Politische Kunst ist nicht neutral. Sie versucht mit der ganzen Bandbreite ihrer Ausdrucksmöglichkeiten, die von der auftraggebenden politische Gruppe aber auch von Einzelpersonen intendierten politischen Botschaften mit spezifischen Mitteln zu transportieren. In der Malerei geschieht das zum Beispiel mit interpretierbaren Gebärden und Gesten als Ausdruck menschlicher Interaktion. Auch in der Gestaltung von Kriegerdenkmälern werden politische Botschaften deutlich. Diesem Kontext spüren die beiden Bücher "Politische Kunst" und "Der Stellungskrieg der Denkmäler" mit Kenntnis und Scharfsinn nach.
Der Band "Politische Kunst. Gebärden und Gebären" will die dargestellte Gestik auf gemalten oder gemeißelten Bildern im Zusammenhang des Politischen deuten und erschließen. Dies bleibt eine kunsthistorische Aufgabe, ist dieser Funktionszusammenhang doch nicht ohne weiteres kongruent mit den Gesten und Ritualen, die in der Wirklichkeit ausgetauscht werden. Gesten in Bildern und bei Denkmalsfiguren unterliegen schon dadurch, dass sie nicht transitorisch, sondern permanent sind, einem anderen Wirkungsmechanismus als solche in einer tatsächlichen politischen Praxis.
Die von ausgewiesenen Fachleuten erstellten Artikel vermitteln politische Kunst in der Zeit vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, also vom Absolutismus, der sich ausbildenden Moderne mit der Gründung der Nationalstaaten bis hinein in das letzte, von politischen Katastrophen gezeichnete Jahrhundert. Die ausgewählten Fallbeispiele könnten unterschiedlicher kaum sein. Und doch sind sie durch den gemeinsamen abendländischen, christlich-kulturell dominierten Kulturkreis verbunden.
Nur zwei davon seien erwähnt: Der Künstler Diego Velázquez lud in seinem inszenierten Historiengemälde "Die Übergabe von Breda" (1635) das Ereignis - die Belagerung der niederländischen Festung Breda durch spanischeTruppen - mittels großer und kleiner Gesten bei einigen seiner abgebildeten Figuren psychologisierend auf. Die Übergabe des Schlüssels der Festung - der spanische Sieger verneigt sich huldvoll vor dem besiegten Gegner - ist als Sieg der spanischen Diplomatie und als Zeichen der Humanität dargestellt. Das ist die politische Botschaft des Werkes.
Zeitlos dagegen erscheint die Geste des politischen Kehraus in der Bildpropaganda. Symbol dafür ist der Besen. Er säubert, aber er zerstört nicht. Er hat eine abweisende und abwehrende Funktion, zugleich aber steht er für Erneuerung und Reform. Das Motiv des Auskehrens, so zeigt es ein Beitrag des Bandes über die politische Besenmetaphorik, hat bis heute seine Bedeutung nicht verloren. Das Foto eines fegenden US-Soldaten vor einer Kaserne in Deutschland vom Oktober 1991 mit der Bildunterschrift "Kehraus für GI's" steht nicht nur symbolisch für den amerikanischen Truppenabzug, sondern auch für das Ende des Kalten Krieges.
Das Buch "Der Stellungskrieg der Denkmäler. Kriegerdenkmäler im Berlin der Zwischenkriegszeit (1919 bis 1939)" beschäftigt sich ausschließlich mit Gefallenengedenken und Gefallenenkult. Es ist ein politisches Buch mit einer dezidierten Meinung über die Zeit zwischen 1914 und 1945: Sie kann durchaus als Einheit, als moderner Dreißigjähriger Krieg gelesen werden.
Für die Beantwortung der Frage nach dem Sinn für den ungeheuren Blutzoll des Ersten Weltkrieges - zwei Millionen getötete deutsche Soldaten, vier Millionen verwundete, ungefähr 800.000 Invalide und Hinterbliebene - beanspruchte jedes politische Lager Deutungshoheit und versuchte, die Idee der Nation für sich zu instrumentalisieren. Kriegervereine und Traditionsverbände bildeten nach Kriegsende eine antirepublikanische, nationalistische Gegenwelt zur Weimarer Republik. Das Dilemma des republikanischen Kriegergedenkens bestand in der Unmöglichkeit, ein einheits- und identitätsstiftendes Gedenken zu schaffen, denn die militärische Niederlage war mit dem politischen Systemwechsel untrennbar verbunden. Das Militärische hatte die politische Sphäre durchdrungen und besaß gegenüber der Republik ungebrochene Anziehungskraft. Zwangsläufig unterhielten die großen Parteien paramilitärische Kampfverbände: die SPD das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die KPD den Rotfront-Kämpferbund, die NSDAP die SA.
Alle politischen Akteure verbanden mit der Präsenz in der Reichshauptstadt besonderes Prestige und zeigten ihre territorialen Ansprüche an durch Beflaggung, Plakatierung, Parolen an Hauswänden und eben auch durch die Setzung von Denkmälern, die dauerhafte Präsenz sicherten. Deren Funktionalisierung von den verschiedenen Parteien und Verbänden und die dabei sich einstellenden Konflikte werden ebenso thematisiert wie die Beauftragung der Bildhauer, ästhetische Tendenzen, verschiedene Denkmalstypen, ihre Zuordnung zu den Parteien und sozio-kulturellen Milieus oder die Verwendung von bestimmten Materialien.
Das klug geschriebene Buch mit nur wenigen Schwächen (Die "Ruinenwerttheorie" gilt als nachträgliche Erfindung Albert Speers zur Verklärung von NS-Bauten; einen zeitgenössischen Nachweis ihrer Bedeutung aber gibt es bis heute nicht) gewinnt mit Exkursen zur Denkmalspolitik im "Dritten Reich", in der BRD und der DDR bis zur Gegenwart zusätzlich an Format. Der Systemwechsel von 1989/90 führte zum ersten Mal seit 1945 wieder zu großen Veränderungen in der Berliner Denkmalslandschaft.
Am Beispiel der Neuen Wache am Prachtboulevard Unter den Linden, die seit über 70 Jahren als Gedenkstätte dient und vier verschiedene Systeme als Betreiber und Auftraggeber erlebte, kann der politische Totenkult und die Bildsprache unterschiedlicher Systeme studiert werden. Sie ist daher in der deutschen Denkmalslandschaft ein herausragendes, ein unvergleichliches Monument. Ihr Umbau unter der Regierung Helmut Kohl zu einer Sammelgedenkstätte nationaler Bedeutung für alle denkbaren "Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft", die heute den KZ-Häftling und den SS-Mann gleichermaßen vereint, bleibt sehr problematisch.
Der spektakulärste und umfangreichste Denkmalsbau in der neuen Hauptstadt aber ist das in diesem Jahr nach über einem Jahrzehnt der Diskussion eingeweihte und noch immer umstrittene "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" in der Nähe von Brandenburger Tor und Reichstag. Die Realisation nach einem Entwurf des amerikanischen Architekten Peter Eisenman lässt sich als bedeutendster zeitgenössischer Bau eines Nationaldenkmals bezeichnen.
Martin Warnke (Hrsg.)
Politische Kunst. Gebärden und Gebaren.
Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte, Studien, Theorien, Quellen, Band 3.
Akademie Verlag, Berlin 2004; 159 S., 34,80 Euro
Christian Saehrendt
Der Stellungskrieg der Denkmäler.
Kriegerdenkmäler im Berlin der Zwischenkriegszeit (1919 bis 1939).
Verlag J.H.W. Dietz Nachf, Bonn 2004; 205 S., 29,80 Euro