Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 12.09.2005
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Jeannette Goddar

Willst Du mit mir wählen gehen?

Bundestag und freie Initiativen versuchen, Jungwähler zu mobilisieren

Die gute Nachricht: Jugendliche sind gar nicht so unpolitisch. Immerhin jeder fünfte 16- bis 29-Jährige setzt sich für irgendetwas ein, für den Frieden, die Umwelt oder globale Gerechtigkeit zum Beispiel. Die nicht ganz so gute Nachricht: Parteien unterstützen wollen immer weniger Jugendliche. Und zwar nicht nur als Mitglieder, sondern auch als Wähler oder Wählerinnen. Vor drei Jahren lag die Wahlbeteiligung bei den Erstwählern mit 70,2 Prozent um rund neun Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Und von denen, die beim ersten Mal noch stimmen gehen, haben einige schnell genug: Unter den 21- bis 25-Jährigen gingen 2002 sogar nur 68,1 Prozent zur Wahl. Das mag verschiedene Gründe haben, von denen der häufigst genannte die so genannte "Politikverdrossenheit" ist.

Glaubt man dem Deutschen Jugendinstitut, das regelmäßig das politische Engagement junger Menschen misst, hängt die Wahlabstinenz abauch damit zusammen, dass sie sich schlecht vorbereitet und schlecht infomiert fühlen. Und auch wenn die demographische Entwicklung auch ganz ohne Wahlenthaltungen dafür sorgt, dass immer mehr von immer Älteren entschieden wird gilt: Am 18. September sind zehn Millionen unter 30-Jährige wahlberechtigt.

An erster Stelle bemüht sich natürlich der Deutsche Bundestag um die Wähler. Mit pfiffigen, jungen Logos und gut verlinkten Informationen im Internet will das Parlament vor allem auch die jungen Wähler erreichen. Formel 1-Fahrer Heinz-Harald Frentzen, die Beach-Volleyballerinnen Stephie Pohl und Okka Rau sowie die Fußballer Benny Lauth und Thomas Doll treten mit viel Power auf der Seite "www.egal-ich-geh-zur-wahl.de" auf. Außerdem bietet das Bundestagslogo auf der Seite einen Link zum virtuellen Adler, der einem alle Fragen zur Wahl beantwortet. Und was gibt es für die Unentschlossenen? E-Cards zum Verschicken. Mit ihnen kann man seinen Freunden auf die Sprünge helfen: "Deine Stimme fehlt mir", ist eine davon. Wer möchte die E-Card nicht bekommen?

Ganz ähnlich ist die Kampagne der Evangelischen Organisationen aufgebaut. Sie haben vier Internetspots produziert, die den Jungwählern den entscheidenden Quadratmeter schmackhaft machen sollen: Die Wahlkabine. 400.000 Postkarten sollen auf die Aktion aufmerksam machen, dann, so hoffen die Initiatoren, werden sich viele Jugendliche die Spots auf der Website "www.nutzedenraum.de" runterladen und per E-Mail verschicken.

Doch es gibt auch ganz andere Konzepte: Die "Wahl Gang 05", eine Gruppe engagierter Studenten, versucht mit frischen Ideen und der Unterstützung von Prominenten und der Bundeszentrale für politische Bildung, die jungen Wähler zu motivieren - wie schon 2002 mit großem Erfolg. "Die politische Klasse hat allen Grund zu fürchten, die Jungen nicht gewonnen zu haben", sagt Sandra Maischberger, die in ungewohnter Rolle vor die Kameras trat. Als selbst ernannte "Wahlgangsbraut", die sich als "Schirmfrau" einer Berliner Jungwählerinitiative verschrieben hat, wirbt sie gemeinsam mit den Politik-Studenten der Freien Universität Berlin um mehr Wahlbeteiligung von Jungwählern. Bestandteile der Kampagne der Wahlgang sind ein Kino- und TV-Spot, in dem die Wahlberechtigung als Schritt auf eine Gästeliste erklärt wird; eine Telefon-Aktion (Telefon 0800-30 000 09), an der sich diverse Schauspieler und Bands beteiligen und eine Schultour durch die Republik. Außerdem unterhält die "Politikfabrik" der Berliner Studierenden in Berlin-Mitte eine "Wahl-Lounge", in der sie Material bereitstellen und Diskussionen veranstalten.

Dafür, dass die "Wahl Gang" nicht spurlos an ihrer Zielgruppe vorüber geht, gibt es zumindest Indizien: 2002 hatten sich die Polit-Gangster vor allem jenen Berliner Bezirk zum Aktionsfeld auserkoren, in dem die Wahlbeteiligung unter Erstwählern am niedrigsten war. Am Ende konnte sie auf eine höhere Beteiligung verweisen: Allerdings handelt es sich bei diesem Bezirk um Kreuzberg-Friedrichshain, das schon deshalb bundesweit enorme Aufmerksamkeit auf sich zog, weil sich hier mit Christian Ströbele der einzige grüne Direktkandidat durchsetzte. Dennoch erscheint auch der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) der Weg, den die Politikfabrik geht, für so erfolgreich, dass sie das Projekt auch in diesem Jahr unterstützt.

Wer wählen will, aber nicht weiß was, kann auf ein weiteres Tool der bpb zurückgreifen: Der Wahl-O-Mat (www.wahl-o-mat.de) bietet jedem die Gelegenheit, anhand von 30 politischen Statements zu überprüfen, welche Partei für ihn die richtige ist.

Der Bedarf an der Online-Hilfe ist in Zeiten allgemeiner Unsicherheit offenbar enorm: Nach einer Woche zählte die Bundeszentrale bereits eine Million Nutzer, gleichwohl von Wählern jeden Alters.

Noch ein paar Jahre früher als die Politikfabrik setzt die Berliner Initiative u18 an. Im Internet stellte der Zusammenschluss freier Träger Jungen und Mädchen unter 18 Wahlunterlagen zur Verfügung. Diese zählen zwar nicht bei der Wahl des Bundestages, sollen der Jugend aber trotzdem eine Stimme verleihen. Damit diese auch früh gehört wird, hat U18 den Wahltermin kurzerhand auf den 9. September vorgezogen. Die Ergebnisse werden noch am selben Abend unter "www.u18.org" stehen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.