Wenn man dem alten Gassenhauer "Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben" trauen darf, dann sitzt im deutschen Volk ein gerüttelt Residuum von Royalismus. In der Tat kann man bei den gelegentlichen Staatsbesuchen des englischen Königspaares auf den offiziellen Empfängen ein eifersüchtiges Gedränge der Notabeln beobachten, die den Gästen ihre besondere Reverenz erweisen möchten. Die vom Protokoll Bevorzugten dürfen ihren Spruch aufsagen: "Ich bin Jan Ulrich, Deutscher Meister im Radrennfahren." Worufhin die Queen verständnislos-begütigend lächelt und "how nice" antwortet.
Aus ähnlichen persönlichen Begegnungen tagebuchartig festgehalten, setzen sich die ersten 58 der insgesamt 528 Seiten umfassenden Doppelbiografie von Gyles Brandreth zusammen. Der Autor, in den frühen 90ern als Tory im Parlament und damals sogar Junior-Minister in der konservativen Regierung von John Major, rühmt sich einer persönlichen Bekanntschaft mit Prinz Philip, über den er zunächst schreiben wollte. Im Zuge der Recherche entschloss er sich, den Rahmen zu erweitern und diese Doppelbiografie zu verfassen.
Kühn griff er dabei auf eine gewagte literarische Vorlage zurück. Mit "Porträt einer Ehe" hatte nämlich Nigel Nicholson, Publizist und Verleger, seinen Eltern, dem homoerotischen Diplomaten und Autor Harold Nicholson und seiner Gattin, der schriftstellernden Victoria Sackville-West, einer prononcierten Lesbierin, und damit zugleich der Boheme-Welt von Londons Bloomsbury ein bizarres Denkmal gesetzt.
Nun, weder Bohemien noch bizarr ist die Ehe von Philip und Elizabeth. Aber sie ist doch herausgehoben aus der Alltäglichkeit vieler üblichen Glamourehen von Pop- und Filmstars, obwohl auch ihr ein Element von Seifenoper innewohnt, sind sie doch beide echter Prinz und echte Königin. Ihr Rückgrat ist gestählt von zwei Pfeilern: Pflicht und Dienst.
Das Terrain, auf dem sich Brandreth bewegt, ist gleichwohl heikel, denn er schlendert mit geradezu somnambuler Sicherheit auch über die abschüssigsten Klippen dieser Familiensaga. Selbst ein Seelmann-Eggebert, der Hofberichterstattung aus dem Morast der Boulevardpresse auf den Rang des gehobenen Journalismus in den öffentlich-rechtlichen Medien rettete, bestätigt ihm, das Buch sei gut recherchiert und bringe "viele Überraschungen".
So ist es. Brandreth geht weit über das hinaus, was in der autoritativen "Royal-Encyclopedia" aufgelistet ist und kommt in den auf den letzten Stand gebrachten Schlusskapiteln auch auf Klatsch und Tratsch der Regenbogenpresse und den schnelle Münze machenden Journalismus zu sprechen. Er rückt alle Gerüchte, da ja niemand dabei die Lampe gehalten hat, ins rechte Licht.
Bei Philip und Elizabeth hat er sich mit diesem Eheporträt sicher nicht sonderlich beliebt gemacht. Für die Nachwelt aber hat er ein Fundament geschaffen, auf dem künftige Historiker fußen können. Eine zweite goldene Elisabethanische Ära, wie man es bei dem Antritt der Zweiten Elizabeth erhofft hatte, ist es nicht geworden. Vielleicht lag es daran, dass Prinz Philip nicht wie Prinzgemahl Albert von Victoria die gleichen Rechte als diskreter Berater im Hintergrund eingeräumt wurden.
Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass Elizabeth in den fast 50 Jahren ihrer Herrschaft von der Witwe Georgs VI in den Schatten gestellt wurde, da die relativ junge Witwe gleich doppelt ihren Rang beanspruchte, einerseits als Königin-Mutter und als Königin Elizabeth.
Wie nobler hingegen die Großmutter Queen Mary aus dem Hause Teck: Sie gratulierte der blutjungen Elizabeth beim Thronantritt mit einem tiefen Hofknicks und sagte, sie wolle eine der ersten sein, die ihrer Souveränin Glück wünschen.
Gyles Brandreth
Philip und Elizabeth - Porträt einer Ehe.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005; 528 S., 24,90 Euro