aber auch Fragen stellen.

Suche nach Integrationsfigur

Auch die Domwallfahrt vorbei am Schrein der Heiligen Drei Könige, die allen Pilgern und Pilgerinnen möglich war, zählte zu den Katechesen. Der Glaube auf diesem Jugendtreffen mit Teilnehmern aus aller Welt unter dem Thema "Wir sind gekommen, um IHN anzubeten" zeigte sich in ganz verschiedenen Ausdrucks- und Verhaltensformen. Wie stark dieser unter den jungen Menschen wirklich verankert ist, lässt sich daran allerdings nicht ablesen. Was dieser Weltjugendtag aber vermittelt hat, ist die Suche und die Sehnsucht junger Menschen nach einer Integrationsfigur, aber vor allem nach Gemeinschaft und Solidarität. Offenbar gibt es einen stärkeren Zuspruch zum Glauben als noch vor zehn Jahren. Glaube und Nähe zur Kirche sind bei den Jugendlichen jedoch nicht dasselbe. Und da junge Leute natürlich Fragen zur Sexualität stark beschäftigen, gibt es sicher auch hier widerstreitende Positionen. Karl Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, scheute das Thema nicht. Die Kirche laufe Gefahr, in diesem Bereich nicht mehr gehört zu werden und damit abgemeldet zu sein. Dieses Thema ist wichtig, allerdings nicht immer vordergründig.

Viel entscheidender war, was der Papst den Jugendlichen auf ihrer spirituellen Reise mit auf den Weg geben würde. Ganz grundsätzlich, so hatte er schon im Vorfeld formuliert, wünschte er sich von den Feiern "einen Impuls für einen alten Kontinent".

Dass er auf dem Rheinschiff seine Rede in fünf Sprachen hielt, beförderte sicher die Aufmerksamkeit der jungen Zuhörer. Papst Benedikt forderte die Jugend auf, sich auf christliche Werte zu besinnen. "Reißt Euer Herz weit auf für Gott, lasst Euch von Christus überraschen", rief das Oberhaupt der katholischen Kirche Hunderttausenden am Ufer Versammelten zu. "Wer Christus in sein Leben eintreten lässt, verliert nichts - absolut nichts von dem, was das Leben frei, schön und groß macht. Nein, nur in dieser Freundschaft erschließen sich wirklich die großen Möglichkeiten des Menschsein", betonte der Papst. Er lud die Jugendlichen ein, sich "rückhaltlos dem Dienst Christi zu widmen, koste es, was es wolle".

Er machte deutlich, dass es "schön ist, ein Christ zu sein" und nicht "etwas Mühseliges und Belastendes". Ausdrücklich begrüßte der Papst in seiner Rede auch diejenigen unter den Zuhörern, die nicht getauft und in der Kirche nicht zu Hause seien. Er erinnerte daran, das Johannes Paul II. gerade an diese Menschen eine besondere Einladung gerichtet hatte. Denn das Miteinander auf dem Weltjugendtag biete die Möglichkeit, die Kirche als einen Ort der Barmherzigkeit und der Freude zu erfahren. Von dieser Freude und dem Völker verbindenden Charakter der Veranstaltung war sehr viel zu spüren in Köln.

Eine wichtige Botschaft dieses 20. Weltjugendtages wird auf jeden Fall bleiben. Bundespräsident Horst Köhler brachte sie bei der Begrüßung so auf den Punkt: " Gerade in diesen Zeiten, in denen viele Menschen Angst haben vor Terror und vor Gewalt, die aus angeblich religiösen Motiven verübt wird, ist es gut, Glaube und Religion als Wege zu Frieden und Menschlichkeit zu erfahren."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.