Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 12.09.2005
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Susanne Kailitz

Aufgekehrt...


Ein interessanter Vorschlag ist es, der dieser Tage in Ungarn diskutiert wird: Der Budapester Bezirksbürgermeister Gabor Mitynan hat gefordert, dass künftig nur noch Rathausmitarbeiterinnen Miniröcke tragen dürfen, die "absolut perfekte Beine" haben. Auch die beliebten bauchfreien Oberteile sollen nur noch da zu sehen sein, wo sie nach Ansicht des Politikers hingehören - schließlich hätten nur wenige Frauen einen so gut trainierten Bauch, der es wert sei, gezeigt zu werden.

Damit hat Mitynan ausgesprochen, was wohl viele Männer denken - aber niemals laut aussprechen würden. Dass sein Vorschlag Gesetz wird, steht indes nicht zu erwarten: Der Budapester Bürgermeister Gabor Demszky hat das Ansinnen bereits scharf zurück-gewiesen. Schade eigentlich. Denn wenn Mitynans Vorschlag angenommen worden wäre, wäre es über kurz oder lang wahrscheinlich auch männlichen Modesünden an den Kragen gegangen. Dann wäre endlich Schluss gewesen mit Socken zu Sandalen und Bierbäuchen über zusammengeschnürten Gürteln - und Edmund Stoiber hätte sich statt zum Kanzler wenigstens zum Modepapst ausrufen können, nachdem das Männermagazin "Men's Health" ihm gerade einen Top-Geschmack in Sachen Outfit attestiert hat.

Ohnehin scheint das Aussehen immer wichtiger zu werden und selbst Frauen, die sich bis dato immer dagegen verwahrt hatten, auf Äußerlichkeiten reduziert zu werden, mischen in solchen Diskussionen mit. In einer Talkshow ließ etwa Nina Hagen alle vielzitierte weibliche Zurückhaltung fallen und bezeichnete die ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth als "die dicke Frau" - und so mancher männliche Zuschauer mag sich im Geiste ausgemalt haben, was passiert wäre, hätte ein Mann diese Worte formuliert.

So muss die Frauenwelt sich berechtigt fragen lassen, ob die gemeinsten Angriffe nicht doch aus den eigenen Reihen kommen und ob nicht mehr Solidarität geboten wäre. Ein Beispiel könnten sich die Streithennen etwa an den Busenfreunden der Linkspartei nehmen. Dort lächelt Gregor Gysi auf den Wahlplakaten seinen Kumpel Oskar Lafontaine so hingebungsvoll an - beide im Übrigen ultraschick im Anzug und ohne sichtbare körperliche Mängel - , dass es den Genossen selbst schon unheimlich vor so viel Harmonie wurde. Nun werden die Plakate überklebt.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.